Monatsrückblick – Mai 2018

Unser Mai war ein Monat mit langen Wochenenden voller Kurzurlaube: Es begann am langen Wochenende des ersten Mai mit einem Besuch von G’s Eltern und von Freunden am Wochenende danach, dann folgte die Himmelfahrtstour, Pfingsten verbrachten wir auf der Insel Rügen, danach ein Wochenende mit einem runden Geburtstag beim Zelten am See. Und schließlich Fronleichnam mit den letzten Etappen des Westweges im Südschwarzwald und Kunst gucken in Basel. Mehr dazu dann im Juni.

|Gesehen| Jean-Pierre und Luc Dardenne: Der Junge mit dem Fahrrad – Lars Kraume: Der Staat gegen Fritz Bauer – Jacques Tati: Mein Onkel – Andreas Dresen: Als wir träumten – Andreas Dresen: Stilles Land – 1968, Die globale Revolution – Diao Yinan: Feuerwerk am helllichten Tage
|Gelesen| David J. Chalmers: Why Isn’t There More Progress in Philosophy? – Franz Kafka: Der Verschollene – Hans Fallada: Kleiner Mann, was nun?
|Gehört| King Gizzard and the Lizard Wizard: Polygondwanaland – Khruangbin @ Villain – Wolfgang A. Mozart: Streichquartett C- Dur „Dissonanzen-Quartett“ (KV 465) – Wolfgang A. Mozart: Streichquintett g-Moll (KV 516) – Franz Schubert: Streichquintett C-Dur (op. post. 163, D 956) – Franz Schubert: Streichquartett Nr. 13 in a-Moll „Rosamunde“ (D 804)
|Getan| zwei Etappen im Nordpfälzer Bergland gewandert (15km und 26km) – auf den Rügener Kreidefelsen gewandert – das erste Mal in diesem Jahr gezeltet – angebadet – einen PS-starken gelben Flitzer als Mietwagen bekommen und damit durch die Pfalz gebraust
|Gegessen| selbstgemachter Börek – Rote-Beete-Hummus – jede Menge Rhabarberkuchen – Croque Madame – grüner Spargel, weißer Spargel als Suppe, Salat, Quiche und am häufigsten mit Kartoffeln und Butter – Erdbeeren – Geschnetzeltes von der Rehkeule
|Getrunken| Blanc de Noir, 2016, Karl Pfaffmann – Riesling, Herrgottsacker, 2014, von Winning – Chardonnay, Bernhard Koch
|Gefreut| über netten Besuch von Freunden, Wandern, Zelten und den Urlaub mit Gs Schwester
|Geärgert| über die langsame Zugverbindung zwischen Berlin und Stralsund
|Gekauft| vor allem Erinnerungen durch Reisen, Essengehen und Ausflüge
|Geklickt| Zugbuchungen, Hotelbuchungen, Mietwagenbuchungen und dazwischen immer wieder die Online-Wetterseiten

Kunst in 0711

0711 ist die Telefonvorwahl von Stuttgart und gleichzeitig ein Markenbegriff für die Stadt. Dass für mich das Kulturleben ein Teil der Marke Stuttgarts ist, hat sich mal wieder am Besuch der Staatsgalerie gezeigt. Es geht dabei um Details mit eindrücklicher Wirkung wie frisch-grüner Noppenboden, gruftartig-spirituelle Räume in satt-dunklem Grau, bühnenhafte Inszenierung von Ballettkostümen, unendlichem Sichversenken in ledernen Sesseln.

Fangen wir sachlich an: Im Jahr 1843 wurde das erste Gebäude der Staatsgalerie fertiggestellt, das der König von Württemberg zur Beherbergung der Gemäldesammlung und der Kunstschule in Auftrag gegeben hatte. Woran ich mich immer wieder erfreue, ist der Anblick des Neubaus von James Stirling aus dem Jahre 1984. Die Wandfronten bestehen aus großen, sandfarbenen Steinblöcken und erzeugen bei mir die Wahrnehmung einer zwar harten aber warmen Außenhaut. Am Eingangsbereich wird die Wand durch ein Fensterfassade in Wellenform durchbrochen, die durch frisch-grüne Stahlträger gegliedert wird. Auf dem terrassiertem Gelände befinden sich noch weitere Elemente, deren Material stahlartig ist – in rot, blau und pink – und aus einer industriellen Produktion zu kommen scheinen, wie die Geländer oder das Dach vor den Eingangstüren. Im Empfangsbereich begrüßt dann der Noppenboden wieder im frischen Grün, der mich im besten Sinne an Legosteine erinnert. Zusammen ist das als herausragendes postmodernes Beispiel in den Architekturkanon eingegangen.

