Bucket List Museums

In the process of aging, you start to edit bucket lists – containing things you want to do before you die. Those of you, who shy away from thinking about the time until their own death, may frame it as a priority list. Talking about the visit of museums, I have a quite substantial amount of „priorities“. But obviously I have already made some „checks“. Let’s see what is outnumbered over time: The to-be-visited places or the already-visited places. Here is my bucket list of museums world wide:

Kunst in 0711

0711 ist die Telefonvorwahl von Stuttgart und gleichzeitig ein Markenbegriff für die Stadt. Dass für mich das Kulturleben ein Teil der Marke Stuttgarts ist, hat sich mal wieder am Besuch der Staatsgalerie gezeigt. Es geht dabei um Details mit eindrücklicher Wirkung wie frisch-grüner Noppenboden, gruftartig-spirituelle Räume in satt-dunklem Grau, bühnenhafte Inszenierung von Ballettkostümen, unendlichem Sichversenken in ledernen Sesseln.

Fangen wir sachlich an: Im Jahr 1843 wurde das erste Gebäude der Staatsgalerie fertiggestellt, das der König von Württemberg zur Beherbergung der Gemäldesammlung und der Kunstschule in Auftrag gegeben hatte. Woran ich mich immer wieder erfreue, ist der Anblick des Neubaus von James Stirling aus dem Jahre 1984. Die Wandfronten bestehen aus großen, sandfarbenen Steinblöcken und erzeugen bei mir die Wahrnehmung einer zwar harten aber warmen Außenhaut. Am Eingangsbereich wird die Wand durch ein Fensterfassade in Wellenform durchbrochen, die durch frisch-grüne Stahlträger gegliedert wird. Auf dem terrassiertem Gelände befinden sich noch weitere Elemente, deren Material stahlartig ist – in rot, blau und pink – und aus einer industriellen Produktion zu kommen scheinen, wie die Geländer oder das Dach vor den Eingangstüren. Im Empfangsbereich begrüßt dann der Noppenboden wieder im frischen Grün, der mich im besten Sinne an Legosteine erinnert. Zusammen ist das als herausragendes postmodernes Beispiel in den Architekturkanon eingegangen.

Vor ein paar Jahren war die Sammlungspräsentation noch enthistorisiert, sodass mittelalterliche Altäre neben abstrakter Nachkriegskunst zu hängen kamen. Aktuell wird wieder chronologisch durch die Sammlung geführt – und zwar vom 14. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Die Hängung ist aus meiner Sicht optimal, was das Verhältnis der Größe der Bilder zur ihrer Menge im Raum angeht  – also keine überhäufte Hängung von Riesengemälden à la Louvre. Und damit ergibt sich die Basis für viele der besten – das heißt stimmigen – Eindrücke von Kunstwerken in Museumsräumen, die ich je hatte.

Wenn man den Rundgang am Berührungspunkt des alten und neuen Baukörpers beginnt – wieder eine in grüne Stahlträger gefasste Glasfassade – dann trifft man zuerst auf eine Serie von Rückenakten von Matisse: Bronzeplatten, die durch unterschiedliche Abstraktionsgrade das bildhauerische Entstehen (oder Verschwinden) eines Rückenreliefs zeigen. An diesem Punkt empfehle ich tatsächlich chronologisch vorzugehen. Dann nimmt man den symbolisch nachzuvollziehenden Weg aus Räumen des ausgehenden Mittelalters in dunkler Wandfarbe und dezent beleuchtet gehalten in die weißwandigen Räume der Gegenwart im postmodernen Bauteil des Museums. Aber qualitativ beschreibt dieser Gang keinen Fortschritt, denn außergewöhnlich gute Eindrücke bestehen in jedem Epochenabschnitt. Denn sprach ich gerade von dunkler Wandfarbe im altdeutschen Teil des Erdgeschosses, so meine ich ein satt-dunkles Grau, das mit der dezenten Beleuchtung eine sakrale Atmosphäre erzeugt: nicht monumental-kathedralenhaft, sondern eher gruftartig-spirituell und dabei großartig durch die Perspektive der nacheinander folgenden Räume, was ich als eine unaufdringlich gute Art der Präsentation von mittelalterlich-sakraler Kunst empfinde.

Auf Ungewöhnliches trifft man dann noch im ersten Geschoss des alten Bauteils der Staatsgalerie. Ein ganzer Raum zeigt die Gemälde des Perseus-Zyklus von Edward Burne-Jones. Der war ein Vertreter der Präraffaeliten, von denen es in Deutschland nicht viele Werke zu sehen gibt. Kennzeichnend für die Präraffaeliten ist eine mittelalterliche Mal- bzw. Darstellungsweise. Und so bildet Burne-Jones in den 1880er Jahren Szenen aus dem antiken Perseus-Mythos in einer dekorativ-künstlichen und bedrohlich-dunkel-kalten Art und Weise ab. Aber es geht auch heimelig; und wer hätte es gedacht, dass das in den Räumen der klassischen Moderne der Fall ist, die ja ständig die Konventionen von Neuem umgeworfen haben. Aber vielleicht hat man sich heute an Kandinsky, Picasso und Co. so gewöhnt, dass deren Formbrüche nur noch über dem Kaminfeuer hängend vorstellbar sind…. Jedenfalls macht es der Teppichboden, dass ich mich behaglich aufgehoben fühle, und die geringe Zahl an anderen Besuchern, denen ich begegne. So ist es still. Das Ticken der Luftfeuchtemesser wird vom Teppichboden leicht absorbiert, sodass ich das Zirpen von Grillen tagträume. In vollem Bewusstsein verrinnt die Zeit und hilft beim Sichversenken in den Moment. Was meine ich damit? Man stelle sich selbst in einem sonst menschenleeren Raum vor. Der Körper ruht in der perfekten Polsterung eines Sessels, dessen kühles Leder die geistige Aufmerksamkeit aufrecht erhält, und vor einem hängen sechs Bilder von Paul Klee. Obwohl alle kleinformatig sind – die Kantenlängen sind unter einem Meter – wächst der Blick auf das Märchenhaft-Fremde-Rätselnde der Gemälde ins Unendliche und geht nie aus.

