Kunst in 0711

0711 ist die Telefonvorwahl von Stuttgart und gleichzeitig ein Markenbegriff für die Stadt. Dass für mich das Kulturleben ein Teil der Marke Stuttgarts ist, hat sich mal wieder am Besuch der Staatsgalerie gezeigt. Es geht dabei um Details mit eindrücklicher Wirkung wie frisch-grüner Noppenboden, gruftartig-spirituelle Räume in satt-dunklem Grau, bühnenhafte Inszenierung von Ballettkostümen, unendlichem Sichversenken in ledernen Sesseln.

Fangen wir sachlich an: Im Jahr 1843 wurde das erste Gebäude der Staatsgalerie fertiggestellt, das der König von Württemberg zur Beherbergung der Gemäldesammlung und der Kunstschule in Auftrag gegeben hatte. Woran ich mich immer wieder erfreue, ist der Anblick des Neubaus von James Stirling aus dem Jahre 1984. Die Wandfronten bestehen aus großen, sandfarbenen Steinblöcken und erzeugen bei mir die Wahrnehmung einer zwar harten aber warmen Außenhaut. Am Eingangsbereich wird die Wand durch ein Fensterfassade in Wellenform durchbrochen, die durch frisch-grüne Stahlträger gegliedert wird. Auf dem terrassiertem Gelände befinden sich noch weitere Elemente, deren Material stahlartig ist – in rot, blau und pink – und aus einer industriellen Produktion zu kommen scheinen, wie die Geländer oder das Dach vor den Eingangstüren. Im Empfangsbereich begrüßt dann der Noppenboden wieder im frischen Grün, der mich im besten Sinne an Legosteine erinnert. Zusammen ist das als herausragendes postmodernes Beispiel in den Architekturkanon eingegangen.

Vor ein paar Jahren war die Sammlungspräsentation noch enthistorisiert, sodass mittelalterliche Altäre neben abstrakter Nachkriegskunst zu hängen kamen. Aktuell wird wieder chronologisch durch die Sammlung geführt – und zwar vom 14. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Die Hängung ist aus meiner Sicht optimal, was das Verhältnis der Größe der Bilder zur ihrer Menge im Raum angeht  – also keine überhäufte Hängung von Riesengemälden à la Louvre. Und damit ergibt sich die Basis für viele der besten – das heißt stimmigen – Eindrücke von Kunstwerken in Museumsräumen, die ich je hatte.

Wenn man den Rundgang am Berührungspunkt des alten und neuen Baukörpers beginnt – wieder eine in grüne Stahlträger gefasste Glasfassade – dann trifft man zuerst auf eine Serie von Rückenakten von Matisse: Bronzeplatten, die durch unterschiedliche Abstraktionsgrade das bildhauerische Entstehen (oder Verschwinden) eines Rückenreliefs zeigen. An diesem Punkt empfehle ich tatsächlich chronologisch vorzugehen. Dann nimmt man den symbolisch nachzuvollziehenden Weg aus Räumen des ausgehenden Mittelalters in dunkler Wandfarbe und dezent beleuchtet gehalten in die weißwandigen Räume der Gegenwart im postmodernen Bauteil des Museums. Aber qualitativ beschreibt dieser Gang keinen Fortschritt, denn außergewöhnlich gute Eindrücke bestehen in jedem Epochenabschnitt. Denn sprach ich gerade von dunkler Wandfarbe im altdeutschen Teil des Erdgeschosses, so meine ich ein satt-dunkles Grau, das mit der dezenten Beleuchtung eine sakrale Atmosphäre erzeugt: nicht monumental-kathedralenhaft, sondern eher gruftartig-spirituell und dabei großartig durch die Perspektive der nacheinander folgenden Räume, was ich als eine unaufdringlich gute Art der Präsentation von mittelalterlich-sakraler Kunst empfinde.