Vor ein paar Jahren war die Sammlungspräsentation noch enthistorisiert, sodass mittelalterliche Altäre neben abstrakter Nachkriegskunst zu hängen kamen. Aktuell wird wieder chronologisch durch die Sammlung geführt – und zwar vom 14. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Die Hängung ist aus meiner Sicht optimal, was das Verhältnis der Größe der Bilder zur ihrer Menge im Raum angeht  – also keine überhäufte Hängung von Riesengemälden à la Louvre. Und damit ergibt sich die Basis für viele der besten – das heißt stimmigen – Eindrücke von Kunstwerken in Museumsräumen, die ich je hatte.

Wenn man den Rundgang am Berührungspunkt des alten und neuen Baukörpers beginnt – wieder eine in grüne Stahlträger gefasste Glasfassade – dann trifft man zuerst auf eine Serie von Rückenakten von Matisse: Bronzeplatten, die durch unterschiedliche Abstraktionsgrade das bildhauerische Entstehen (oder Verschwinden) eines Rückenreliefs zeigen. An diesem Punkt empfehle ich tatsächlich chronologisch vorzugehen. Dann nimmt man den symbolisch nachzuvollziehenden Weg aus Räumen des ausgehenden Mittelalters in dunkler Wandfarbe und dezent beleuchtet gehalten in die weißwandigen Räume der Gegenwart im postmodernen Bauteil des Museums. Aber qualitativ beschreibt dieser Gang keinen Fortschritt, denn außergewöhnlich gute Eindrücke bestehen in jedem Epochenabschnitt. Denn sprach ich gerade von dunkler Wandfarbe im altdeutschen Teil des Erdgeschosses, so meine ich ein satt-dunkles Grau, das mit der dezenten Beleuchtung eine sakrale Atmosphäre erzeugt: nicht monumental-kathedralenhaft, sondern eher gruftartig-spirituell und dabei großartig durch die Perspektive der nacheinander folgenden Räume, was ich als eine unaufdringlich gute Art der Präsentation von mittelalterlich-sakraler Kunst empfinde.

Auf Ungewöhnliches trifft man dann noch im ersten Geschoss des alten Bauteils der Staatsgalerie. Ein ganzer Raum zeigt die Gemälde des Perseus-Zyklus von Edward Burne-Jones. Der war ein Vertreter der Präraffaeliten, von denen es in Deutschland nicht viele Werke zu sehen gibt. Kennzeichnend für die Präraffaeliten ist eine mittelalterliche Mal- bzw. Darstellungsweise. Und so bildet Burne-Jones in den 1880er Jahren Szenen aus dem antiken Perseus-Mythos in einer dekorativ-künstlichen und bedrohlich-dunkel-kalten Art und Weise ab. Aber es geht auch heimelig; und wer hätte es gedacht, dass das in den Räumen der klassischen Moderne der Fall ist, die ja ständig die Konventionen von Neuem umgeworfen haben. Aber vielleicht hat man sich heute an Kandinsky, Picasso und Co. so gewöhnt, dass deren Formbrüche nur noch über dem Kaminfeuer hängend vorstellbar sind…. Jedenfalls macht es der Teppichboden, dass ich mich behaglich aufgehoben fühle, und die geringe Zahl an anderen Besuchern, denen ich begegne. So ist es still. Das Ticken der Luftfeuchtemesser wird vom Teppichboden leicht absorbiert, sodass ich das Zirpen von Grillen tagträume. In vollem Bewusstsein verrinnt die Zeit und hilft beim Sichversenken in den Moment. Was meine ich damit? Man stelle sich selbst in einem sonst menschenleeren Raum vor. Der Körper ruht in der perfekten Polsterung eines Sessels, dessen kühles Leder die geistige Aufmerksamkeit aufrecht erhält, und vor einem hängen sechs Bilder von Paul Klee. Obwohl alle kleinformatig sind – die Kantenlängen sind unter einem Meter – wächst der Blick auf das Märchenhaft-Fremde-Rätselnde der Gemälde ins Unendliche und geht nie aus.