 

Picasso ist auch vertreten – und zwar umfassend. D. h. die verschiedenen Werkphasen geben einen Eindruck, wie vielseitg-prägend Picasso war – aus meiner Sicht ein wertvolles Beispiel dafür, dass der äußerste, unbedingte Ausdruck eines Menschen sich im Leben durchaus mehrere Male glaubwürdig ändern kann. In einem theaterdunklen Raum tanzen auf einer kreisrunden Bühne noch immer die Kostüme des Oskar Schlemmer das Triadische Ballett. Die in den 1920er Jahren gefertigten Kostüme führen den menschlichen Körper auf geometrische Formen zurück, die Individualität jeder Figur bleibt aber erhalten.

Disclaimer: Alle Aufnahmen sind zu privaten Zwecken gemacht worden; die Staatsgalerie Stuttgart bzw. der/die Künstler_in oder deren Vertreter_in hält weiterhin das Copyright des Abgebildeten.

Museum Ludwig in Köln

Vor 40 Jahren schenkte das Ehepaar Ludwig der Stadt Köln Werke aus ihrer Sammlung, die sich seit 30 Jahren im Museumsbau hinter dem Kölner Dom befinden. Zum Jubiläum wurden nun Kunstwerke, die in besonderer Verbindung mit dem Museum stehen.

Schon an der Außenfassade des Museums hängt ein Plakat der Guerrilla Girls, die ironischerweise die Vorzüge des Mäzenatentums preisen. Die Vorzüge, ein eigenes Kunstmuseum zu besitzen, sind unter anderem, dass man – wie in der eigenen Firma – der Chef ist, dass Kunstproduzenten und -vermittler einem in den Hintern kriechen und dass man mit Schenkungen steuern sparen kann.

Im Innern überwindet der Besucher dann gleich zu Beginn Ahmet Ögüts Installation Bakunin’s Barricade – indem er hinter den beiden umgekippten Autos in die Sammlungsräume geht. Michail Bakunin hatte während den revolutionären Vorgängen 1849 in Dresden die Idee, Bilder aus der Staatlichen Gemäldesammlung auf die Straßenbarrikaden zu hängen, um die anrückenden Soldaten zu stoppen. In Anlehnung dazu legte Ögüts fest, dass der Käufer seines Kunstwerk im Falle eines Konflikts zur Verfügung stellen soll.

Hans Haackes Arbeit Der Pralinenmeister dokumentiert kritisch das Entstehen des Museums Ludwig: Peter Ludwig war Kunsthistoriker und mit der Erbin eines Schokoladenfabrikanten verheiratet. Auf welche Weise das Sammlerehepaar sich Einfluss auf die Sammlung auch nach der Schenkung an die Stadt Köln sichert, wird der Besucher zusammen mit den Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten ihres Unternehmens  schriftlich informiert. Die Gesinnung der Spender wird genüsslich verrissen.

Meschac Gabas Arbeit Reflection Room besteht aus einem Zelt, das einen unwillkürlich an eine provisorische Flüchtlingsunterkunft denken lässt. Die Zeltplane stellt die Flaggen aller Staaten der Welt dar. Symbolisch treffen sich also alle Nationen der Welt im Reflection Room. In seinem Innenraum sind tatsächlich auf Tischen Malutensilien für jedermann/-frau verteilt. Pratchaya Phinthong schenkte im Vorfeld der Ausstellung  geflüchteten Menschen in Bangkok hergestellte Jeans, welche diese dann für die Dauer der Austellung an die Mitarbeiter des Museums übergaben. An die Aktion erinnern in der Ausstellung zwei Teller, die von einem Essen des Künstlers mit den geflüchteten Menschen stammen.

Ansonsten kann man sich in der Menge der Sammlunghighlights verlieren. Das Museum ist weltbekannt für Pop-Art. Daher sind mehrere Räume dicht gehängt mit den Erzeugnissen deren Vertreter, wie etwa Jasper Johns Map, die auf Buckminster Fullers Versuch, eine verzerrungsfreie Projektion der Weltkugel zu schaffen, zurückgeht, Edward Kienholz silbrig-klebrige Soldatenhelden ohne Kopf, die im The Portable War Memorial unter der ewigen Wiederholung des Songs „God Bless America“ mit der Flagge in der Hand einen Imbisstisch erobern und den verkohlten Tarzan im Eck nicht wahrnehmen, das Punktraster in Roy Lichtensteins M-Maybe (A Girl’s Picture), das der Emotion des Bildausschnitts aus einem Comic-Strip keinen Abbruch tut, Richards Lindners trivialisierende Fetischobjekte in Disneyland, Tom Wesselmanns plakative Collage eines VW Käfers in Landscape No. 2 und eines Badezimmers mit Wäschekorb, Duschvorhang und Handtuch als reale Objekte in Bathtub 3, und zuletzt James Rosenquists Star Thief, dessen im Weltraum liegende, monumentale Speckstreifen das gesamte Treppenhaus ausfüllen (auch weil es als Wandgemälde des Miami Airport nicht akzeptiert wurde).

Zudem gibt es einige Klassiker zu sehen wie Paul Klees Hauptweg und Nebenweg oder Pablo Picassos Musketier und Amor (hinter welchem der beiden mag sich der Künstler verbergen?). Und auch Arbeiten jüngerer deutscher Künstler sind zu sehen: A. R. Pencks Gemälde Ich in Deutschland (West) zeigt aus der Sicht des Künstlers alles, wird aber aufgrund seiner Ausmaße (6m auf 12m) selten gezeigt. Bei Isa Genzkens Installation Kinder filmen werden destruktive Elemente der Konsumwelt inszeniert. Wolfgang Tillmans bekommt wie immer einen ganzen Raum für seine Fotos in unterschiedlichen Formaten und Martin Kippenbergers Kanarienvögel zerfließt das Zitronengelb im Angesicht des Mündungsrohrs eines Panzers.

 

Wieder mal im Frankfurter Städel

Der Vorhang im Städel hebt sich immer wieder von Neuem. Vor allem geht der Bick heute auf Aspekte bei der Austellung von Skulpturen: Zum einen haben Skulpturen verschiedene Schauseiten und können daher verschiedene Eindrücke beim Betrachter gleichzeitig hervorrufen. Zum anderen leben Skulpturen (viel mehr als Gemälde) vom Licht, das auf die Oberfläche fällt und das je nach Werkstoff den Charakter ihrer Materialität (z. B. Masse/Leichtigkeit) bestimmt.

