Monatsrückblick – Mai 2017

Endlich wurde es warm. Die kurzen Nächte animieren zum frühen Aufstehen. Es wurde jede Menge Kuchen gebacken. Die Zimmerpflanzen sind auf den Balkon umgezogen. Die Orchideen blühen um die Wette. Und wir sind endlich mal zu zweit Wandern gegangen. Für Anfänger. In den Hunsrück. Oben im Bild, die Zutaten für eine Pizzasauce. Freitags ist Pizzatag.

|Gesehen| Alice Rohrwacher: Land der Wunder – Krzysztof Kieslowski: Dekalog, Fünf –  Bob Fosse: All that Jazz – Krzysztof Kieslowski: Die zwei Leben der Veronika – Xavier Dolan: Mommy – Felix van Groeningen: Broken Circle – Benoit Jacquot: 3 Herzen
|Gelesen| Graham Greene: Der stille Amerikaner – Arne Karsten: Geschichte Venedigs – Fernand Braudel: Venedig – T. C. Boyle: Tortilla Curtain – Thomas Kaufmann: Martin Luther – Thomas Mann: Der Tod in Venedig
|Gehört| ab halb fünf morgens die Vögel, das Rauschen der Bäume beim Wandern,
|Getan| die Räder sommerfit gemacht, einmal von Nord nach Süd durch Berlin spaziert, das erste Eis der Saison auf dem Heimweg auf dem Rad, eine DreiTagesWanderung auf dem Saar-Hunsrück-Steig über Himmelfahrt
|Gegessen| Arme Ritter, Gnocchi mit Mangold und roten Zwiebeln, Pizza vom Pizzastein, Gemüselasagne, Eis von Jones Icecream, Orangenkuchen, Rharbarbertarte mit Frangipane, Rharbarber-Himbeer-Streusel-Kuchen, Zimtschnecken, Ofengemüse
|Getrunken| Bitter von Brauart (Sausenheim) – Pale Ale, Mosaic Edition von Jungbusch Ale  – American Pale Ale, Citra Ale von Hopfenstopfer – Trappistes Rochefort 6 – Doldenbock, Riedenburger Brauhaus – The Brale, Brown Ale, Braufactum – Yirgacheffe, Äthiopien – Zitronenlimonade – Wasser mit Granatapfelsirup
|Gedacht| wurde Zeit, dass es warm und sonnig wird, lange Tage und kürzere Nächte fallen dann gar nicht mal so ins Gewicht, die Energie reicht trotzdem für alles
|Gefreut| über Zuwachs bei den Auswanderern, dass das Knie hält und Wandern über drei Tage klappt
|Geärgert| über einen vergessenen Geburtstag
|Gekauft| Jeans, Sommerkosmetik von The Ordinary und Dermasence, Wanderrucksack für M
|Geklickt| Wanderwege und Pensionen im Hunsrück, Online-Shopping-Seiten
|Hätt‘ ich Zeit und Geld, würd‘ ich…| einen Raum ganz mit Moos auskleiden.

Saar-Hunsrück-Steig Tag 3: Von Morbach nach Kirschweiler

Heute morgen fällt das Aufstehen deutlich schwerer, weil wir wissen, dass wir gute fünf Kilometer und einige Höhenmeter erstmal hinter uns bringen müssen, bevor wir überhaupt zurück auf dem Steig sind. Die ersten vier Kilometer legen wir noch vor dem Frühstück zurück, bis wir in Morbach die Bäckerei Gätz erreichen. Dort frühstücken wir kurz und beginnen dann den Aufstieg zurück zum Steig.

Es geht wiederum durchs Bruch (den Schlenker hätten wir uns also gestern sparen können) und anschließen erstmal zwei Kilometer nur bergauf. Wir steigen langsam und schweigend, es ist längst klar, dass das heute die letzte Etappe werden wird und wir morgen nicht mehr laufen werden. Die Etappe gestern war sehr lang, heute sind wieder 30 Grad und pralle Sonne. Ms Ermüdung in Beinen und Rücken geht nicht mehr wirklich über Nacht oder bei den ersten Schritten weg.