Auf Ungewöhnliches trifft man dann noch im ersten Geschoss des alten Bauteils der Staatsgalerie. Ein ganzer Raum zeigt die Gemälde des Perseus-Zyklus von Edward Burne-Jones. Der war ein Vertreter der Präraffaeliten, von denen es in Deutschland nicht viele Werke zu sehen gibt. Kennzeichnend für die Präraffaeliten ist eine mittelalterliche Mal- bzw. Darstellungsweise. Und so bildet Burne-Jones in den 1880er Jahren Szenen aus dem antiken Perseus-Mythos in einer dekorativ-künstlichen und bedrohlich-dunkel-kalten Art und Weise ab. Aber es geht auch heimelig; und wer hätte es gedacht, dass das in den Räumen der klassischen Moderne der Fall ist, die ja ständig die Konventionen von Neuem umgeworfen haben. Aber vielleicht hat man sich heute an Kandinsky, Picasso und Co. so gewöhnt, dass deren Formbrüche nur noch über dem Kaminfeuer hängend vorstellbar sind…. Jedenfalls macht es der Teppichboden, dass ich mich behaglich aufgehoben fühle, und die geringe Zahl an anderen Besuchern, denen ich begegne. So ist es still. Das Ticken der Luftfeuchtemesser wird vom Teppichboden leicht absorbiert, sodass ich das Zirpen von Grillen tagträume. In vollem Bewusstsein verrinnt die Zeit und hilft beim Sichversenken in den Moment. Was meine ich damit? Man stelle sich selbst in einem sonst menschenleeren Raum vor. Der Körper ruht in der perfekten Polsterung eines Sessels, dessen kühles Leder die geistige Aufmerksamkeit aufrecht erhält, und vor einem hängen sechs Bilder von Paul Klee. Obwohl alle kleinformatig sind – die Kantenlängen sind unter einem Meter – wächst der Blick auf das Märchenhaft-Fremde-Rätselnde der Gemälde ins Unendliche und geht nie aus.

 

Picasso ist auch vertreten – und zwar umfassend. D. h. die verschiedenen Werkphasen geben einen Eindruck, wie vielseitg-prägend Picasso war – aus meiner Sicht ein wertvolles Beispiel dafür, dass der äußerste, unbedingte Ausdruck eines Menschen sich im Leben durchaus mehrere Male glaubwürdig ändern kann. In einem theaterdunklen Raum tanzen auf einer kreisrunden Bühne noch immer die Kostüme des Oskar Schlemmer das Triadische Ballett. Die in den 1920er Jahren gefertigten Kostüme führen den menschlichen Körper auf geometrische Formen zurück, die Individualität jeder Figur bleibt aber erhalten.

Disclaimer: Alle Aufnahmen sind zu privaten Zwecken gemacht worden; die Staatsgalerie Stuttgart bzw. der/die Künstler_in oder deren Vertreter_in hält weiterhin das Copyright des Abgebildeten.

Wieder mal im Frankfurter Städel

Der Vorhang im Städel hebt sich immer wieder von Neuem. Vor allem geht der Bick heute auf Aspekte bei der Austellung von Skulpturen: Zum einen haben Skulpturen verschiedene Schauseiten und können daher verschiedene Eindrücke beim Betrachter gleichzeitig hervorrufen. Zum anderen leben Skulpturen (viel mehr als Gemälde) vom Licht, das auf die Oberfläche fällt und das je nach Werkstoff den Charakter ihrer Materialität (z. B. Masse/Leichtigkeit) bestimmt.

Neben dem Licht interagieren Skulpturen mit ihrer Umgebung, die mehr oder wenig Raum hergeben kann und teilweise erst durch den freien Himmel begrenzt ist. In Museen ist gerade die Nachbarschaft mit den Gemälden interessant. Der Bezug zwischen Skulptur und Gemälde im Raum kann mit der Kameralinse eingefangen werden. Im Folgenden ein paar Impressionen der Städel-Sammlung aus dem Juli 2016.

Bronze und Marmor begegnen der Leinwand:

Sünde, Unschuld und Verrat:

Und das Städel kann auch mit Neuerwebungen aufwarten: z. B. Franz Radziwills „Das rote Flugzeug“.

Wenn man zur Gegenwartskunst hinunter in den Keller steigt, betritt man den „White Cube“ des Städels. Nach der Theorie von Brian O’Doherty soll die Austellungsarchitektur soweit wie möglich in den Hintergrund treten, damit die ausgestellten Kunstwerke „neutral“ betrachtet werden können.

Der „White Cube“ ist teilweise mit Architekturelementen verbrämt:

Auch in der Gegenwartskunst treffen sich Skulptur und Malerei:

Skulptur und Malerei in Einem:

Zum Schluss noch reine, gegenständliche Malerei

Disclaimer: Alle Aufnahmen sind zu privaten Zwecken gemacht worden; das Städel bzw. der/die Künstler_in oder deren Vertreter_in hält weiterhin das Copyright des Abgebildeten.

Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden

Letztens haben wir uns mal den frisch restaurierten Teil der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden angeschaut. Die Gemäldegalerie ist in einem Flügel des Zwingers untergebracht, der von Gottfried Semper gestaltet wurde. Zur Einstimmung hatten wir deshalb zuvor im Restaurant des Dresdner Schauspielhauses, was einen großartigen Blick auf den Zwinger bietet, gegessen.

Vorne weg: Die Sammlung ist auf jeden Fall in der weltweiten Spitzenklasse angesiedelt (u. a. ablesbar an den mit großen Oh und Ah durch die Räume rauschenden Besuchergruppen aus Japan), allerdings hat uns die Präsentation nicht all zu sehr inspiriert. Die Hängung war zwar nach Zeit und Sujets gruppiert, es waren jedoch keine thematische Erläuterungen für die einzelnen Räume oder Bilder angebracht. Trotzdem hatten wir einigen Spaß die international bekannten Knaller der Sammlung zu entdecken oder Bilder aus Gs Jugenderinnerung.

Entstanden ist die Gemäldesammlung unter August dem Starken (1670-1733) und seinem Sohn Friedrich August II. vor allem durch den Kauf von Werken aus der Sammlung Francesco III., Herzog von Modena. Dies erklärt auch den Schwerpunkt der Dresdner Gemäldesammlung auf italienische Werke der Renaissance, des Manierismus und des Barocks.

Die folgenden Gemälde haben uns am besten gefallen. Wir haben keine Fotos gemacht, die hochauflösenden Bilder kann man wunderbar ergoogeln.

Der Marienaltar von Jan van Eyck (1437): Im mittleren Teil zeigt der Altar im weiten, roten Gewand die thronende Maria, die Jesus dem Erzengel Michael (mit bunten Flügeln) und dem Stifter präsentiert. Maria ist zwischen zwei Säulenreihen dargestellt, was die räumliche Plastizität der Szene verstärkt. Van Eyck ist für die Darstellung von Materialien berühmt. Hier sind es vor allem die Stoffe des Baldachins und der Teppiche sowie das Bodenmosaik, die trotz der geringen Größe des Mittelbildes (33,1 × 27,5 cm) detaillierte Muster zeigen. Altäre sind für die persönliche oder öffentliche Andacht angefertigt worden. Die Innenseiten wurden nur zu bestimmten Anlässen gezeigt. Die im zusammengeklappten Zustand zu sehende Außenseite des Altars zeigt die Verkündungsszene in Grisailletechnik (leider steht der Altar in Dresden nicht frei, so dass die Außenseite praktisch nicht zu sehen ist). Grisaille verwendet nur Weiß, Schwarz und Grau als Farben, wodurch van Eyck die Illusion (Tromp l’oeil) von Skulpturen erschafft. Im geschlossenen Zustand scheint der Altar also Teil der Wand geworden zu sein.

Raffaels Sixtinische Madonna (1512) ist der internationale Hit der Sammlung. Jeder kennt wohl die beiden Putten am unteren Bildrand, die schon seit dem 19. Jahrhundert separat vermarktet werden. Das Gemälde ist sehr prominent gehängt. An der Wand, die das Ende einer Gangflucht von mehreren Räume bildet, kann man es schon von Weitem immer wieder sehen. Die Darstellung Marias ist allerdings beeindruckend. Ihre nackten Füße berühren eine Wolke. Sie befindet sich also im Himmel (man kann bei genauem Hinschauen die himmlischen Heerscharen erkennen). Man kann sie durchaus als schön empfinden. Aber vor allem strahlt sie eine unvergleichliche Ruhe aus sowie eine Balance zwischen Standhaftigkeit (fest im Glauben) und Leichtigkeit (Milde des Glaubens). Insgesamt wirkt sie äußerst souverän. Unterstützt wird das sicherlich durch die Inszenierung: Raffael will uns zu verstehen geben, dass wir auf die Madonna blicken, nachdem gerade der schwere, grüne Vorhang weggezogen wurde. Das Gemälde ist übrigens im Auftrag des Papstes zur Feier des Sieges über die Franzosen entstanden. August III. hat es erwerben können, da die Besitzer eine Finanzierung für die Sanierung ihres Klosters benötigten. Neben den Putten sind noch zwei flankierende Personen dargestellt, die interessanterweise alle auf unterschiedliche Weise im (Blick-)Kontakt miteinander stehen und den Betrachter mit einbeziehen.