Neben dem Licht interagieren Skulpturen mit ihrer Umgebung, die mehr oder wenig Raum hergeben kann und teilweise erst durch den freien Himmel begrenzt ist. In Museen ist gerade die Nachbarschaft mit den Gemälden interessant. Der Bezug zwischen Skulptur und Gemälde im Raum kann mit der Kameralinse eingefangen werden. Im Folgenden ein paar Impressionen der Städel-Sammlung aus dem Juli 2016.

Bronze und Marmor begegnen der Leinwand:

Sünde, Unschuld und Verrat:

Und das Städel kann auch mit Neuerwebungen aufwarten: z. B. Franz Radziwills „Das rote Flugzeug“.

Wenn man zur Gegenwartskunst hinunter in den Keller steigt, betritt man den „White Cube“ des Städels. Nach der Theorie von Brian O’Doherty soll die Austellungsarchitektur soweit wie möglich in den Hintergrund treten, damit die ausgestellten Kunstwerke „neutral“ betrachtet werden können.

Der „White Cube“ ist teilweise mit Architekturelementen verbrämt:

Auch in der Gegenwartskunst treffen sich Skulptur und Malerei:

Skulptur und Malerei in Einem:

Zum Schluss noch reine, gegenständliche Malerei

Disclaimer: Alle Aufnahmen sind zu privaten Zwecken gemacht worden; das Städel bzw. der/die Künstler_in oder deren Vertreter_in hält weiterhin das Copyright des Abgebildeten.

Monatsrückblick – Juni 2016

|Gesehen| Florian Henckel von Donnersmarck: Das Leben der Anderen – Marcus H. Rosenmüller: Wer früher stirbt ist länger tot – Gus van Sant: Promised Land – André Schäfer: Deutschboden – Wim Wenders: Bis ans Ende der Welt – Dowton Abbey, Staffel 5 (1-4) – More than Honey (Doku) – die deutschen EM-Spiele bis zum Achtelfinale – Italo Zingarelli: Das Krokodil und sein Nilpferd – Enzo Barboni: Die rechte und die linke Hand des Teufels
|Gelesen| Umberto Eco: Nachschrift zum „Namen der Rose“ – Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz – Kristof Magnusson: Das war ich nicht
|Gehört| Herbie Hancock: Thrust – Cybotron: Cybotron – Jonny Greenwood: Popcorn Superhet Receiver – Claude Debussy: Suite Bergamasque – Erik Satie: Gymnopédies No. 1-3  – Erik Satie: Gnossiennes No. 1-4 – Antonin Dvorak: Romanze für Klavier und Violine op. 11 – Museo Rosenbach: Zarathustra – Franz Schubert: Schwanengesang D 957 – Der Anhalter (Podcast, WDR5) – No land called home (Feature, Deutschlandradiokultur)
|Getan| Joggen im Waldpark – Reichstagskuppel besichtigt – ARD-Hauptstadtstudio besucht
|Gegessen| Spargelsalat mit Sonnenblumenkernen und Petersilie – Brioche – Ricotta-Gnocchi – Ofengemüse mit Salat – Cigköfte in Dürüm – Parmigiana – Halloumi-Burger – Baba ganoush – kiloweise Erdbeeren
|Getrunken| Thè verde von San Benedetto – Preiselbeer-Schorle mit Limette
|Gedacht| Ziemlich viel Regen für Juni. Und dann auch gleich noch am Sommeranfang.
|Gefreut| über reibungsloses Baby-Sitten, das Spielergebnis im Island-England Achtelfinale der EM (2:1), schöne Neuigkeiten
|Gelacht| über die „Wikinger-Witze“ nach dem #brexit und dem folgenden Spielgewinn Islands
|Geärgert| über die Fahrlässigkeit der Briten
|Gekauft| Schuhe
|Gewünscht| mehr gute Nachrichten
|Geklickt| die Digitorials des Städel Museums

 

Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Berlin

Am Pfingstmontag ist es richtig kalt. Keine Spur mehr von der Sonne, die uns an den letzten beiden Tagen (Tag 1, Tag 2) das Wandern verschönert hat. Perfektes Wetter fürs Musem also. Gut, dass wir mit zwei lieben Freunden verabredet sind, um die aktuelle Austellung von Erwin Wurm mit dem Titel „Bei Mutti“ zu sehen, die gerade in der Berlinischen Galerie gezeigt wird.

Auf die Idee zur Austellung bin ich durch eine Folge der akutellen Staffel „Bauerfeind assistiert“ gekommen, in der Katrin Bauerfeind einen Tag lang die Assistentin von Erwirn Wurm ist und ihn eben beim Aufbau der Ausstellung in der Berlinischen Galerie unterstützt: Hier geht’s zur 3sat-Mediathek mit dem Video.

Um 10.00 Uhr sind wir pünktlich zur Öffnung die ersten, die das Gebäude betreten und fast die ersten in der Ausstellung. Die Ausstellung beginnt mit dem Narrow House, einem detailgetreuen Nachbau des Elternhauses von Erwin Wurm, das zwar auf eine Breite von 1,10m gestaucht aber begehbar ist.

Die One Minute Sculptures in der großen Ausstellungshalle mit den Treppen liegen noch unberührt da. So leer wie auf dem Schnappschuß, wird es den ganzen Vormittag, den wir dort verbringen, nicht mehr werden.

Bei diesen Objekten mit Tennisbällen, Büchern, Hundehütte oder Pullover kann jeder mitmachen und auf kleinen Podesten zum kurzzeitigen Kunstobjekt erstarren. Sie wirken offenbar magisch anziehend auf Austellungsbesucher mit Kindern. Jedenfalls wuselt es nur eine halbe Stunde später durch die Ausstellungshalle, wie wir es bisher in keinem anderen Kunstmuseum erlebt haben. Kunst zum Anfassen, im buchstäblichen Sinn.

