Wochenrückblick (#20)

Morgen bricht unsere letzte Woche an. Die Fahrräder sind verkauft, ein paar Klamotten haben bereits mit Gs Eltern die Heimreise angetreten. Nun heißt es für uns nochmal die Sonne genießen und dann so langsam Abschied nehmen.

|Gesehen| El Norte; NFC Championship Game 49ers vs. Seattle Seahawks; NBA; The Good Wife (3. Staffel)
|Gelesen| Kevin Starr: California – A history, Dave Eggers: A Hologram for the King
|Gehört| Gustav Mahler Symphonie No. 5; Eric Burdon & The Animals: San Franciscan Nights
|Getan| mit einem Abgeordneten (Republikaner) der Nevada Assembly gesprochen, am Lake Tahoe gewesen, in Squaw Valley und Alpine Meadows Ski gefahren, in Nevada gewesen, in Reno ein Spielcasino von innen angeschaut (aber nicht gezockt), die Golden Gate und die Skyline von den Marin Headlands nach Sonnenunergang angeschaut, am Pazifik nach Muscheln und Treibholz gesucht
|Gegessen| Pasta mit Tomatensauce, Burger in verschiedenen Variationen (den Besten frisch vom Holzkohlegrill an der Bergstation in Squaw Valley), Spaghetti Carbonara, Rib Eye Steak mit Ofenkartoffeln in der Ferienwohnung
|Getrunken| Cherry Coke, Anchor Steam Bock Beer, Barefoot Pinot Noir, nochmal Chai Tee bei Raman in Pescadero
|Gedacht| Die Dürre in Kalifornien wird so langsam zu einem ernsten Problem.
|Gefreut| über das gelungene Amerika-Abenteuer von Gs Eltern
|Gelacht|  über Fisch-Grimassen (Anleitung: Wangen einsaugen, Augen weit aufreissen und sich anschauen und lachen)
|Geärgert| über Höhenangst im Skilift
|Gekauft| eine Regenjacke und himmelblaues „Fell“ für G
|Gewünscht| eine letzte sonnige Woche
|Geklickt| craigslist zum Inserieren von Rädern und Haushaltsartikeln

SF to LA – Tag 1

San Francisco – Cambria

In die Vorfreude auf unsere Reise nach Südkalifornien mischte sich auch ein gutes Maß an Ungewissheit. Da wir insgesamt nur wenige Tage eingeplant hatten, mussten wir relativ lange Fahrstrecken für jeden Tag auf uns nehmen. Fraglich war deshalb, wie viel wir abseits der Fahrt überhaupt sehen können. Oder, ob wir nur den Transit vollziehen, um rechtzeitig bei unseren vorgebuchten Hotels anzukommen.

Die Etappenziele waren also klar mit Los Angeles (LA) als Hauptziel. Das erschien uns als Wagnis. Wenn man sich ein wenig abseits der touristischen Reiseführer über LA informiert und umhört, dann nimmt man etwa folgende Eindrücke mit: ein einziges Verkehrschaos, in dem der Fußgänger (oder auch der Radfahrer) praktisch nicht existiert; pre-apokalyptischer Moloch; riesiges zersiedeltes Gebiet; oberflächliche Menschen, die einem uniformen Schönheitsideal eisern mit Hilfe zahlreicher OPs nacheifern; ein einziges soziales Problem, das die Superreichen in nächster Nähe zu den Ärmsten und teilweise schon Halbtoten dahinleben lässt (wobei die einen den Schein und die anderen das bitterste Sein nicht verbergen können). Wir fragten uns also, ob LA bei uns überhaupt eine Chance hat, oder ob wir nach ein paar Stunden weiter nach Süden ins hochgelobte San Diego flüchten würden. Letztlich bestand auch eine kleine Unbehaglichkeit darüber, die letzten Tage des Dezembers ohne Schnee und winterliche Temperaturen, sondern im immer gleichen kalifornischen Sommer zu verbringen.

Wir verließen jedenfalls San Francisco Downtown gegen halb zehn Uhr morgens mit unserem Mietwagen und selbstgemachtem Proviant an Bord. Unser erstes Etappenziel war Cambria, südlich von San Francisco an der Küste gelegen. Auf dem Landweg sind das ungefähr vier Stunden Fahrt. Da wir aber den Highway No. 1 an der Küste fahren wollten, mussten wir mit deutlich mehr Fahrtzeit rechnen. Da wir die Gegend um Monterey und Point Lobos schon erkundet hatten, sind wir diesmal daran vorbeigefahren. Ansonsten wäre dies das perfekte Etappenziel für den ersten Tag.