Ein kleiner Aussichtspunkt mit Bank bietet einen kurzen letzten Blick auf Morbach, bevor wir Kurs in Richtung Langweiler und Sensweiler nehmen. Vorbei geht es an einem Waldstück, das bodendeckend mit Moos besiedelt ist. M kann nicht widerstehen und legt sich auf die grünen Matten, zum Glück hat es die letzten Tage nicht geregnet und sie sind trocken und weich.

Wir treten ziemlich bald aus dem Wald heraus und die Etappe führt über Feldwege und Wiesen bis es beim Geopark in Sensweiler wieder in den Wald geht. Wir kommen an einem Weiher und einer Fledermaushöhle vorbei. Dem Bachlauf folgen wir und planen, entweder am Campingplatz in Sensweiler einzukehren oder zumindest vorm nächsten Aufstieg noch unsere Notration an Brot und Wurst zu essen.

Schnell ist klar, dass es die im Wanderführer vermerkte Gastronomie am Campingplatz nicht mehr gibt. Der Besitzer des Campingplatzes erklärt uns, dass er mometan keinen Pächter für die Gastronomie hat, gibt uns aber einen Tipp – die Gartenwirtschaft in Katzenloch – und nimmt uns direkt dahin mit. Doch leider haben wir kein Glück, die Wirtschaft öffnet erst um 17.00 Uhr (trotz Samstag) und momentan ist es erst zwei. Wir fahren zurück zum Campingplatz und picknicken dort. Hier können wir auch unser Wasser wieder auffüllen, das wegen der Wärme, schon wieder leer ist.

Der letzte Anstieg des Tages führt uns zum Blockmeer auf dem Silberich. Wir laufen langsam und kommen Meter umd Meter zäher voran. Nach etwas mehr als einer Stunde ist der Aussichtspunkt erreicht und wir beginnen den Abstieg nach Kirschweiler. Kurz vor dem Ort verlassen wir den ausgeschilderten Steig und gehen zum Dorf hinunter. Zum Glück hatte uns der Besitzer des Campingplatzes schon den Golfclub als Tipp für’s Abendessen genannt. Da wären wir von selbst nie drauf gekommen und der Ort ist so klein, dass es nicht wirklich Alternativen gibt.

Nach einer kurzen Pause im Schatten auf der Terrasse unserer Pension steigen wir den Hang, an dem das Dorf liegt, also nochmal hoch und laufen die zwei Kilometer zum Abendessen. Trotz einer Gesellschaft haben wir Glück – der Wirt nimmt externe Gäste und wir bekommen einen Tisch auf der Terrasse. Wir kommen uns schon ein bisschen deplaziert vor – Wanderurlaub im Golfclub. Aber das Essen ist ordentlich, so dass wir mit der Dekadenz schnell versöhnt sind. M entscheidet sich für Spargel mit Kalbsschnitzel, ich habe Pasta mit Garnelen und Erdbeeren zum Nachtisch.

Wir beschließen den Abend mit dem DFB-Pokalfinale und einem alten James Bond: Moonraker – Streng geheim.


Infos zu Etappe 3:

Start: Morbach-Bischofsdhron
Ziel: Kirschweiler
Wanderstart: 08.00 Uhr
Wanderankunft: 17:00 Uhr
Gehzeit: 5h
Steckenlänge: 18km, 450hm Aufstieg
Übernachtung: Pension Jutta Dech, Kirschweiler, 50,- Euro (inkl. Frühstück)
Abendessen: 60,- Euro (Hauptgang, Dessert, Getränke), Edelstein-Golfclub Kirschweiler

Saar-Hunsrück-Steig, Tag 2: Von Börfink nach Morbach

Nachdem M gestern schon unkte, dass er heute auf keinen Fall laufen könne, ereilt auch ihn die Verblüffung über die Regenerationsarbeit des menschlichen Körpers. Es geht nämlich dann irgendwie doch wieder, das Laufen an Tag 2, ein bisschen zaghaft aber ohne Schmerzen.

Wir haben eine sehr lange Etappe vor uns – doppelt so lang wie gestern – und frühstücken daher zeitig. Um kurz nach halb neun können wir loslaufen. Vorbei an den Anglern, die nicht nur bereits seit ein paar Stunden wieder an den Teichen sitzen, sondern auch schon die ersten Steaks auf dem Grill haben. Es ist noch nicht mal neun.