Da sind wir aber schon weiter gegangen und im linken hinteren Raum angekommen, der die aktuellen Arbeiten aus Bronze und Polyesterharz zeigt. Besonders der Kühlschrank mit dem Titel „Butter“ hat es uns angetan und wir müssen uns zusammenreißen, dass wir hier nicht – wie noch im Raum zuvor – alles anfassen. So haptisch einladend und butterähnlich wirkt die Oberfläche.

Danach gehen wir noch kurz in den ersten Stock und schauen uns die ausgestellten Werke der Sammlung der Berlinischen an, bevor wir Hunger bekommen und den Besuch bei einem gemeinsamen Mittagessen in Kreuzberg ausklingen lassen.

 

 

Die Malerfürsten Münchens

Wir waren zu Besuch bei Münchens Malerfürsten: Franz von Lenbach (1836-1904) und Franz von Stuck (1863-1928). Was macht die beiden zu Malerfürsten? Nun, sie waren Zentrum des gesellschaftlichen und künstlerischen Lebens in München und wurden letztlich beide in den Ritterstand erhoben. Vor allem Lenbach kam dabei das beginnende Kunstinteresse der bayerischen Regenten sowie des Adels und der Bürger zugute. Stuck war Professor an der Akademie der Bildenden Künste und war dort Lehrer von Wassily Kandinsky und Paul Klee. Beide Malerfürsten haben sich prächtige Wohnsitze gebaut, die heute als Museen besichtigt werden können: der eine am westlichen Ende der Münchner Innenstadt im Renaissancestil, der andere am östlichen Ende ein Gesamtkunstwerk im Jugendstil.

Im Geburtsjahr Stucks macht sich Lenbach zu seiner zweiten Italienreise auf. Er wird dort Kopien der Klassiker der Gemäldekunst für Adolph Friedrich von Schack anfertigen. Zuvor hatte er schon eine Professur an der Großherzöglichen Kunstschule in Weimar angenommen. Sein Malstil ist noch von impressionistischen Elementen geprägt und an seinem Porträtstil, der im später Aufträge Bismarcks, des deutschen und österreichischen Kaisers und des Papstes einbringen wird, arbeitet er noch. Als Lenbach stirbt, ist Stuck schon wieder seinen Ruf als Kunstrebell los. In Opposition zu Lenbach war er 1892 Gründungsmitglied der Müncher Secession gewesen. Der Erneuerungsgedanke in der Kunst lebt aber in seinen Schülern Kandinsky und Klee fort, die 1909 die Neue Künstlervereinigung München (N.K.V.M.) und 1913 die Münchner Neue Secession gründen.

Wenn man das Lenbachhaus betritt, fällt der Blick sofort auf das von hoch oben herabhängende Wirbelwerk von Olafur Eliasson. Die Kunstwerke werden im Lenbachhaus in Räumen mit geschmackvollen Wandbezügen sehr gekonnt in Szene gesetzt. Ein spannender Kontrast zur Sammlungspräsentation bieten die noch erhaltenen Atelierräume von Franz von Lenbach. Heute kaum mehr vorzustellen wie der Maler in diesen von Holz und Tapeten dunklen Räumen leben und vor allem arbeiten konnte.

Die Sammlung im Lenbachhaus ist für die Gemälde der Künstler um den Almanach Der Blaue Reiter berühmt, die ihren künstlerischen Durchbruch in München vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatten. Wassily Kandinsky und Franz Marc sind die Initiatoren. Paul Klee ist auch beteiligt. Mit Kandinsky verbindet ihn die Musik. Klee folgt Kandinsky aber nicht in seiner auf der Musik basierenden malerischen Utopie. Beide schätzen sich aber auch noch in den 20er Jahren als Kollegen am Bauhaus. Klee und Marc experimentieren in den beiden Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs im regen Austauch mit Formen und Farben und decken das Mystische in Natur und Kosmos auf. Mit August Macke unternimmt Klee eine Reise nach Tunis, die Inspiration zu lichtdurchfluteten Bildern ist. Weniger später stirbt Macke als einer der ersten auf dem Schlachtfeld. Auch Marc geht überzeugt in den Krieg, Klee bleibt als Pazifist in München. Als Klee 1916 eingezogen wird, ist Marc bereits eine Woche Tod.

Im Lenbachhaus hängt auch ein Bild von Franz von Stuck. Seine Salome ist Erotik, Exotik und Schrecken zugleich, aber auch ein Beispiel für die Salome-Manie der Zeit (Oscar Wildes Stück von 1891 und Richard Strauss Oper von 1905). Weiterhin habe uns die Werke der Nachkriegsmaler gefallen, wie Rupprecht Geigers Ode an die Farben, besonders an das Rot, Asger Jorns maximal expressive Art Harmonie darzustellen, Isa Genzkens Selbstporträt mit Weinglas (X-Rays), das uns im wahrsten Sinne das Innere der Künstlerin präsentiert, eines der STRIP-Gemälde von Gerhard Richter, die computergesteuert hergestellt wurden und Hans-Peter Feldmanns Laden 1975-2015, der den von ihm in Düsseldorf betriebenen Laden für Geschenkartikel und Antiquitäten in natura darstellt. Natürlich dürfen beim Thema Malerfürsten auch die Installationen des selbstsicheren Beuys nicht fehlen (vor dem Aufbruch aus Lager I und zeige deine Wunde).

Franz von Stucks Villa befindet sich in Bogenhausen und besteht aus zwei Gebäudeteilen, dem Wohnhaus und dem Atelier. Innen können die Wohnräume im Erdgeschoss in originaler Austattung besichtigt werden. Die Räume stehen, was die Dunkelheit angeht, denen in der Lenbachvilla in nichts nach. Dies liegt im Musiksalon daran, dass der Vorhang vor dem großen Fenster zugezogen ist. Wahrscheinlich ist das aus konservatorischen Gründen der Fall, da dieser Raum komplett mit Wandmalereien überzogen ist, die an die Ausstattung der Häuser in Pompeji erinnert. An der Decke funkeln die Sterne, an den Seiten stehen sich Orpheus und Pan gegenüber. Hat Stuck im Empfangssalon Klee bescheinigt, dass er sich noch nicht zum Berufskünstler einigt, worauf dieser zum Selbststudium wieder zurück nach Bern ging?