Bald nach der Stadtgrenze trafen wir auf die Küste, die auch hier aus einer faszinierenden Abwechslung von sowohl Strand und Dünen als auch bis ans Wasser reichender sanfter Hügel besteht. Ein Ort mit dem poetischen Namen Half Moon Bay war unser erster Stopp. Auf der Suche nach Frühstück ließen wir den Starbucks im Einkaufszentrum rechts liegen und bogen nach links in die Hauptstraße ab. Dies erwies sich als Glücksgriff, weil keine 200 Meter weiter ein lokaler Coffee-Shop zu finden war. Bei Raman besorgten wir uns Frühstück und einen Chai (-Tee). Raman ist Inder und machte mit seinem gelben Shirt, dem Vollbart und besonders mit seiner in sich ruhenden Art der Bedienung großen Eindruck auf uns. Wir fühlten uns spirituell so erhöht, dass wir auf seine Frage, wie wir unseren Tee möchten, nur mit blumigen Vokabeln wie „ausgeglichen“, „den Geist befreiend“ usw. antworten konnten. Raman wollte allerdings nur wissen, wie viel Zucker, Milch und Gewürze er in den Tee mischen soll. Trotz dieser Profanität immer noch spirituell beschwingt machten wir uns zum nahen Poplar Beach auf, um auf einer Bank über dem Strand unser Frühstück zu genießen.

Weitere schöne Strände und State Parks ließen wir aus, um erst wieder in Santa Cruz zu halten. Der Ort hat eine Uni, ist aber vor allem für seine Surf-Kultur bekannt. Eine Plakette verrät uns, dass diese von einem hawaiischen Prinzen an diesen Ort gebracht wurde. Von den Klippen kann man die Surfer beobachten, wie sie wie Vögel im Wasser sitzen und auf die nächste Welle warten. Der Surf-Spot heißt Steamer Lane, da die Wellen sich über einer alten Fahrrinne für Dampfboote aufbauen. Wir konnten ein paar ganz beeindruckende Wellenritte beobachten, so dass wir im sonnigen Wetter zum ersten Mal ein wenig das (süd-)kalifornische Lebensgefühl einsogen. Es muss allerdings bemerkt werden, dass auch hier die Surfer immer noch Neoprenanzüge tragen; und das änderte sich im Verlauf unserer Reise auch nicht.

Nach einer guten Stunde Fahrt erreichten wir den Küstenabschnitt, der als der schönste im kalifornischen Süden gilt: Big Sur. Allerdings ist es ein Ort, der sich versteckt. Eigentlich ist es gar kein richtiger Ort, da kein Schild sein Beginn und sein Ende kennzeichnet. Lediglich ein paar Menschen leben hier. Abseits von der Straße, hinter hohen Bäumen im Wald wollen sie – so scheint es – nur ihre Ruhe. Auch die durchaus vorhandenen Hotels und Restaurants in diesem Gebiet sind nur dezent ausgeschildert. Alles fing wohl in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts an, als Sträflinge den Highway und einige schluchtenüberspannende Brücken bauten. Henry Miller lebte hier von 1942 bis 1962 und suchte hier Abgeschiedenheit nach seinen Pariser und New Yorker Jahren. Er wurde so etwas wie der Weise vom Berge (vergleiche Herman Hesse in Montagnola), indem er Spirituelle und Künstler aller Art, Anarchisten und Anhänger eines Geschlechtskults anzog, die aber in der rauen Einsamkeit nicht lange geblieben sind. Wir jedenfalls durchfuhren das Gebiet bis zum Pfeiffer Beach, um auf purpurnem Sand mit Blick auf wellenumspülte Felsen ausgiebig zu picknicken.

Im Dunkeln kamen wir dann in Cambria an. So konnten wir die opulente (Weihnachts-)Beleuchtung der putzigen Restaurants und Läden entlang der Hauptstraße in vollen Zügen genießen. Für das Abendessen entschieden wir uns für eine Kombination aus Schnellimbiss und Restaurant. Einmal akklimatisiert schmeckte auch der reichlich fettige Burger, konnte man beim Kauen dem Sportprogramm an mehreren Bildschirmen mit Gelassenheit folgen, nahm man im Nebenher die Kommentare und Alltagsgeschichten an den im hallenartigen Raum verstreuten Tischen war. Zwischen Schlücken vom Light-Bier war man angekommen bei den Leuten, die sich hier allabendlich für Nichts und Alles treffen.

Hier geht’s weiter mit Tag 2.