LA – Long Beach
Große Frage: Was schaut man sich in LA in Rahmen eines kurzen Besuchs überhaupt an? Wir haben uns für zwei Dinge entschieden, die uns hinreichend spannend erschienen aber nichts mit der Filmindustrie zu tun haben: das Getty Museum und Downtown. Je nach Anziehungskraft war allerdings offen, ob das ein tagesfüllendes Programm sein würde. „The Getty“, wie es hier genannt wird, war zuerst dran. Um es gleich vorweg zu nehmen: Dessen Anziehungskraft sind wir fast den ganzen Tag erlegen. Es ist ein unglaublich schöner, spannender und zugleich entspannter Ort, dessen Besuch sich unbedingt lohnt.
Wir verließen kurz nach neun unser Hotel, um rechtzeitig zur Öffnung am Museum zu sein. Die langen Menschenschlangen zum Griffith Observatory am Tag zuvor hatten uns deutlich gemacht, dass eine frühe Ankunft längerem Anstehen entgegen wirkt. Das Getty Museum liegt auf einem Hügel direkt über dem Highway 450. Am Fuße befindet sich das Parkhaus, von dem aus der Besucher ironischerweise mit einer kleinen Bahn zum Museumsgelände gelangt (benutzt doch fast keiner in LA die immer mehr verfallende U-Bahn). Der Eintritt zum Museum und auch die Führungen sind frei. Das Parken kostet 15 Dollar.
Eine kleine Tram fährt die Meile vom Parkhaus zum Museum hoch.
Ankunft im noch fast menschenleeren Museumskomplex.
Die Gebäude sollen die Formen der Berge aufnehmen, auf denen sie stehen, und sie weiter führen.
Blick vom Museum auf die Innenstadt von LA.
Der Ort, an dem uns die kleine Bahn zum Berg entlässt, kann als Utopia in Mitten dieser gewaltigen Stadt bezeichnet werden. Die einzelnen Gebäude sind schon am Morgen in gleißendes Sonnenlicht getaucht. Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt: wir kommen mit einer der ersten Bahnen oben an und wissen gar nicht, was wir zuerst bestaunen sollen: die Architektur und Anordnung der Gebäude oder den unglaublichen Blick über L.A. Wir entscheiden uns spontan für die um 10.15 Uhr beginnende Architektur-Führung und lassen uns von Jodie nochmal ausführlich erklären, welche Vision der Architekt Richard Meier mit dem Gebäude verfolgt hat.
Blick vom Getty auf LA
Das Getty nimmt die Stadt in sich auf und spiegelt sie wieder. Wie auch die verschiedenen Viertel der Stadt, soll es ein Platz zum Arbeiten, Leben und Entspannen sein. Die einzelnen Gebäude beinhalten nicht nur Ausstellungsräume sondern auch Büros für Forschung und Ateliers für die Restaurierung und Konservierung von Kunstwerken. Die weiße Steinfassade – weiß ist die Markenfarbe des Architekten – und die Gebäudeformen nehmen die umliegende Landschaft auf und führen sie fort. Über den Tag strömen mit jeder Bahn, die neu oben ankommt, mehr Menschen auf das Gelände. Das Gelände wirkt nicht nur weitläufig, es ist es auch. Der Andrang, der hier aufgrund der Feiertage herrscht, verläuft sich so gut, dass wir ihn erst später an der Belegung des Parkhauses und der langen Autowarteschlange in der Zufahrt wirklich wahrnehmen.
Die einzelnen Räume zeigen Kunstwerke wie Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen sowie eine beeindruckende Sammlung an Fotografien. Das berühmteste Stück ist vielleicht „Les iris“ von Vincent van Gogh. Außerdem gibt es eine eigene Skizzengalerie, die nicht wie sonst manchmal zu sehen, auf Kinder abzielt. Hier kann sich jeder Kunstinteressierte mit Papier und einem Zeichenutensil seiner Wahl versorgen und sich selbst ausprobieren.
Im Getty gibt es einen extra Raum, der den Museumszeichnern unter den Besuchern vorbehalten ist.
Hier kann jeder zu Kreide, Kohle oder Stift greifen und sich künstlerisch versuchen. Das Zeichenmaterial wird vom Museum gestellt.
Auf dem Weg zum Hotel machen wir einen kurzen Abstecher zur Walt Disney Concert Hall von Frank Gehry, verzichten jedoch aufgrund der einsetzenden Dunkelheit und unserer Asphaltmüdigkeit auf weitere Touren durch Downtown L.A. Richtung Highway durchfahren wir eine Straße, die vielen Menschen einen Platz zum Leben gibt ohne ein Zuhause zu sein. Die Straße ist gefüllt mit Menschen, die stehen, sitzen, liegen, trotten. Im ersten Moment meint man, sie warten auf etwas. Die ganze Szenerie ist in der schon angebrochenen Nacht sehr beklemmend und beängstigend, trotz der Karosserie, die uns schützt. Sicherlich kein schöner Vergleich aber trotzdem ein anschaulicher: die dunklen Gestalten erinnern einen an so unwirkliche Wesen wie Zombies. Wir sind verängstigt aber vor allem geschockt. In dieser Häufung haben wir Armut und Hoffnungslosigkeit im Tenderloin in San Francisco und auch sonst nirgends gesehen. Das idyllisch strahlende Weiß des Getty lässt sich mit diesem Schwarz der Straße auf keinen Fall vereinbaren!
Hier geht’s weiter mit Tag 4.