Giorgiones/Tizians Schlummernde Venus (1510) hat selbst heute noch eine stark erotische Wirkung. Ein nackte Frau liegt schlafend über die gesamte Bilddiagonale hinweg gestreckt, während die Hand auf ihrer Scham ruht. Sicherlich hilft es zur Kühlung des Gemüts (der Renaissance-Menschen), dass uns gesagt wird, eine Göttin – nicht irgendeine Frau – ruhe hier. Und es ist nicht irgendeine Göttin, sondern Venus, die Göttin der Schönheit. Gezeigtes und Benanntes sind also konform. Und trotzdem: so nackt in der (arkadischen) Landschaft, im recht realistisch gemalten Gras zu liegen. Ist das Leichtsinn oder göttliche Erhabenheit? Oder schläft sie gar nicht und lauert sogar? Und der Maler Giorgione hat wahrscheinlich seine Liebe zu einer Frau unsterblich machen wollen, in dem er ihr Portrait festhält – mit Baumstumpf als Symbol für das Leben und den Tod.

Correggios Heilige Nacht (1522/1530): Es ist Nacht und wir bestaunen das gerade im Stall geborene Jesuskind in den Armen seiner Mutter. Die Szenerie ist illuminiert mit hellem Licht, das Jesus bescheint. Oder geht das Licht doch von Jesus selbst aus und erhellt Marias Gesicht? Der Heiland als Sendbote, von dem alles Gute ausgehen wird wie Lichtstrahlen, welche auch die finsterste Nacht durchdringen. Jedenfalls können alle Beteiligten die Szenerie gut sehen: die Hirten, Magd, Joseph, die Tiere des Stalls und auch die Engel im Himmel, die sich von links oben ins Bild schieben. Aber wo sind die heiligen drei Könige aus dem Morgenland? Der Aufbau des Bildes ist jedenfalls auf Dramatik aus. In Dresden hängt das Gemälde weithin sichtbar am Ende einer Flucht von Räumen.

Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster von Jan Vermeer (1657): Dessen Bilder erzählen immer eine Geschichte, deren Anfang und Ende von unserer Phantasie ergänzt werden muss. Der Titel beschreibt den dargestellten Moment. Und doch ist da mehr. Vordergründig ist eine Obstschale dargestellt, deren Inhalt sich teilweise auf den Tisch verteilt hat. Der Brief traf wohl überraschend ein. Jeder fragt sich, was in ihm steht und von wem er kommt. Oder ist das nicht wichtig und Vermeer wollte uns nur den ach zu alltäglichen Moment des Erhalts von Neuigkeiten darstellen? Immerhin fühlen wir uns der Szene sehr nah. Wir können den Stoff der Bettdecke fühlen und nehmen die Spiegelung im Fenster als Anwesende wahr. Und doch: wir wissen nicht, was sich hinter dem nicht ganz vorgezogenen Vorhang verbirgt. Und wir wissen nicht, was die Lesende sieht, wenn sie aus dem Fenster blickt – außer Hoffnung?

Rembrandt von Rijn, Selbstbildnis mit Saskia  (1635/38) oder Rembrandt und Saskia im Gleichnis vom verlorenen Sohn: Zum einen zeigt uns Rembrandt die Beziehung zu seiner Frau Saskia. Uns zugewandt können wir sehen, dass beide glücklich sind. Es liegt sogar etwas Frivolität in der Luft, da Rembrandt den Rock von Saskia vor unseren Augen hebt. Rembrandt erhebt sein Glas, um uns zuzuprosten. Die Stimmung kippt, wenn wir in den Hintergrund blicken. Dort sehen wir eine Fasanenpastete. Der Fasan ist ein Symbol für Schönheit aber auch für Stolz und Eitelkeit. Und so zeigt sich uns Rembrandt zum anderen als der verlorene Sohn der biblischen Erzählung. Der wird als Zweitgeborener vom Vater ausgezahlt und zieht in die Ferne. Dort gibt er all sein Geld aus. In diesem Moment befindet sich Rembrandt. Doch der verlorene Sohn kehrt zu seinem Vater zurück und wird glücklich wieder aufgenommen.