Im gewaltigen Kontrast zur Herrlichkeit der Stuck-Villa steht die Austellung über den österreichischen Künstler Hermann Nitsch. Seine Spezialität sind Schüttbilder, bei denen er Tierblut als Farbe benutzt. Berühmt wurde er als Vertreter der Gruppe des Wiener Aktionismus, die in den 60er Jahren mit ihren Aktionen staatlichen und kirchlichen Autoritäten entgegen traten.  Bei den Aktionen floss viel Tierblut über nackte menschliche Haut. Dargestellt wurden Kreuzigungen, die unbefleckte Empfängnis oder die Ausweidung und Zerreißung eines Lammes. Manchem Tierschützer oder gläubigen Menschen ging das zu weit, weshalb Gefängnisaufenthalte der Künstler keine Seltenheit waren.

Gesehene Werke von Paul Klee im Lenbachhaus: Botanisches Theater, Kakteen, Zerstörter Ort, Stadt R, Früchte in Rot, Rhythmisches strenger und freier, Der wilde Mann

Haus der Kunst, München

Unsere erste Ausstellung in München führt uns ins Haus der Kunst (HDK) am südlichen Ende des Englischen Gartens. Dort wird noch den ganzen Sommer 2016 die Ausstellung „Eine Geschichte: Zeitgenössische Kunst aus dem Centre Pompidou“ gezeigt.

Der Bau wurde unter den Nationalsozialisten errichtet (als Haus der Deutschen Kunst) und diente als Schauplatz für die jährliche „Große Deutsche Kunstaustellung“. In der zentralen „Ehrenhalle“ wurden Reden zur deutschen Kulturpolitik gehalten. Kunstwerke an der Schaufassade des Gebäudes stehen heute mahnend für diese Zeiten. Gustav Metzger verweist in Travertin/Judenpech – eine 60 Quadratmeter große Asphaltschicht am Haupteingang  – anhand von Baumaterialen auf die Unterdrückung und Verfolgung von Juden im Dritten Reich. Christian Boltanski zeigt uns in Résistance die Augenpaare der antifaschistischen Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“. Und Mel Bochner dokumtiert mit The Joys of Yiddish am oberen Teil der Fassade den verbalen Trotz im jüdischen Ghetto.

Die Ausstellungsmacher setzen insgesamt sieben Schwerpunkte: der Künstler als Historiker, als Dokumentarist, als Archivar, als Produzent und weiter der Künstler und der Körper, der Künstler und das Objekt sowie schließlich Sonic Boom. Schwerpunktmäßig werden Werke der 1980er bis frühen 2000er Jahre gezeigt. Die Ausstellung wurde von Christine Macel zusammen mit Julienne Lorz kuratiert. Die Begleittexte stammen allesamt aus dem Centre Pompidou. Im Einführungstext heißt es zur Zielstellung der Ausstellung

„[…] untersucht diese Ausstellung nicht nur globale künstlerische Verfahrensweisen im Kontext einer Sammlung und über einen gewissen Zeitraum hinweg, sondern fördert im Grunde die Bedeutung der Gegenwartskunst für unsere Zeit zutage.“

Das klingt für meine Ohren ein wenig zu allgemein. Die Begleittexte – an den Wänden und im Booklet zu finden  –  lassen mich als wenig erfahrenen Besucher ein bisschen ratlos zurück. Bei einer Ausstellung dieses eher kleinen Umfangs – sowohl was die Anzahl der Werke wie auch die abgedeckte Zeitspanne angeht – bei sieben Perspektiven von Schwerpunkten zu sprechen erscheint mir viel. Aber wie ordnet man vernüftig eine solche Sammlung, verschiedenster Künstler aus verschiedenesten Ländern, von denen jeder nur mit einem, maximal zwei, Werken vertreten ist? Immerhin bekommt man einen Eindruck über die Vielfalt der kontemporären Kunst, die nicht nur von westlichen Künstlern geprägt wird.

Die Ausstellung selbst führt durch einen sehr großen Raum, der die zwei raumgreifensten Installationen beherbergt, und 11 kleinere Räume, die sich rund um den zentralen Ausstellungsraum gruppieren. Insgesamt kommen wir mit den drei Stunden Besuchszeit gut hin. Die Werke der Ausstellung, die uns besonders gefallen haben, sind allesamt auf den Fotos.

Das Haus der Kunst verfügt über ein ungewöhnlich schönes Café – sogar eine Bar – bei der die Nutzung des Wortes Museumscafé in die Irre führen würde. Die „Goldene Bar“ ist direkt aus den Ausstellungsräumen im Erdgeschoss zugänglich, aber auch von außerhalb und bietet Sitzgelegenheiten draußen und drinnen – mal eher mit Bar-, mal eher mit Kaffeehausatmosphäre. An diesem sonnigen Himmelfahrtstag verbindet sie die Besucher, die von den Wiesen am Eisbach für Kaffee und Kuchen herüber kommen und die Ausstellungsbesucher.

Und hier noch der Überblick über die beteiligten Künstler:

Raum 1, Der Künstler als Historiker: Annette Messager (Frankreich), Mes Vœux | Glenn Ligon (USA) | Michel Basquiat (USA), Slave Auction | Chéri Samba (Demokratische Republik Kongo),  Marche de soutien à la campagne sur le SIDA | Marlene Dumas (Südafrika) | Hans Haacke (Deutschland), MetroMobiltan

Raum 2: Fabrice Hyber (Frankreich) | Thomas Hirschhorn (Schweiz), Outgrowth | Samuel Fosso (Kamerun), La Femme américaine libérée des années 70 | Erik Bulatov (Russland), Printemps dans une maison de repos des travailleurs | Ayse Erkmen (Türkei) | Sara Rahbar (Iran), Flag | Fang Lijun (China), Untitled | Chen Zhen (China/Frankreich), Round Table | Christian Boltanski (Frankreich), Les archives de C.B. 1965-1988 | Zhang Huan (China), Family Tree | Wilfredo Prieto (Kuba), Avalanche