Zunächst laufen wir noch die zwei verbleibenden Kilometer der gestrigen Etappe und durchqueren Einschiederhof. Der Wanderweg führt dann noch ein kurzes Stück an der Straße entlang, bevor er über einen Steg in den Wald abbiegt. Es geht nicht steil aber stetig bergan. Ziel des Anstiegs ist der Erbeskopf, den wir laut Wegbeschreibung noch vor Mittag erreichen sollten. Das schaffen wir zwar, aber nur, weil wir keine richtige Pause machen. Nur ab und an bleiben wir kurz stehen, um hier und da mal ein Schild zu betrachten oder rasch im Wald zu verschwinden. Auch heute ist es heiß und wir haben bis zum späteren Stopp im Hunsrückhaus die ersten drei Liter Wasser getrunken.

Um halb 11 bekommen wir Hunger, ein Müsliriegel wirkt gegen das aufkommende Magenknurren und überbrückt die Zeit über den Erbeskopf und bis zum Hunsrückhaus, wo wir für das Mittagessen einkehren wollen. Um 11.30 Uhr haben wir es geschafft und genießen – gemeinsam mit einer Gruppe Radfahrern – den Blick aufs Land. Uns gelingt es nicht, den Weg nach unten mit der Sommerrodelbahn abzukürzen. Sie wird erst um 12.00 Uhr anfangen zu fahren und uns ist auch nicht klar, wie der Wanderführer sich die von ihm vorgeschlagene Abfahrt mit dem Schlitten – anstelle des Abstiegs – genau vorstellt. Schließlich muss man doch von unten zunächst nach oben gezogen werden, bevor man den Berg hinuntersausen kann. Ohne Schlitten auch kein Sausen.

Das Hunsrückhaus hat heute – ganz ohne Feiertag und Wochenende – nur Imbiss-Gastronomie und bietet zwei Suppen (Gulaschsuppe, Gemüsesuppe) und Torte an. Getreu dem Motto „immer essen, wenn Gelegenheit besteht“ essen wir. Auch wenn es Suppe gibt, wo wir uns zuvor Schnitzel und Pommes zusammenfantasiert hatten. Aber das Haus ist eher ein Natur-Museum mit Ausstellungen rund um die Landschaft des Hunsrück, nicht das von uns (auch) erwartete Ausflugslokal.

Nach einer knappen Mittagspause geht es also weiter, für den Rest des Tages bergab oder geradeaus. Nun kommen uns stetig Meschen entgegen, die den Berg hinauf rennen oder zumindest schnell steigen. Es sind die Teilnehmer des Saar-Hunsrück-Supertrails, die insgesamt 126km in zwei Tagesetappen quasi rennen (der Schnellste hat das dieses Jahr in zweimal 6h geschafft).

Wir sind – aufgrund des Abstiegs und ein bisschen auch deswegen, weil M es möglichst schnell hinter sich haben will – wieder ein bisschen schneller unterwegs und erreichen um 14.30 Uhr das Hunsrückbahnviadukt an Kilometer 12 der Etappe. Die im Wanderführer vorgeschlagene kleine Abkürzung nehmen wir und legen die erste große Pause des Tages an einem Feldrand ein: Hier können wir uns ins Gras legen, Schuhe ausziehen und ein gutes Stündchen schlafen.

Um 15:15 Uhr und mit gewechselten Schuhen – Jogger statt Wanderstiefel – nehmen wir die finalen 10 Kilometer in Angriff und laufen entlang der Felder über Hoxel, im Wald an Gutenthal vorbei und schließlich über das Moor (Weg durchs Bruch) nach Morbach. Es ist 17.30 Uhr als uns der Kirchturm von Morbach begrüßt.

Zum Abendessen gibt es Schnitzel und Pommes (provinzstyle mit Sprühsahne) im Morbacher Dorfkrug bevor uns ein Taxi die zusätzlichen fünf Kilometer spart und uns nach Bischofsdhron zu unserer Ferienwohnung fährt.

