Monatsrückblick – März 2017

|Gesehen| Robert Rodriguez, Frank Miller, Quentin Tarantino: Sin City – Clint Eastwood: Million Dollar Baby – Maren Ade: Alle Anderen – Detlev Buck: Same Same But Different – Cary Fukunaga: Sin Nombre –  Bong Joon-ho: Snowpiercer – Steve McQueen: Twelve Years A Slave – Jonathan Dayton, Valerie Faris: Little Miss Sunshine – David Mackenzie: Young Adam – Aki Kaurismäki: Der Mann ohne Vergangenheit – Alfonso Cuarón: Gravity – Schulz und Böhmermann, Folge 6 – Ryan Coogler: Fruitvale Station – Ulrich Seidl: Paradies: Glaube – Ulrich Seidl: Paradies: Hoffnung – Aki Kaurismäki: Ariel, Abgebrannt in Helsinki – Aki Kaurismäki: Le Havre
|Gelesen| Luther Blissett: Q – Hans-Jörg Gilomen: Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters – Judith Schalansky: Atlas der abgelegenen Inseln – Robert Seethaler: Der Traffikant
|Gehört| Philip Glass: Glassworks – Philip Glass: Akhnaten – Philip Glass: Violinkonzert No. 1, „Happy“ – Die Reportage zum Film bei DRadio Wissen, Jonathan Franzen – Freedom (als Hörbuch)
|Getan| am Frauentag nicht gestreikt aber frei genommen, den Balkon wieder mit Stühlen und Tisch ausgestattet, liebe Übernachtungsgäste gehabt, Baby schuckeln – Baby anschauen – Baby schieben, einen fröhlichen Abend mit Freunden und Literatur verbracht, ein MRT von innen gesehen (Teiluntersuchung für die NaKo), Frühlingsspaziergang im Waldpark
|Gegessen| im Freistoff in den Edison Höfen (Berlin), Lütticher Waffeln – Brioche vendéenne – Gänseleber – Cassoulet au Confit de Porc – Rinderbraten an Morchelrahmsoße und Klöße – Mezze (Blumenkohlkuchen, Fenchelsalat, Hummus, Datteln in Speck, Carottes Rapées) – Entrecôte, Spinat und Pommes – Käsespätzle – Chocolat Noir Manjari (Valrhona)
|Getrunken| Müller Thurgau 2014, Stefan Vetter, Franken – Scheurebe Qventera 2014, Kühling-Gillot, Rheinhessen – La Chouffe (belgisches Bier) – selbstgemachte Zitronenlimonade
|Gedacht| von Winterjacke auf T-Shirt in nur zwei Tagen: Freitag morgen mit Winterjacke zur Arbeit, abends im Pullover heim, Samstag morgen nur im T-Shirt auf dem Rad
|Gefreut| über die beiden ersten sonnigen Frühlingswochenenden
|Geärgert| über zwei fiese Erkältungen (Husten, Schnupfen, Halsschmerzen), darüber, die beiden Sauerteige zu wenig gepflegt zu haben und sie wegwerfen zu müssen (Hoffnung: die beiden Berliner Ableger leben noch und können wieder reaktiviert werden)
|Gekauft| jede Menge Semi-Medikamente, um die Erkältung abzumildern (Nasenspray, Thymian-Kapseln, Vitamintabletten und eine große Box Taschentücher)
|Geklickt|  Demos zu Software Synthesizern
|Hätt‘ ich Zeit und Geld, würd‘ ich…| einen ER-101 Sequencer kaufen

Museum Ludwig in Köln

Vor 40 Jahren schenkte das Ehepaar Ludwig der Stadt Köln Werke aus ihrer Sammlung, die sich seit 30 Jahren im Museumsbau hinter dem Kölner Dom befinden. Zum Jubiläum wurden nun Kunstwerke, die in besonderer Verbindung mit dem Museum stehen.

Schon an der Außenfassade des Museums hängt ein Plakat der Guerrilla Girls, die ironischerweise die Vorzüge des Mäzenatentums preisen. Die Vorzüge, ein eigenes Kunstmuseum zu besitzen, sind unter anderem, dass man – wie in der eigenen Firma – der Chef ist, dass Kunstproduzenten und -vermittler einem in den Hintern kriechen und dass man mit Schenkungen steuern sparen kann.

Im Innern überwindet der Besucher dann gleich zu Beginn Ahmet Ögüts Installation Bakunin’s Barricade – indem er hinter den beiden umgekippten Autos in die Sammlungsräume geht. Michail Bakunin hatte während den revolutionären Vorgängen 1849 in Dresden die Idee, Bilder aus der Staatlichen Gemäldesammlung auf die Straßenbarrikaden zu hängen, um die anrückenden Soldaten zu stoppen. In Anlehnung dazu legte Ögüts fest, dass der Käufer seines Kunstwerk im Falle eines Konflikts zur Verfügung stellen soll.