Raum 3, Der Künstler und der Körper:  Regina José Galindo (Guatemala), Perra | Georges Tony Stoll (Frankreich), Le tunnel (Moby Dick) | Santiago Sierra (Spanien) | Oleg Kulik (Ukraine), Mad Dog | Dan Perjovschi (Rumänien), Romania und Removing Romania | Sarah Lucas (UK), Nud Cycladic 5 | Nicholas Hlobo (Südafrika), Balindile II | Anne-Maria Schneider (Frankreich)

Raum 4, Der Künstler als Dokumentarist: Niva Pereg (Israel), Sabbath | Goncalo Mabunda (Mozambique), O trono de um mundo sem revoltas | Subodh Gupta (Indien), Sister | Ahmed Mater (Saudi Arabien), From the real to the symbolic city | Zanele Muholi (Südafrika) | Kendell Geers (Südafrika), T.W. (I.N.R.I) | Atul Dodiya (Indien), Charu

Raum 5, Der Künstler als Archivar: Rabih Mroué (Libanon) | Hassan Darsi (Marokko), The Model Project | Taysir Batniji (Palestina) | Akram Zaatari (Libanon) | Walid Raad (Libanon) | Yto Barrada (Frankreich), Untitled

Raum 6, Der Künstler und das Objekt: Fernanda Gomes (Brasilien), Untitled | Gabriel Orozco (Mexiko), La D.S. | Tobias Putrih (Slowenien), Times | Wolfgang Tillmans (Deutschland), Suzanne & Lutz, white dress, army skirt | Damián Ortega (Mexiko),  Molécula de glucosa expandida

Räume 7 und 8, Der Künstler als Produzent: Liam Gillick (UK), Revision/22nd Floor Wall Design | Dominique Gonzalez-Foerster (Frankreich) | Pipilotti Rist (Schweiz) | Carsten Höller (Belgien), Jenny | Pierre Huyghe (Frankreich) | Michel Francois (Belgien), Affiche Cactus | Tobias Rehberger (Deutschland), Die Außenseiterin und der große Bach

Raum 9, Sonic Boom: Rirkrit Tiravanija (Thailand) | Oliver Payne & Nick Relph (UK) | Gregor Hildebrandt (Deutschland) | Andreas Gursky (Deutschland), Madonna I | Destroy all Monsters (USA) | Robert Longo (USA), Men in the Cities

Raum 10, Der Künstler als Historiker: Roman Ondak (Slowakei), Common Trip | Mircea Cantor (Rumänien),  Tasca che punge (Itching pocket) | Paweł Althamer (Polen), Tecza (Rainbow) | Chris Marker (Frankreich), Détour, Ceaucescu | Edi Hila (Albanien)

Raum 11, Der Künstler als Historiker: Danh Vo (Vietnam/Dänemark), The Sea of Fertility

Raum 12, Der Künstler als Historiker: David Maljkovic (Kroatien), Petrit Halilaj (Kosovo), It is the first time dear that you have a human shape (spider) |  Maja Bajevic (Bosnien-Herzegowina), Women at Work — Under Construction | Mladen Stilinovic (Serbien)

 


Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1
80538 München

Tagesticket: 12,- Euro

Museum der Bildenden Künste Leipzig

Dass Dresden die Stadt der Fürsten ist und Leipzig die Stadt der Bürger, kann man anhand ihren jeweiligen Kunststandorte erkennen. In Dresden sticht unter anderem die Gemäldegalerie Alte Meister, die im unter König Friedrich August II. errichteten Semperflügel des Zwingers untergebracht ist, heraus.

In Leipzig haben wir nun zum einen die Galerie eigen+art erkundet, die in einer Halle der ehemaligen Baumwollspinnerei unterbracht ist. Die Galerie vertritt unter anderem Neo Rauch, dessen Werke bei unserem Besuch aber nicht zum Verkauf ausgestellt waren. Dafür haben wir uns etwas über die Preissetzung bei Werken von jungen Künstlern informiert. Im Grunde legen die Galerien einen Faktor für jeden Künstler fest. Der Preis variiert dann noch je nach Bildgröße. Somit zahlt man nach diesem simplen Prinzip mehr, je größer das Bild innerhalb der Werkgruppe des Künstlers ist. Zudem haben wir erfahren, dass man auch Videokunst kaufen kann – und dass diese auch gekauft wird. Mit vierstelligen Beträgen ist man in der Galerie eigen+art dabei. Bei Zahlung wird ein USB-Stick übergeben mit der Versicherung, dass insgesamt nur eine kleine Anzahl weiterer Kopien zum Verkauf angeboten werden.

Unsere zweite Station war das Museum der Bildenden Künste im Zentrum von Leipzig. Die Institution wurde 1848 eröffnet (im Frühjahr des nächsten Jahres beteiligt sich der Königlich-Sächsische Kapellmeister Richard Wagner im benachbarten Dresden am Maiaufstand und muss deshalb aus der Stadt flüchten). Die Sammlung fußt auf Stiftungen der Bürger, ähnlich wie in Frankfurt die Sammlung des Städels.

https://www.youtube.com/watch?v=zw6YldNuKWM

Uns hat sowohl die Architektur des Gebäudes als auch die Sammlung und deren Präsentation sehr gefallen. Die äußeren Wände des Gebäudes sind aus halbtransparentem Glas gefertigt, das jederzeit einen Blick über die umgebenden Straßen der Stadt zulässt. Der Eindruck von Weite und Transparenz im Gebäude wird von den sehr hohen Raumhöhen und den immer wieder durchbrochenen Betonwänden ergänzt, was Blicke über mehrere Etagen erlaubt. Die riesigen zur Stadt hin offenen Räume werden genutzt, um raumgreifende Installationen in Szene zu setzen. Beeindruckend ist der Eingang durch die Cafeteria, an deren Decke in 17 Meter Höhe ein riesiges Deckengemälde von Ben Willikens zu entdecken ist, das mit Hilfe eines postmodernen Trompe l’oeils die Öffnung in den Himmel suggeriert.

Die Sammlung geht quer durch die Jahrhunderte. Die chronologische Präsentation wird in den einzelnen Räumen immer wieder durch ein zeitgenössisches Werk unterbrochen bzw. ergänzt, um Bezüge über die Jahrhunderte hinweg zu verdeutlichen. Altes wird dadurch immer wieder in Kontrast zu Neuem gesetzt. Am frappierendsten ist der Effekt bei einem Gemälde von Werner Tübke, das so altmeisterlich gemalt wurde, dass man es nicht sofort als das zeitgenössische Werk im Raum unter den Werken des Barocks erkennt.