 


Infos zu Etappe 2:

Start: Forellenhof Trauntal, Börfink
Ziel: Morbach, Bischofsdhron
Wanderstart: 08.40 Uhr
Wanderankunft: 17:30 Uhr
Gehzeit: 7h, 30 Minuten
Steckenlänge: 25km, 500hm Aufstieg
Übernachtung: Ferienwohnung Lauterbach, Morbach-Bischofsdhron, 46,- Euro
Abendessen: 26,- Euro (zweimal Schnitzel, Pommes, Getränke), Zum Dorfkrug, Morbach

Beim nächsten Mal würden wir im Landhaus am Kirschbaum übernachten, weil es direkt oberhalb am Ortsanfang von Morbach liegt und preislich auch nicht teurer als der Forellenhof Trauntal kommt. Das Hotel ist fast direkt am Steig und man muss nach der extrem langen Etappe nicht in den Ort hinunter und am nächsten Tag alles wieder hinauf. Zudem haben wir am nächsten Tag kurz mit dem netten Hotelier gesprochen, als wir beim Aufstieg wieder vorbeikamen.

Saar-Hunsrück-Steig, Tag 1: Von Nonnweiler nach Börfink

Über Himmelfahrt waren wir drei Tage wandern. Für mich, endlich mal wieder. Für M das erste Mal. In Vorbereitung auf seinen Wanderurlaub Ende Juli hat er sich mit Schuhen und Rucksack ausgestattet. Die Schuhe wollten eingelaufen, der Rucksack bepackt und die allgemeine Kondition getestet werden.

Wir starten am Himmelfahrtsdonnerstag um 7:36 Uhr am Mannheimer Hauptbahnhof, steigen dreimal um und fallen um kurz vor 10 in Nonnweiler, Hammerberg aus dem Bus. Mit uns steigen noch zwei weitere Wanderpaare aus. Das erste verlieren wir nach ein paar Minuten aus den Augen. Die beiden Mädels begegnen uns an dem Tag noch zweimal, danach sehen wir sie die nächsten drei Tage nicht mehr, obwohl sie auch den Steig laufen.

Ein Hotelwirt sagt später: Das ist hier nicht wie im Allgäu, wo sie alle 50m „Grüß Gott“ sagen müssen. Und er hat recht. Premium auf diesem Wanderweg ist vor allem seine Unpopularität. Wege, schöne Rastplätze und Aussichten haben wir trotz Himmelfahrtswochenende oft für uns alleine.

An der Talsperre in Nonnweiler machen wir das erste Mal Rast. Noch bevor wir richtig losgelaufen sind. Aber das Wetter ist schön, die erwartete Gehzeit kurz und schließlich sind wir ja auch schon ein paar Stunden auf den Beinen. Höhepunkt dieser Etappe ist der keltische Ringwall, der am Ende des Aufstiegs zu Beginn der Etappe liegt. Hier sind auch noch mehr Gruppen unterwegs, was an den Himmelfahrts-Tagesausflüglern liegt, die rund um die Talsperre Nonnweiler und den Ringwall unterwegs sind.

Auf der Etappe liegt keine Einkehrmöglichkeit direkt am Weg. Nach dem Ringwall weist aber ein Schild auf die Köhlerhütte hin, etwas oberhalb von Neuhütten gelegen. Das Wanderheim hat geöffnet, der Grill brennt, so dass wir hier ein Steak vom Schwenker mit Kartoffelsalat und eine Bratwurst bekommen. Wenn mal also einen Ab- und Aufstieg von jeweils etwa 20 Minuten nicht scheut und einen der Öffnungstage erwischt, ist Mittagessen gesichert.

Zurück auf der Höhe geht der Weg am Kamm der Dollberge entlang. Jetzt begegnen uns kaum noch Wanderer und auch die Entfernung zum Etappenziel, dem Forellenhof Trauntal in Börfink, wird rasch weniger. Einen halben Kilometer vor dem Ziel stecken wir noch unsere Füße in den Bach. Trotz (fast) neuer Schuhe halten alle vier Füßchen bisher prima durch.

Beim Einchecken im Forellenhof steckt die Chefin kurz ihren Kopf aus dem Keller, ihre Gummischürze verrät, das hier gerade die Forellen für’s Abendessen geschlachtet werden. An den vielen Teichen rund ums Haus stehen immer noch die Angler, die Terrasse ist voll. Forellen gehen offenbar zu jeder Tageszeit, selbst um kurz nach vier als wir ankommen sind fast alle Tische besetzt und alle beim „Abendessen“.