Hans Haackes Arbeit Der Pralinenmeister dokumentiert kritisch das Entstehen des Museums Ludwig: Peter Ludwig war Kunsthistoriker und mit der Erbin eines Schokoladenfabrikanten verheiratet. Auf welche Weise das Sammlerehepaar sich Einfluss auf die Sammlung auch nach der Schenkung an die Stadt Köln sichert, wird der Besucher zusammen mit den Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten ihres Unternehmens  schriftlich informiert. Die Gesinnung der Spender wird genüsslich verrissen.

Meschac Gabas Arbeit Reflection Room besteht aus einem Zelt, das einen unwillkürlich an eine provisorische Flüchtlingsunterkunft denken lässt. Die Zeltplane stellt die Flaggen aller Staaten der Welt dar. Symbolisch treffen sich also alle Nationen der Welt im Reflection Room. In seinem Innenraum sind tatsächlich auf Tischen Malutensilien für jedermann/-frau verteilt. Pratchaya Phinthong schenkte im Vorfeld der Ausstellung  geflüchteten Menschen in Bangkok hergestellte Jeans, welche diese dann für die Dauer der Austellung an die Mitarbeiter des Museums übergaben. An die Aktion erinnern in der Ausstellung zwei Teller, die von einem Essen des Künstlers mit den geflüchteten Menschen stammen.

Ansonsten kann man sich in der Menge der Sammlunghighlights verlieren. Das Museum ist weltbekannt für Pop-Art. Daher sind mehrere Räume dicht gehängt mit den Erzeugnissen deren Vertreter, wie etwa Jasper Johns Map, die auf Buckminster Fullers Versuch, eine verzerrungsfreie Projektion der Weltkugel zu schaffen, zurückgeht, Edward Kienholz silbrig-klebrige Soldatenhelden ohne Kopf, die im The Portable War Memorial unter der ewigen Wiederholung des Songs „God Bless America“ mit der Flagge in der Hand einen Imbisstisch erobern und den verkohlten Tarzan im Eck nicht wahrnehmen, das Punktraster in Roy Lichtensteins M-Maybe (A Girl’s Picture), das der Emotion des Bildausschnitts aus einem Comic-Strip keinen Abbruch tut, Richards Lindners trivialisierende Fetischobjekte in Disneyland, Tom Wesselmanns plakative Collage eines VW Käfers in Landscape No. 2 und eines Badezimmers mit Wäschekorb, Duschvorhang und Handtuch als reale Objekte in Bathtub 3, und zuletzt James Rosenquists Star Thief, dessen im Weltraum liegende, monumentale Speckstreifen das gesamte Treppenhaus ausfüllen (auch weil es als Wandgemälde des Miami Airport nicht akzeptiert wurde).

Zudem gibt es einige Klassiker zu sehen wie Paul Klees Hauptweg und Nebenweg oder Pablo Picassos Musketier und Amor (hinter welchem der beiden mag sich der Künstler verbergen?). Und auch Arbeiten jüngerer deutscher Künstler sind zu sehen: A. R. Pencks Gemälde Ich in Deutschland (West) zeigt aus der Sicht des Künstlers alles, wird aber aufgrund seiner Ausmaße (6m auf 12m) selten gezeigt. Bei Isa Genzkens Installation Kinder filmen werden destruktive Elemente der Konsumwelt inszeniert. Wolfgang Tillmans bekommt wie immer einen ganzen Raum für seine Fotos in unterschiedlichen Formaten und Martin Kippenbergers Kanarienvögel zerfließt das Zitronengelb im Angesicht des Mündungsrohrs eines Panzers.

 

Zeitereignisse – Februar 2017

Was ist Geschichte? Wie entsteht sie? Geschichte bezieht sich auf Vergangenes ist aber auch immer gegenwärtig, denn vergangene Zeitereignisse werden im Jetzt zur Geschichte erklärt. Und umgekehrt: Teile der Geschichte können in Vergessenheit geraten. Geschichte ist auch abhängig von der Perspektive und daher keinesfalls eine objektive Tatsache. Was zur Geschichte erklärt wird, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Geschichte wird meistens von Geschichtsschreibern, Historikern oder Personen, die mit Macht ausgestattet sind, definiert. Was würde passieren, wenn ich selbst Geschichtsschreibung betreibe? Was ist das Ergebnis, wenn man beginnt, seine eigenen Zeitereignisse zu sammeln? Wird die daraus entstehende Geschichte sich mit der offiziellen Geschichtsschreibung decken? Werden Zeitereignisse, die man im Jetzt aufzeichnet, in der eigenen geschichtlichen Rückschau unwichtig sein? Dies sind die Zeitereignisse für diesen Monat:

Das House of Common stimmt dem Gesetz zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU zu.

Das Europäische Parlament stimmt dem Handelsabkommen CETA zu.

Ein internetfähiges Kinderspielzeug wird wegen eines ungesicherten Zugriffs auf das Mikrofon vom Markt  genommen.