Jan Davidszoon De Heems Früchte neben einem Blumenglas (1670/72) sind ein typisches Beispiel für die Stillleben der niederländischen Malerei. Ganz in der Tradition van Eycks ist die materielle Beschaffenheit des Dargestellten äußerst genau wiedergegeben: Beispielsweise spiegelt sich im Blumenglas ein Fenster, und beschreibt somit gleichzeitig Spiegelung und Durchsichtigkeit als Charakteristika von Glas. Die Farbigkeit der Blumen wird verstärkt durch den Kontrast des fast völlig schwarzen Hintergrunds. Als zusätzlichen Effekt kann man alle Tiere suchen, die sich im Bouquet verstecken – ein klassisches Wimmelbild.

La belle chocolatière de Vienne (1743/45), bekannt als das Schokoladenmädchen, von Jean-Étienne Liotard ist offensichtlicherweise in Wien, in Pastelltechnik, entstanden. Vergleichbar mit Raffaels Putten ist das Bild zu einer wirtschaftlich genutzten Berühmtheit geworden. Nachdem ein amerikanischer Geschäftsmann auf der Durchreise das Bild zum Markenzeichen seines Kakaoprodukts gemacht hatte, sind ihm einige andere gefolgt, indem sie ähnliche Darstellungen von Mädchen mit einem Kakao auf einem Tablett für ihre Produkte nutzten.

Zum Schluß noch mal ein Kunsthit, mit dem Dresden verbunden wird. Es sind die Veduten von Bernardo Bellotto (aka Canaletto). Bellotto stammt aus Venedig (man sagt, dass das besondere Licht der Stadt, den Farbstil der Maler beeinflusst) und darf nicht mit seinem Onkel G. A. Canal verwechselt werden, der ebenfalls Canaletto genannt wird und Veduten von Venedig anfertigte. Bellotto stieg also in die Fußstapfen seines Onkels und lieferte für mehrere europäische Höfe, darunter Dresden, Wien, München und Warschau, Stadtansichten. Bellotto war Hofmaler in Dresden und konnte sich anhand der dort vorhandenen Gemäldesammlung weiterbilden. In Dresden wird anhand der Veduten besonders deutlich, was konservatorische Arbeit in Museen bedeuten kann. Die Gemälde sind fast vollständig ihrer Farbigkeit beraubt, da sie in einer Galerie unter starker Sonneneinstrahlung stehen. Die Zeiten überdauern wird aber sicherlich der „Canaletto-Blick“: Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke… .

Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin

Wir haben uns an einem dunklen Wintertag kontemporäre Kunst aus der Sammlung von Friedrich Christian Flick im Hamburger Bahnhof angeschaut.

Im zentralen Raum – der ehemaligen „Wartehalle“ – sind zwei Installationen ausgestellt: Zum einen Paul McCarthys Saloon Theater – Besucher betreten einen Holzbau, der in mehrere Räume unterteilt ist – in den Räumen werden Pornos an die Wände und Decken projeziert, die in der Szenerie von Cowboy-Filmen spielen – die Räume sind niedrig, containerartig – der Boden und die Wände sind schräg – Unwohlsein entwickelt sich schnell.

Zum anderen Richard Jacksons 5050 Stacked Paintings – Bilder befinden sich nicht (mehr) an der Wand sondern sind aufeinander gestapelt, und bilden als ansteigende Wände einen spiralförmigen Gang, der den Besucher zum Zentrum geleitet – die Leinwand wird zur Skulptur – jede Leinwand wurde vom Künstler selbst gefertigt – an einer Stelle findet sich ein hängengebliebener Arbeitshandschuh als Zeuge des Schaffensprozess.

In den anschließenden Hallen finden sich unter anderen diese Werke:

Jason Rhoades, A Few Free Years – in zwei Reihen aufgestellte dröhnende Spielautomaten durch einen schmalen Mittelgang getrennt – Erstaufstellung war 1998 in der Wiener Secession unterhalb des Beethovenfrieses von Gustav Klimt – an einem Baugerüst über den Automaten hängen Einzelteile der Reproduktion des Klimtwerks herum – die Installation spottet dem Freiheitsgehalt/-anspruch der Kunst („Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“).

Dieter Roth/Björn Roth, Gartenskulptur – riesige, eine ganze Halle einnehmende Installation aus unter anderem Pflanzen, Elektronikgeräten, Lebensmitteln, Kleidungsstücken, die er über Jahre hinzufügte – Recycling und Verfall – Kunst als eines sich „fortwährend veränderndes, vergängliches organisches Gebilde“ (Urszula Usakowska-Wolff).