 

Picasso ist auch vertreten – und zwar umfassend. D. h. die verschiedenen Werkphasen geben einen Eindruck, wie vielseitg-prägend Picasso war – aus meiner Sicht ein wertvolles Beispiel dafür, dass der äußerste, unbedingte Ausdruck eines Menschen sich im Leben durchaus mehrere Male glaubwürdig ändern kann. In einem theaterdunklen Raum tanzen auf einer kreisrunden Bühne noch immer die Kostüme des Oskar Schlemmer das Triadische Ballett. Die in den 1920er Jahren gefertigten Kostüme führen den menschlichen Körper auf geometrische Formen zurück, die Individualität jeder Figur bleibt aber erhalten.

Disclaimer: Alle Aufnahmen sind zu privaten Zwecken gemacht worden; die Staatsgalerie Stuttgart bzw. der/die Künstler_in oder deren Vertreter_in hält weiterhin das Copyright des Abgebildeten.

Zeitereignisse – Mai 2018

Die USA verlassen das sogenannte Iran-Nuklearabkommen, das weiterhin zwischen dem Iran, Russland, Großbritanien, Frankreich, China, Deutschland und der Europäischen Union besteht. Der Inhalt des Abkommens umfasst die Reduzierung der Anreicherung nuklearen Materials und der Zulassung von Kontrollen auf Seiten des Irans und die Beendigung von Sanktionen gegen den Iran auf Seiten der anderen Parteien.

Die US-Botschaft wird als erste diplomatische Vertretung in Jerusalem überhaupt eröffnet. Seit der Ankündigung Ende März sind bei Protesten in Gaza mehrere palästinensische Anhänger umgekommen. Die Proteste addressieren auch das Recht auf Rückkehr von palästinensischen Arabern, die im Zuge der Staasgründung Israels 1948 flüchteten oder vertrieben worden waren, sowie die Land-, See- und Luftblockade des Gazagebietes durch Israel und Ägypten.

Der Streamingdienst Netflix entscheidet, beim Filmfestival in Cannes keine Filme zu präsentieren. Das Filmfestival entschied zuvor keine Filme im Wettbewerb zuzulassen, die nicht in französischen Kinos ausgestrahlt werden.

In Bayern tritt das neue Polizeiaufgabengesetz in Kraft. Die Möglichkeit präventiver Maßnahmen durch die Polizei bei „drohender“ statt „konkreter“ Gefahr ist künftig auch bei Hinweisen auf Gefahren für Leib und Leben und andere Rechtsgüter möglich. Zuvor waren präventive Maßnahmen nur bei Verdacht auf terroristische Taten erlaubt. Weiterhin ermöglicht das Gesetz, Merkmale einer Person aus DNA-Proben abzuleiten sowie bei drohender Gefahr Pakete und Briefe sicherzustellen.

Die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union tritt in Kraft. Sie regelt die Verarbeitung personenbezogener Daten.

Die USA erheben Zölle auf Stahl und Aluminium aus der EU, Kanada und Mexiko. Die EU kündigt Gegenmaßnahmen an.

Das sind die Zeitereignisse für diesen Monat.

Was ist Geschichte? Wie entsteht sie? Geschichte bezieht sich auf Vergangenes ist aber auch immer gegenwärtig, denn vergangene Zeitereignisse werden im Jetzt zur Geschichte erklärt. Und umgekehrt: Teile der Geschichte können in Vergessenheit geraten. Geschichte ist auch abhängig von der Perspektive und daher keinesfalls eine objektive Tatsache. Was zur Geschichte erklärt wird, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Geschichte wird meistens von Geschichtsschreibern, Historikern oder Personen, die mit Macht ausgestattet sind, definiert. Was würde passieren, wenn ich selbst Geschichtsschreibung betreibe? Was ist das Ergebnis, wenn man beginnt, seine eigenen Zeitereignisse zu sammeln? Wird die daraus entstehende Geschichte sich mit der offiziellen Geschichtsschreibung decken? Werden Zeitereignisse, die man im Jetzt aufzeichnet, in der eigenen geschichtlichen Rückschau unwichtig sein?