Wir haben Glück und erhalten statt des reservieren Zimmers die Ferienwohnung. Durch das frühe Aufstehen und den Tag in der Sonne sind wir beide einigermaßen fertig und schlafen schon vor dem Abendessen das erste Mal ein. Zum Abendessen gibt es Forelle für mich, Steak für M. Wirklich gut gemachte Küche, netter Service. Als Übernachtungsmöglichkeit zu empfehlen.

Lang wird der Abend nicht, mir fallen die Augen zu, bevor es dunkel wird.


Infos zu Etappe 1:

Start: Am Hammerberg, Nonnweiler
Ziel: Forellenhof Trauntal, Börfink
Wanderstart: 10.00 Uhr
Wanderankunft: 16:15 Uhr
Gehzeit: 4h, 15 Minuten
Steckenlänge: 12km, 400hm Aufstieg
Übernachtung: Forellenhof Trauntal, Börfink, 80,- Euro (inkl. Frühstück)
Abendessen: 60,- Euro (für zwei, inkl. Wasser und je einem Glas Wein)

Galeriewochenende in Berlin

Für den Besuch des Galeriewochenendes in Berlin (offiziell: Galleryweekend Berlin) haben wir uns eine Strategie zurecht gelegt, damit wir uns von den Galeristen ernst genommen fühlen, obwohl wir 0815-Straßenkleider (Northface und so) für die Radfahrt am regnerisch-kalten Maianfang anhatten: Forsch rein in die Galerie; nicht zu lange vor einem einzelnen Bild stehen bleiben; assoziative Inhalte zum Werk halblaut miteinander austauschen (am besten nur zu zweit, sonst sieht es nach Ausflug mit Freunden aus) und kurz eine Bewertung fallen lassen; dann nach der Preisliste fragen. Falls man den Preis eines Werkes zu niedrig eingeschätzt hat, kann man das nutzen: Man spricht aus, dass man das Werk eigentlich nur für so viel wert hält; nach drei Sekunden Pause sollte man dann bekräftigen, dass man es auch für den tatsächlich höheren Preis mitnehmen würde; man hinterlässt seine E-Mail-Adresse und verlässt die Galerie zielstrebig.

Wie schon erwähnt fuhren wir mit dem Fahrrad von Galerie zu Galerie. Grundsätzlich hätten wir auch den Shuttle-Service, der von einem bayerischen Motorenhersteller betrieben wird, nutzen können (wer weiß, für welches Entgelt pro Fahrt). Die meisten Besucher treten uniformiert auf: Durchweg schwarze Klamotten, Mantel, Hut oder eine Kombination hat fast jeder an. Bei den älteren (gesetzteren, weniger rebellischen) Herren scheint der Schal fast unumgänglich. Besser man sieht so aus, oder nach sehr viel Geld, sonst fällt man auf, besonders wenn man mit Rad-Allwetter-Kluft und zersausten wind-verregnetem Haar auftaucht.

Am Sonntag ist großer Andrang im Gebäude, in dem Blain|Southern und Esther Schipper residieren: Hier hängt ein Gemälde von 22 Meter Länge von Jonas Burgert, und eine Video-Installation von Anri Sala wird präsentiert. Einige Tagesmedien (bspw. Tagesspiegel) haben die Werke im Vorfeld vorgestellt. Das Ergebnis ist ein Herdeneffekt, denn auch auf dem Kunstmarkt hat Spektakuläres meistens die Nase vorn. Zugegebenermaßen gefallen uns die beiden Werke auch recht gut. Beide Werke sind aber auch beispielhaft für mindestens die Hälfte der gezeigten Arbeiten, die nur in Museen bzw. Museumsräumen hängbar/ausstellbar zu sein scheinen. Aber es gibt durchaus auch Angebote für die private Umgebung, für die ein kleinerer Geldbeutel ausreicht und die uns auch gut gefallen.

Nebenbei bekommt man – vor allem im Westteil Berlins (Charlottenburg, Schöneberg) – sehr interessante Hinterhöfe, Hauseingänge und Treppenhäuser zu Gesicht. Insgesamt sind die Galerieräume staunenswert: Entweder sind sie so groß und hoch wie Museumsräume oder bestehen aus mehreren riesigen Zimmern in Altbauwohnungen, die natürlich ausschließlich mit der angepriesenen Kunst eingerichtet sind. Von den ausgestellten Werken abgesehen gleicht sich allerdings ingesamt das Erscheinungsbild der Galerien: Am Eingang steht die Theke oder der Tisch, auf denen die Informationen zum Ausgestellten nebst eines üppigen Blumenstrauß präsentiert sind. Dahinter sitzen ein bis zwei meist junge, weibliche Personen, die in ein Apple-Produkt starren. Irgendwo im Publikum ist der häufig männliche Galeriebesitzer oder -vertreter zu erkennen.