Thomas Schütte, The Laundry – Holzmodelle von Waschmaschinen und über Wäscheleinen gehängte Stoffe mit (Sinn-)Sprüchen – eine alltägliche Situation wird mit Bedeutung aufgeladen.

Katharina Fritsch, Messekoje mit vier Figuren –  religiöse Verehrung trifft auf Konsum –  Waren als quasi-religiöse Gegenstände oder der Glauben als etwas Veräußerbares.

Wolfgang Tillmanns, truth study centre – Kollage aus eigenen Fotos, Auszügen aus Zeitungen, Büchern und anderen Dingen, die auf Tischen gezeigt werden – ausgestellt ist die Macht absoluter Wahrheiten (Dogmen, Fundamentalismus, Ideologie)  – die Ansammlung des Materials lässt vielfältige inhaltliche Bezüge zu: Vielfältigkeit – politisch aktivistische Installation: Wahrheit wird an ihrem Absolutheitsanspruch getestet.

Rodney Graham, School of Velocity: in der Mitte steht ein Flügel, an den Wänden Blätter einer Partitur mit jeweils einer markierten Note – der Flügel spielt Carl Czernys Schule der Geläufigkeit op. 299 – der zeitliche Abstand zwischen den gespielten Noten wird immer größer: Entschleunigung.

Bruce Nauman, Room with My Soul Left Out, Room That Does Not Care –  begehbarer, dreidimensionaler Gang in Form eines Kreuzes – die Installation ist in einer nicht beheizten Halle aufgestellt – die Gänge sind schwach mit orangenen Neonlicht illuminiert – Bewegungen erzeugen blechernen Hall, da die Wände aus Stahl sind – Kälte, Akustik und Dunkelheit bestärken das beklemmende Gefühl.

Joseph Beuys, ich kenne kein Weekend – Reclam-Ausgabe der Kritik der reinen Vernuft von Kant und eine Flasche mit Maggiewürze: eines der vielen Multiples von Beuys -die beiden Objekte stehen in farblicher Korrespondenz (gelb und rot)  – hier im Museum unter Glas ausgestellt, teilweise aber auch im Aktenkoffer: sozusagen Picknickkoffer-  Bedeutungsassoziationen: geistige Würze/Grundnahrungsmittel, Ma(g)gie.

Joseph Beuys, Das Ende des XX. Jahrhunderts – im Raum verstreute Basaltblöcke – Trümmer/Knochen/Leichen – in jeden Basaltblock wurde ein konisches Loch gebort – der Bohrkern wird ausgegleitet mit Lehm und Filz zurückgelegt – Hoffnung durch die Erneuerung eines Teiles.

Joseph Beuys, Unschlitt/Tallow – Fettblöcke, die den toten Raum ausfüllen, der beim Bau einer Fußgängerbrücke in Münster enstanden ist – Fett als essentieller Stoff des Lebens, energiespeichernd und energiespendend, je nach Umgebungstemperatur fest oder flüssig.

Alte Nationalgalerie Berlin

Zu Besuch in der Alten Nationalgalerie in Berlin, in der Bildende Kunst vom Klassizismus bis zum Impressionismus – also grob gesagt das 19. Jahrhundert – zu sehen ist.

Das Museumsgebäude wirkt recht imposant: Auf einem hohem Sockel ruht ein Bau im Stil eines antiken Tempels (vergleiche das Parthenon in Athen). Heute betreten wir das Museum ebenerdig durch die Kutschendurchfahrt,  früher konnten die preußischen Herrscher über die Freitreppe den Kunstolymp betreten. Wenn man um das Gebäude herumgeht, erkennt man, dass der gegenüberliegende Abschluss des Baus eine Kirchenapsis darstellt. In der Tat war diesem Tempel-Schloss-Kirchen-Bau von Anfang an (1867) der Zweck eines Museums zugewiesen.

Im übrigen standen wir schon einmal kurz vor dem Eintritt in das Museum: An einem Sonntag, in sengender Hitze, im Sommer 2015 – nach einiger Zeit gaben wir das Warten auf. Nachträglich haben wir deshalb also nicht zum Rekordergebnis der historisch bestbesuchtesten Ausstellung des Hauses beigetragen…

Eines der Highlights der Sammlung sind auf jeden Fall die Werke von Caspar David Friedrich, dessen Mönch am Meer und Abtei im Eichwald gerade frisch restauriert worden sind. Da die Gemälde so viel gesehen sind, zeigen wir hier noch ein paar andere Impressionen.