SF to LA – Tag 1

San Francisco – Cambria

In die Vorfreude auf unsere Reise nach Südkalifornien mischte sich auch ein gutes Maß an Ungewissheit. Da wir insgesamt nur wenige Tage eingeplant hatten, mussten wir relativ lange Fahrstrecken für jeden Tag auf uns nehmen. Fraglich war deshalb, wie viel wir abseits der Fahrt überhaupt sehen können. Oder, ob wir nur den Transit vollziehen, um rechtzeitig bei unseren vorgebuchten Hotels anzukommen.

Die Etappenziele waren also klar mit Los Angeles (LA) als Hauptziel. Das erschien uns als Wagnis. Wenn man sich ein wenig abseits der touristischen Reiseführer über LA informiert und umhört, dann nimmt man etwa folgende Eindrücke mit: ein einziges Verkehrschaos, in dem der Fußgänger (oder auch der Radfahrer) praktisch nicht existiert; pre-apokalyptischer Moloch; riesiges zersiedeltes Gebiet; oberflächliche Menschen, die einem uniformen Schönheitsideal eisern mit Hilfe zahlreicher OPs nacheifern; ein einziges soziales Problem, das die Superreichen in nächster Nähe zu den Ärmsten und teilweise schon Halbtoten dahinleben lässt (wobei die einen den Schein und die anderen das bitterste Sein nicht verbergen können). Wir fragten uns also, ob LA bei uns überhaupt eine Chance hat, oder ob wir nach ein paar Stunden weiter nach Süden ins hochgelobte San Diego flüchten würden. Letztlich bestand auch eine kleine Unbehaglichkeit darüber, die letzten Tage des Dezembers ohne Schnee und winterliche Temperaturen, sondern im immer gleichen kalifornischen Sommer zu verbringen.

Wir verließen jedenfalls San Francisco Downtown gegen halb zehn Uhr morgens mit unserem Mietwagen und selbstgemachtem Proviant an Bord. Unser erstes Etappenziel war Cambria, südlich von San Francisco an der Küste gelegen. Auf dem Landweg sind das ungefähr vier Stunden Fahrt. Da wir aber den Highway No. 1 an der Küste fahren wollten, mussten wir mit deutlich mehr Fahrtzeit rechnen. Da wir die Gegend um Monterey und Point Lobos schon erkundet hatten, sind wir diesmal daran vorbeigefahren. Ansonsten wäre dies das perfekte Etappenziel für den ersten Tag.

Bald nach der Stadtgrenze trafen wir auf die Küste, die auch hier aus einer faszinierenden Abwechslung von sowohl Strand und Dünen als auch bis ans Wasser reichender sanfter Hügel besteht. Ein Ort mit dem poetischen Namen Half Moon Bay war unser erster Stopp. Auf der Suche nach Frühstück ließen wir den Starbucks im Einkaufszentrum rechts liegen und bogen nach links in die Hauptstraße ab. Dies erwies sich als Glücksgriff, weil keine 200 Meter weiter ein lokaler Coffee-Shop zu finden war. Bei Raman besorgten wir uns Frühstück und einen Chai (-Tee). Raman ist Inder und machte mit seinem gelben Shirt, dem Vollbart und besonders mit seiner in sich ruhenden Art der Bedienung großen Eindruck auf uns. Wir fühlten uns spirituell so erhöht, dass wir auf seine Frage, wie wir unseren Tee möchten, nur mit blumigen Vokabeln wie „ausgeglichen“, „den Geist befreiend“ usw. antworten konnten. Raman wollte allerdings nur wissen, wie viel Zucker, Milch und Gewürze er in den Tee mischen soll. Trotz dieser Profanität immer noch spirituell beschwingt machten wir uns zum nahen Poplar Beach auf, um auf einer Bank über dem Strand unser Frühstück zu genießen.

Weitere schöne Strände und State Parks ließen wir aus, um erst wieder in Santa Cruz zu halten. Der Ort hat eine Uni, ist aber vor allem für seine Surf-Kultur bekannt. Eine Plakette verrät uns, dass diese von einem hawaiischen Prinzen an diesen Ort gebracht wurde. Von den Klippen kann man die Surfer beobachten, wie sie wie Vögel im Wasser sitzen und auf die nächste Welle warten. Der Surf-Spot heißt Steamer Lane, da die Wellen sich über einer alten Fahrrinne für Dampfboote aufbauen. Wir konnten ein paar ganz beeindruckende Wellenritte beobachten, so dass wir im sonnigen Wetter zum ersten Mal ein wenig das (süd-)kalifornische Lebensgefühl einsogen. Es muss allerdings bemerkt werden, dass auch hier die Surfer immer noch Neoprenanzüge tragen; und das änderte sich im Verlauf unserer Reise auch nicht.

Nach einer guten Stunde Fahrt erreichten wir den Küstenabschnitt, der als der schönste im kalifornischen Süden gilt: Big Sur. Allerdings ist es ein Ort, der sich versteckt. Eigentlich ist es gar kein richtiger Ort, da kein Schild sein Beginn und sein Ende kennzeichnet. Lediglich ein paar Menschen leben hier. Abseits von der Straße, hinter hohen Bäumen im Wald wollen sie – so scheint es – nur ihre Ruhe. Auch die durchaus vorhandenen Hotels und Restaurants in diesem Gebiet sind nur dezent ausgeschildert. Alles fing wohl in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts an, als Sträflinge den Highway und einige schluchtenüberspannende Brücken bauten. Henry Miller lebte hier von 1942 bis 1962 und suchte hier Abgeschiedenheit nach seinen Pariser und New Yorker Jahren. Er wurde so etwas wie der Weise vom Berge (vergleiche Herman Hesse in Montagnola), indem er Spirituelle und Künstler aller Art, Anarchisten und Anhänger eines Geschlechtskults anzog, die aber in der rauen Einsamkeit nicht lange geblieben sind. Wir jedenfalls durchfuhren das Gebiet bis zum Pfeiffer Beach, um auf purpurnem Sand mit Blick auf wellenumspülte Felsen ausgiebig zu picknicken.