Gespannt waren wir auch auf die Präsentation der Vertreter der Leipziger Schule und der Neuen Leipziger Schule, größenteils Absolventen der heutigen Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Wir verfolgten ja schon in der Baumwollspinnerei vergeblich die Spuren von Neo Rauch. Hier haben wir nun zwei seiner Werke sehen können: Das Schilfkind und Unter Feuer. Die zwar figürliche aber rätselhafte Bildsprache sorgt dafür, dass man auch vor zwei Werken von Neo Rauch eine ganze Weile stehen bleiben kann. Andere Highlights der Leipziger Schule waren Bilder von Wolfgang Mattheuer (Hinter den sieben Bergen), Bernhard Heisig und Werner Tübke (Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze).

Zuletzt sind wir noch durch die Austellung von Anselm Kiefer Die Welt – ein Buch geschlendert.

Auf dem Nachhauseweg sind wir noch etwas auf der Leipziger Notenspur gewandelt. Der Weg führt entlang von Stationen, die mit der Geschichte Leipzigs als Musikstadt zusammenhängen. Wir sind beispielsweise am Grafischen Viertel vorbeigekommen, wo sich die ersten Musikverlage der Welt befanden.

 

Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden

Letztens haben wir uns mal den frisch restaurierten Teil der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden angeschaut. Die Gemäldegalerie ist in einem Flügel des Zwingers untergebracht, der von Gottfried Semper gestaltet wurde. Zur Einstimmung hatten wir deshalb zuvor im Restaurant des Dresdner Schauspielhauses, was einen großartigen Blick auf den Zwinger bietet, gegessen.

Vorne weg: Die Sammlung ist auf jeden Fall in der weltweiten Spitzenklasse angesiedelt (u. a. ablesbar an den mit großen Oh und Ah durch die Räume rauschenden Besuchergruppen aus Japan), allerdings hat uns die Präsentation nicht all zu sehr inspiriert. Die Hängung war zwar nach Zeit und Sujets gruppiert, es waren jedoch keine thematische Erläuterungen für die einzelnen Räume oder Bilder angebracht. Trotzdem hatten wir einigen Spaß die international bekannten Knaller der Sammlung zu entdecken oder Bilder aus Gs Jugenderinnerung.

Entstanden ist die Gemäldesammlung unter August dem Starken (1670-1733) und seinem Sohn Friedrich August II. vor allem durch den Kauf von Werken aus der Sammlung Francesco III., Herzog von Modena. Dies erklärt auch den Schwerpunkt der Dresdner Gemäldesammlung auf italienische Werke der Renaissance, des Manierismus und des Barocks.

Die folgenden Gemälde haben uns am besten gefallen. Wir haben keine Fotos gemacht, die hochauflösenden Bilder kann man wunderbar ergoogeln.

Der Marienaltar von Jan van Eyck (1437): Im mittleren Teil zeigt der Altar im weiten, roten Gewand die thronende Maria, die Jesus dem Erzengel Michael (mit bunten Flügeln) und dem Stifter präsentiert. Maria ist zwischen zwei Säulenreihen dargestellt, was die räumliche Plastizität der Szene verstärkt. Van Eyck ist für die Darstellung von Materialien berühmt. Hier sind es vor allem die Stoffe des Baldachins und der Teppiche sowie das Bodenmosaik, die trotz der geringen Größe des Mittelbildes (33,1 × 27,5 cm) detaillierte Muster zeigen. Altäre sind für die persönliche oder öffentliche Andacht angefertigt worden. Die Innenseiten wurden nur zu bestimmten Anlässen gezeigt. Die im zusammengeklappten Zustand zu sehende Außenseite des Altars zeigt die Verkündungsszene in Grisailletechnik (leider steht der Altar in Dresden nicht frei, so dass die Außenseite praktisch nicht zu sehen ist). Grisaille verwendet nur Weiß, Schwarz und Grau als Farben, wodurch van Eyck die Illusion (Tromp l’oeil) von Skulpturen erschafft. Im geschlossenen Zustand scheint der Altar also Teil der Wand geworden zu sein.

Raffaels Sixtinische Madonna (1512) ist der internationale Hit der Sammlung. Jeder kennt wohl die beiden Putten am unteren Bildrand, die schon seit dem 19. Jahrhundert separat vermarktet werden. Das Gemälde ist sehr prominent gehängt. An der Wand, die das Ende einer Gangflucht von mehreren Räume bildet, kann man es schon von Weitem immer wieder sehen. Die Darstellung Marias ist allerdings beeindruckend. Ihre nackten Füße berühren eine Wolke. Sie befindet sich also im Himmel (man kann bei genauem Hinschauen die himmlischen Heerscharen erkennen). Man kann sie durchaus als schön empfinden. Aber vor allem strahlt sie eine unvergleichliche Ruhe aus sowie eine Balance zwischen Standhaftigkeit (fest im Glauben) und Leichtigkeit (Milde des Glaubens). Insgesamt wirkt sie äußerst souverän. Unterstützt wird das sicherlich durch die Inszenierung: Raffael will uns zu verstehen geben, dass wir auf die Madonna blicken, nachdem gerade der schwere, grüne Vorhang weggezogen wurde. Das Gemälde ist übrigens im Auftrag des Papstes zur Feier des Sieges über die Franzosen entstanden. August III. hat es erwerben können, da die Besitzer eine Finanzierung für die Sanierung ihres Klosters benötigten. Neben den Putten sind noch zwei flankierende Personen dargestellt, die interessanterweise alle auf unterschiedliche Weise im (Blick-)Kontakt miteinander stehen und den Betrachter mit einbeziehen.