Wie erscheint uns zusammenfassend das Treiben am Galeriewochenende? Das Begleitmaterial der Galerie Neu zu Andreas Slominskis Arbeit transhumanistisch bringt es auf den Punkt:

Die Ros‘ ist ohn warumb

sie blühet weil sie blühet

Sich achtt nicht jhrer selbst

fragt nicht ob man sie sihet

Angelus Silesius, Der Cherubinische Wandersmann, 1675

Emotionale Beurteilung der besuchten Galerien:

Capitain Petzel – Charline von Reyl (**)

Galerie Gerken – Dieter Mammel (***)

Eigen+Art – Olaf Nicolai  (*)

Gerhardsen Gerner – Markus Oehlen ()

Galerie Neu – Andreas Slominski  (**)

Neugerriemenschneider – Michel Majerus (**)

Mehdi Chouakri – Charlotte Posenenske (*)

Galerie Max Metzler – Günther Förg ()

Galerie Guido W. Baudach – Jürgen Klauke (**)

Blain|Southern – Jonas Burgert (***)

Esther Schipper – Anri Sala, Angela Bulloch (***)

Buchmann Galerie – Tatsuo Miyajima (**)

Carlier|Gebauer – Thomas Schütte (***): Vielfalt der Technik: Skulpturen aus Bronze, Keramik, Stahl und Murano-Glas, Holzschnitt, Figurengruppe Gartenzwerge

König Galerie|St. Agnes – Michaela Heise, Anselm Reyle und andere (***)

Zeitereignisse – April 2017

Was ist Geschichte? Wie entsteht sie? Geschichte bezieht sich auf Vergangenes ist aber auch immer gegenwärtig, denn vergangene Zeitereignisse werden im Jetzt zur Geschichte erklärt. Und umgekehrt: Teile der Geschichte können in Vergessenheit geraten. Geschichte ist auch abhängig von der Perspektive und daher keinesfalls eine objektive Tatsache. Was zur Geschichte erklärt wird, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Geschichte wird meistens von Geschichtsschreibern, Historikern oder Personen, die mit Macht ausgestattet sind, definiert. Was würde passieren, wenn ich selbst Geschichtsschreibung betreibe? Was ist das Ergebnis, wenn man beginnt, seine eigenen Zeitereignisse zu sammeln? Wird die daraus entstehende Geschichte sich mit der offiziellen Geschichtsschreibung decken? Werden Zeitereignisse, die man im Jetzt aufzeichnet, in der eigenen geschichtlichen Rückschau unwichtig sein? Dies sind die Zeitereignisse für diesen Monat:

In Sankt Petersburg kommen mehrere Menschen bei einem Anschlag in der U-Bahn ums Leben.

Bei einem Angriff der syrischen Armee soll Giftgas eingesetzt worden sein. Syrien und Russland bestreiten den Einsatz.

In Stockholm tötet ein Attentäter, der einen LKW in eine Menschenmenge steuert, mehrere Personen.

Auf den Mannschaftsbus des Fussballvereins Borussia Dortmund (BVB) wird Stunden vor Spielbeginn ein Sprengstoffanschlag verübt. Tage später wird ein Mann festgenommen, der im Verdacht steht, das Attentat verübt zu haben, um vom folgenden Kursverlust der Aktie des BVB zu profitieren. Ein fingiertes Bekennerschreiben sollte die Tat in einen islamistischen Hintergrund rücken. Wenige Tage später wird ein deutscher Offizier mit rechtsradikaler Gesinnung wegen Terroverdachts festgenommen. Der Mann hatte sich zuvor als Syrer ausgegeben und erfolgreich Asyl beantragt, um mutmaßlich die Anschläge Asylbewerbern zuzuschieben.

Beim türkischen Verfassungsreferendum gewinnen die Vorschläge der regierenden AKP-Partei knapp die Mehrheit. Damit erhält der türkische Präsident mehr Exekutivbefugnisse.