Im Dunkeln kamen wir dann in Cambria an. So konnten wir die opulente (Weihnachts-)Beleuchtung der putzigen Restaurants und Läden entlang der Hauptstraße in vollen Zügen genießen. Für das Abendessen entschieden wir uns für eine Kombination aus Schnellimbiss und Restaurant. Einmal akklimatisiert schmeckte auch der reichlich fettige Burger, konnte man beim Kauen dem Sportprogramm an mehreren Bildschirmen mit Gelassenheit folgen, nahm man im Nebenher die Kommentare und Alltagsgeschichten an den im hallenartigen Raum verstreuten Tischen war. Zwischen Schlücken vom Light-Bier war man angekommen bei den Leuten, die sich hier allabendlich für Nichts und Alles treffen.

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Die Küste nach Süden

Was macht man, wenn man einen Tag Zeit hat, über einen Mietwagen verfügen kann und es bestes Sommerwetter ist? Richtig, ans Meer fahren. Genau das haben wir am Samstag gemacht. Wir hatten uns vorgenommen, die Küste südlich von San Francisco zu erkunden. Unsere Ziele waren Carmel, Pacific Grove, Monterey und Salinas. Ganz schön viel für einen Tag, oder? Klar. Dennoch war es ein perfekter Sommertag.

Die Region um Monterey liegt etwa zwei Stunden südlich von San Francisco. Als erstes wollten wir beim Point Lobos State Park anhalten, der sich ganz im Süden unserer geplanten Tour befindet. Aufgrund des guten Wetters war hier aber jede Menge los, so dass wir beschlossen haben, uns die Seelöwen ein anderes Mal anzuschauen und nach Carmel zu fahren.

Carmel by the Sea ist ein kleines Städtchen, das mit seinen engen, hügeligen Straßen so ganz anders aussieht, als die Städte, die wir bisher so gesehen haben. Zu Fuß lassen sich die kleinen Häuschen, die zentrale Einkaufsstraße, die Ocean Avenue, und die vielen kleinen Restaurants und Cafés perfekt erkunden. Das Forge in the Forest und auch Katy’s Place sahen zumindest von außen sehr einladend aus. Außerdem konnten wir so prima Touristen und Einheimische beim samstäglichen Shopping beobachten. Höhepunkt für uns war aber der großartige Strand, mit feinem Sand, Sonne und Pazifikwellen. Den haben wir zum Picknicken, Schlafen und Spazierengehen genutzt, bevor wir nach Pacific Grove weitergefahren sind.

Im Vergleich zu Carmel ist Pacific Grove schon wieder deutlich weitläufiger, breitere Straßen, weniger Hügel. Aber insgesamt immer noch sehr heimelig. Hier im Monarch Grove Sanctuary überwintern im November und Dezember tausende von Monarch-Schmetterlingen. Auch die Küste ist hier wieder felsiger und von kleinen Wasserstellen gekennzeichnet, in der viele Meerestierchen leben, die unter Naturschutz stehen. Außerdem gibt es in Pacific Grove die Happy Girl Kitchen, eine Mischung aus Café und Einkocherei, wo man sowohl Kaffee trinken und essen kann, als auch selbstgekochte Marmeladen und eingelegtes Gemüse kaufen. Beides wird vor Ort direkt hergestellt. Wir haben Probeeinkäufe getätigt und werden berichten.

Monterey schließt direkt an Pacific Grove an, so dass wir nicht weit fahren mussten, um zu unserem dritten Halt zu kommen. Hier hatten wir uns den historischen Rundweg durch das alte Monterey vorgenommen. Zuvor haben wir eine kurze Pause eingelegt, die Reste vom Pflaumenkuchen gegessen und die Herbstspezialitäten bei Starbucks probiert. Der Salted Caramel Mocha ist ganz gut (man glaubt es nicht, selbst für den gibt es eine Seite im Internet). Salz und Karamellsirup gehen prima zusammen, die seltsame Kaffee-Kakao-Mischung dazu hätte es für mich jedoch nicht gebraucht. Lieber Karamellbonbons mit Fleur de Sel und einen gescheiten Cappuccino dazu.

Der Spaziergang, bei dem man sich die alten Häuser Montereys anschauen kann, ist mit kleinen, gelben Punkten im Boden markiert. Nach diesen muss man am Anfang nur kurz Ausschau halten und ihnen dann, wie beim Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel, folgen. Wir sind also fröhlich durch die Stadt gelaufen, haben links und rechts Häuser fotografiert, und nebenbei so ziemlich alles gesehen, was man in Monterey gesehen haben sollte.

Danach konnten wir schon wieder ein bisschen Autofahren und bei Einbruch der Dunkelheit erreichten wir Salinas. Hier wollten wir vor allem wegen John Steinbeck hin, der hier geboren ist, und für seine Romane Früchte des Zorns oder Jenseits von Eden berühmt ist. Wir haben sein Geburtshaus und das ihm gewidmete Museum angeschaut. Wiederum von außen, alles schon geschlossen, da schon halb Nacht.

Dann machten wir uns auf dem Rückweg und beendeten den Tag mit einem Besuch im Tex-Mex-Schnellimbiss Chipotl in Oakland. Eine ausdrückliche Empfehlung von J, an die wir bei Wraps und Burritos auch ganz feste gedacht haben.