Bei einem Pressekommuniqué des Weißen Hauses werden Vertreter bestimmter Medien ausgeschlossen.

Im Restaurant freistoff, Berlin

Der Tipp kam von einer Kollegin: Im August 2016 hätte das Restaurant reinstoff zum ersten Mal eine kurzes Experiment gewagt: Zwei Wochen „ohne Sterne“ ein bisschen experimenteller und freier zu kochen – aus reinstoff wird freistoff. Mit dem Vorteil, dass das Menü damit günstiger war, als im regulären Zwei-Sterne-Betrieb.

Dies würden sie gerade – Ende Februar bis Mitte März 2017 – wiederholen. Diesmal war Großbritannien das Thema der ersten beiden, Indien das der letzten beiden Wochen. Wir reservierten für einen Samstag zum Mittagessen Anfang März und bekamen die Karte mit dem indischen Thema. Die Online-Reservierung klappt ohne Schwierigkeiten.

Mit uns kommen noch einige weitere Gäste an, als wir kurz vor unserer reservierten Zeit um 12.30 Uhr in den Edison-Höfen ankommen. Das Restaurant ist zu knapp zwei Dritteln gefüllt – Paare, Familien und auch Einzelgäste – die Stimmung ist entspannt, deutsch und englisch schwirren gemischt durch den Rau, die Tür zur Terrasse steht weit offen. Draußen ist es sonnig, wenngleich zu kalt, um dort zu sitzen. Wir geben die Jacken an der Garderobe ab, bekommen unseren Tisch gezeigt. Unsere freundliche Servicekraft informiert uns über die Wasserflatrate, die – wie wir später auf der Rechnung sehen werden – mit fünf Euro pro Person deutlich über dem liegt, was wir im Broeding oder im Emma Wolf für Leitungswasser aus der Karaffe gezahlt haben (nämlich nix). Wir verzichten auf den Aperitif und bestellen als Begleitung zum Essen Weißwein: Ich nehme den Müller Thurgau 2014 von Stefan Vetter (Franken), M die Scheurebe Qventera 2014 von Kühling-Gillot. Die Überraschung ist der Müller Thurgau, ein spontan vergorener „vin naturel.“ Er sieht blasstrüb aus, gießt sich fasst wie Sirup ins Glas, schmeckt frisch und fruchtig, schmilzt fast weg im Mund. Perfekt.

Wir bestellen einmal das vegetarische Menü für M, das in vier Gängen kommen wird, sowie drei Gänge à la carte für mich. Als Gruß aus der Küche werden mit Knoblauch geröstete Erdnüsse serviert, direkt danach kommt der Brotkorb, der mit Minzjoghurt und einem Korianderpesto und serviert wird.

Als ersten Gang bekommt M Linsensuppe mit Gewürzpfannkuchen, ich bekomme Geflügelleber, gegrillte Ananas und Tandoori.

Danach geht es im vegetarischen Menü weiter mit einem Kichererbsen-Sandwich, der gefüllt mit Paneer tikka, Gemüsen und Salaten im Wrap kommt. Ich bekomme als zweite Vorspeise in deutscher Aquakultur gezogene Crusta Nova „Indische Garnelen“ mit Melone, Gemüse-Papaya und Safran.

Als Hauptgang habe ich das Kichererbsen-Sandwich gewählt, den M als zweite Vorspeise hatte. Bei ihm gibt es Shakarkandi Ki Chat – Gelbes Gemüse-Curry. Zum Dessert gibt es Espresso für mich und für M das Dessert aus dem Menü, Zitrone und langer Pfeffer – Zitronelle, Baiser und Nimbu Pani:

Fazit: Der Müller-Thurgau und die Geflügelleber als Vorspeise haben die Messlatte so hoch gelegt, dass der Rest des Menüs gar nicht mehr den Versuch machte, drüber zu springen. Jetzt ist die indische Küche sicher nicht die Einfachste, um sie – gemäß der französischen Esskultur – in Menüform für Berlin-Mitte zu bringen (oder wie Gordon Ramsey bei Masterchef zu den Hobbyköchen zu sagen pflegte „The question is: can you elevate the dish?“). Dennoch fanden wir es in Teilen wirklich wenig innovativ (Gemüsecurry) oder handwerklich schlecht gemacht und präsentiert (Teigfladen für den Wrap war deutlich zu trocken und zudem so präsentiert, dass die Komponenten im Inneren völlig untergingen). Schuld können aber auch hohe Erwartungen unsererseits gewesen sein, die regulären zwei Sterne lassen grüßen.

 


freistoff
im Restaurant reinstoff
Schlegelstraße 26c
10115 Berlin
http://www.reinstoff.eu/

4-Gänge (vegetarisch) 40,00 Euro
à la Carte: 8,00-21,00 Euro

Wir beide, inkl. Wasser und Wein: 115,- Euro