Emmanuel Macron und Marine Le Pen bekommen im ersten Wahlgang der französischen Präsidentenwahl die meisten Stimmen. Damit ist in der Stichwahl für das Präsidentenamt kein Kandidat der etablierten Parteien vertreten. Drei Tage vor dem ersten Wahlgang tötete ein Attentäter mit islamistischem Hintergrund in Paris einen Polizisten.

Der AfD-Parteitag findet unter dem Protest verschiedener Bevölkerungsgruppen in Köln statt. Im Vorfeld gab die Vorsitzende Frauke Petry ihren Verzicht als Spitzenkandidatin der Bundestagswahl bekannt.

Venezuelas Präsident Maduro schlägt eine Volksversammlung vor, um die Verfassung des Landes zu reformieren. In Venezuela gibt es seit Beginn des Monats gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Präsidenten und der Opposition. Seit Monaten gilt der Ausnahmezustand; zeitweise war das Parlament, in dem eine oppositionelle Mehrheit besteht, durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes entmachtet. Die Opposition macht den Präsidenten für die schwere Wirtschaftskrise (bis hin zu Knappheit von Grundnahrungsmitteln aufgrund einer Hyperinflation) verantwortlich. Der Präsident hat den Ausstieg aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) angekündigt.

Momente in Gedanken #4

 

Mittagspause in Friedenau

 

Raus aus der Wohnung

Rüber über die Straßenkreuzung

zum Würstchenstand vor dem inhabergeführten Supermarkt.

 

Mit der Wurst in der Schrippe

die Straße entlang

an der Auslage der Buchhandlung langsam vorbei.

 

Weiter hinunter zum italienischen Café

Im Rücken die weißgekachelte Küche

Espresso mit Blick nach draußen.

 

Über die Straße

Zum Kiosk an der Bushaltestelle

Mit Zeitung noch die Zimtschnecke beim Restaurant-Deli am Platz.

 

Und dann zurück im Treppenhaus die Stufen hinauf.

Monatsrückblick – April 2017

|Gesehen| Akira Kurosawa: Rashomon (1950) – Akira Kurosawa: Die sieben Samurai (1954) – Akira Kurosawa: Ran (1985) – Ozu Yasujiro: Tokyo monogatari (1953) – Kenji Mizoguchi: Ugetsu monogatari (1953) – Kenji Mizoguchi: Sansho Dayu (1954) – Sebastián Lelio: Gloria – Haaifa Al Mansour: Wadjda – Pier Paolo Pasolini: Il vangelo secondo Matteo – Pier Paolo Pasolini: Uccellacci e uccellini – George Ovashvili – Die Maisinsel
|Gelesen| George Orwell: 1984 – William Golding: Lord of the Flies – Das Evangelium nach Matthäus
|Gehört| Johann Sebastian Bach: Jesu bleibet meine Freude
|Getan| ein ruhiges Osterwochenende zu Hause verbracht, viel Frühstücken, viel Kuchenbacken, überhaupt viel Kochen, sehr schönen Familienbesuch zum Spargelessen gehabt, mit Freunden in den USA skypen, alte Freunde zum Essen besucht, allerlei kleine und größere Kinder bespaßt, zum Gallery Weekend in Berlin gegangen
|Gegessen| Sushi bei Ishin, Bratwürste auf der Domäne Dahlem, mit T&AS im LuLa, Brot vom Bäcker Kapp: Chapeau und Pain Breton, Abendessen im Cookies Cream,
|Getrunken| Achel Blond 8° (belgisches Trappistenbier)
|Gefreut| Über gleich zwei neue Babies bei Freunden. Dass das alte Sofa eine neue Besitzerin gefunden hat und dass sich die beiden Berliner Sauerteiglinge tatsächlich haben reaktivieren lassen.
|Geärgert| Über diese verdammte Kälte: Wind und 3 Grad morgens Ende April.
|Gekauft| Fahrkarten und Übernachtungen für unseren Urlaub im Juni.
|Geklickt| ebay Kleinanzeigen, um das alte Sofa zu verschenken. Nachdem das Sozialkaufhaus sich nie zurückgemeldet hatte, gab es über ebay gleich fünf Interessenten.
|Hätt‘ ich Zeit und Geld, würd‘ ich…| mit einer DS alle Nationalstraßen Frankreichs abfahren