Giorgiones/Tizians Schlummernde Venus (1510) hat selbst heute noch eine stark erotische Wirkung. Ein nackte Frau liegt schlafend über die gesamte Bilddiagonale hinweg gestreckt, während die Hand auf ihrer Scham ruht. Sicherlich hilft es zur Kühlung des Gemüts (der Renaissance-Menschen), dass uns gesagt wird, eine Göttin – nicht irgendeine Frau – ruhe hier. Und es ist nicht irgendeine Göttin, sondern Venus, die Göttin der Schönheit. Gezeigtes und Benanntes sind also konform. Und trotzdem: so nackt in der (arkadischen) Landschaft, im recht realistisch gemalten Gras zu liegen. Ist das Leichtsinn oder göttliche Erhabenheit? Oder schläft sie gar nicht und lauert sogar? Und der Maler Giorgione hat wahrscheinlich seine Liebe zu einer Frau unsterblich machen wollen, in dem er ihr Portrait festhält – mit Baumstumpf als Symbol für das Leben und den Tod.

Correggios Heilige Nacht (1522/1530): Es ist Nacht und wir bestaunen das gerade im Stall geborene Jesuskind in den Armen seiner Mutter. Die Szenerie ist illuminiert mit hellem Licht, das Jesus bescheint. Oder geht das Licht doch von Jesus selbst aus und erhellt Marias Gesicht? Der Heiland als Sendbote, von dem alles Gute ausgehen wird wie Lichtstrahlen, welche auch die finsterste Nacht durchdringen. Jedenfalls können alle Beteiligten die Szenerie gut sehen: die Hirten, Magd, Joseph, die Tiere des Stalls und auch die Engel im Himmel, die sich von links oben ins Bild schieben. Aber wo sind die heiligen drei Könige aus dem Morgenland? Der Aufbau des Bildes ist jedenfalls auf Dramatik aus. In Dresden hängt das Gemälde weithin sichtbar am Ende einer Flucht von Räumen.

Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster von Jan Vermeer (1657): Dessen Bilder erzählen immer eine Geschichte, deren Anfang und Ende von unserer Phantasie ergänzt werden muss. Der Titel beschreibt den dargestellten Moment. Und doch ist da mehr. Vordergründig ist eine Obstschale dargestellt, deren Inhalt sich teilweise auf den Tisch verteilt hat. Der Brief traf wohl überraschend ein. Jeder fragt sich, was in ihm steht und von wem er kommt. Oder ist das nicht wichtig und Vermeer wollte uns nur den ach zu alltäglichen Moment des Erhalts von Neuigkeiten darstellen? Immerhin fühlen wir uns der Szene sehr nah. Wir können den Stoff der Bettdecke fühlen und nehmen die Spiegelung im Fenster als Anwesende wahr. Und doch: wir wissen nicht, was sich hinter dem nicht ganz vorgezogenen Vorhang verbirgt. Und wir wissen nicht, was die Lesende sieht, wenn sie aus dem Fenster blickt – außer Hoffnung?

Rembrandt von Rijn, Selbstbildnis mit Saskia  (1635/38) oder Rembrandt und Saskia im Gleichnis vom verlorenen Sohn: Zum einen zeigt uns Rembrandt die Beziehung zu seiner Frau Saskia. Uns zugewandt können wir sehen, dass beide glücklich sind. Es liegt sogar etwas Frivolität in der Luft, da Rembrandt den Rock von Saskia vor unseren Augen hebt. Rembrandt erhebt sein Glas, um uns zuzuprosten. Die Stimmung kippt, wenn wir in den Hintergrund blicken. Dort sehen wir eine Fasanenpastete. Der Fasan ist ein Symbol für Schönheit aber auch für Stolz und Eitelkeit. Und so zeigt sich uns Rembrandt zum anderen als der verlorene Sohn der biblischen Erzählung. Der wird als Zweitgeborener vom Vater ausgezahlt und zieht in die Ferne. Dort gibt er all sein Geld aus. In diesem Moment befindet sich Rembrandt. Doch der verlorene Sohn kehrt zu seinem Vater zurück und wird glücklich wieder aufgenommen.

Jan Davidszoon De Heems Früchte neben einem Blumenglas (1670/72) sind ein typisches Beispiel für die Stillleben der niederländischen Malerei. Ganz in der Tradition van Eycks ist die materielle Beschaffenheit des Dargestellten äußerst genau wiedergegeben: Beispielsweise spiegelt sich im Blumenglas ein Fenster, und beschreibt somit gleichzeitig Spiegelung und Durchsichtigkeit als Charakteristika von Glas. Die Farbigkeit der Blumen wird verstärkt durch den Kontrast des fast völlig schwarzen Hintergrunds. Als zusätzlichen Effekt kann man alle Tiere suchen, die sich im Bouquet verstecken – ein klassisches Wimmelbild.

La belle chocolatière de Vienne (1743/45), bekannt als das Schokoladenmädchen, von Jean-Étienne Liotard ist offensichtlicherweise in Wien, in Pastelltechnik, entstanden. Vergleichbar mit Raffaels Putten ist das Bild zu einer wirtschaftlich genutzten Berühmtheit geworden. Nachdem ein amerikanischer Geschäftsmann auf der Durchreise das Bild zum Markenzeichen seines Kakaoprodukts gemacht hatte, sind ihm einige andere gefolgt, indem sie ähnliche Darstellungen von Mädchen mit einem Kakao auf einem Tablett für ihre Produkte nutzten.

Zum Schluß noch mal ein Kunsthit, mit dem Dresden verbunden wird. Es sind die Veduten von Bernardo Bellotto (aka Canaletto). Bellotto stammt aus Venedig (man sagt, dass das besondere Licht der Stadt, den Farbstil der Maler beeinflusst) und darf nicht mit seinem Onkel G. A. Canal verwechselt werden, der ebenfalls Canaletto genannt wird und Veduten von Venedig anfertigte. Bellotto stieg also in die Fußstapfen seines Onkels und lieferte für mehrere europäische Höfe, darunter Dresden, Wien, München und Warschau, Stadtansichten. Bellotto war Hofmaler in Dresden und konnte sich anhand der dort vorhandenen Gemäldesammlung weiterbilden. In Dresden wird anhand der Veduten besonders deutlich, was konservatorische Arbeit in Museen bedeuten kann. Die Gemälde sind fast vollständig ihrer Farbigkeit beraubt, da sie in einer Galerie unter starker Sonneneinstrahlung stehen. Die Zeiten überdauern wird aber sicherlich der „Canaletto-Blick“: Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke… .