Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden

Letztens haben wir uns mal den frisch restaurierten Teil der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden angeschaut. Die Gemäldegalerie ist in einem Flügel des Zwingers untergebracht, der von Gottfried Semper gestaltet wurde. Zur Einstimmung hatten wir deshalb zuvor im Restaurant des Dresdner Schauspielhauses, was einen großartigen Blick auf den Zwinger bietet, gegessen.

Vorne weg: Die Sammlung ist auf jeden Fall in der weltweiten Spitzenklasse angesiedelt (u. a. ablesbar an den mit großen Oh und Ah durch die Räume rauschenden Besuchergruppen aus Japan), allerdings hat uns die Präsentation nicht all zu sehr inspiriert. Die Hängung war zwar nach Zeit und Sujets gruppiert, es waren jedoch keine thematische Erläuterungen für die einzelnen Räume oder Bilder angebracht. Trotzdem hatten wir einigen Spaß die international bekannten Knaller der Sammlung zu entdecken oder Bilder aus Gs Jugenderinnerung.

Entstanden ist die Gemäldesammlung unter August dem Starken (1670-1733) und seinem Sohn Friedrich August II. vor allem durch den Kauf von Werken aus der Sammlung Francesco III., Herzog von Modena. Dies erklärt auch den Schwerpunkt der Dresdner Gemäldesammlung auf italienische Werke der Renaissance, des Manierismus und des Barocks.

Die folgenden Gemälde haben uns am besten gefallen. Wir haben keine Fotos gemacht, die hochauflösenden Bilder kann man wunderbar ergoogeln.

Der Marienaltar von Jan van Eyck (1437): Im mittleren Teil zeigt der Altar im weiten, roten Gewand die thronende Maria, die Jesus dem Erzengel Michael (mit bunten Flügeln) und dem Stifter präsentiert. Maria ist zwischen zwei Säulenreihen dargestellt, was die räumliche Plastizität der Szene verstärkt. Van Eyck ist für die Darstellung von Materialien berühmt. Hier sind es vor allem die Stoffe des Baldachins und der Teppiche sowie das Bodenmosaik, die trotz der geringen Größe des Mittelbildes (33,1 × 27,5 cm) detaillierte Muster zeigen. Altäre sind für die persönliche oder öffentliche Andacht angefertigt worden. Die Innenseiten wurden nur zu bestimmten Anlässen gezeigt. Die im zusammengeklappten Zustand zu sehende Außenseite des Altars zeigt die Verkündungsszene in Grisailletechnik (leider steht der Altar in Dresden nicht frei, so dass die Außenseite praktisch nicht zu sehen ist). Grisaille verwendet nur Weiß, Schwarz und Grau als Farben, wodurch van Eyck die Illusion (Tromp l’oeil) von Skulpturen erschafft. Im geschlossenen Zustand scheint der Altar also Teil der Wand geworden zu sein.

Raffaels Sixtinische Madonna (1512) ist der internationale Hit der Sammlung. Jeder kennt wohl die beiden Putten am unteren Bildrand, die schon seit dem 19. Jahrhundert separat vermarktet werden. Das Gemälde ist sehr prominent gehängt. An der Wand, die das Ende einer Gangflucht von mehreren Räume bildet, kann man es schon von Weitem immer wieder sehen. Die Darstellung Marias ist allerdings beeindruckend. Ihre nackten Füße berühren eine Wolke. Sie befindet sich also im Himmel (man kann bei genauem Hinschauen die himmlischen Heerscharen erkennen). Man kann sie durchaus als schön empfinden. Aber vor allem strahlt sie eine unvergleichliche Ruhe aus sowie eine Balance zwischen Standhaftigkeit (fest im Glauben) und Leichtigkeit (Milde des Glaubens). Insgesamt wirkt sie äußerst souverän. Unterstützt wird das sicherlich durch die Inszenierung: Raffael will uns zu verstehen geben, dass wir auf die Madonna blicken, nachdem gerade der schwere, grüne Vorhang weggezogen wurde. Das Gemälde ist übrigens im Auftrag des Papstes zur Feier des Sieges über die Franzosen entstanden. August III. hat es erwerben können, da die Besitzer eine Finanzierung für die Sanierung ihres Klosters benötigten. Neben den Putten sind noch zwei flankierende Personen dargestellt, die interessanterweise alle auf unterschiedliche Weise im (Blick-)Kontakt miteinander stehen und den Betrachter mit einbeziehen.

Giorgiones/Tizians Schlummernde Venus (1510) hat selbst heute noch eine stark erotische Wirkung. Ein nackte Frau liegt schlafend über die gesamte Bilddiagonale hinweg gestreckt, während die Hand auf ihrer Scham ruht. Sicherlich hilft es zur Kühlung des Gemüts (der Renaissance-Menschen), dass uns gesagt wird, eine Göttin – nicht irgendeine Frau – ruhe hier. Und es ist nicht irgendeine Göttin, sondern Venus, die Göttin der Schönheit. Gezeigtes und Benanntes sind also konform. Und trotzdem: so nackt in der (arkadischen) Landschaft, im recht realistisch gemalten Gras zu liegen. Ist das Leichtsinn oder göttliche Erhabenheit? Oder schläft sie gar nicht und lauert sogar? Und der Maler Giorgione hat wahrscheinlich seine Liebe zu einer Frau unsterblich machen wollen, in dem er ihr Portrait festhält – mit Baumstumpf als Symbol für das Leben und den Tod.

Correggios Heilige Nacht (1522/1530): Es ist Nacht und wir bestaunen das gerade im Stall geborene Jesuskind in den Armen seiner Mutter. Die Szenerie ist illuminiert mit hellem Licht, das Jesus bescheint. Oder geht das Licht doch von Jesus selbst aus und erhellt Marias Gesicht? Der Heiland als Sendbote, von dem alles Gute ausgehen wird wie Lichtstrahlen, welche auch die finsterste Nacht durchdringen. Jedenfalls können alle Beteiligten die Szenerie gut sehen: die Hirten, Magd, Joseph, die Tiere des Stalls und auch die Engel im Himmel, die sich von links oben ins Bild schieben. Aber wo sind die heiligen drei Könige aus dem Morgenland? Der Aufbau des Bildes ist jedenfalls auf Dramatik aus. In Dresden hängt das Gemälde weithin sichtbar am Ende einer Flucht von Räumen.

Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster von Jan Vermeer (1657): Dessen Bilder erzählen immer eine Geschichte, deren Anfang und Ende von unserer Phantasie ergänzt werden muss. Der Titel beschreibt den dargestellten Moment. Und doch ist da mehr. Vordergründig ist eine Obstschale dargestellt, deren Inhalt sich teilweise auf den Tisch verteilt hat. Der Brief traf wohl überraschend ein. Jeder fragt sich, was in ihm steht und von wem er kommt. Oder ist das nicht wichtig und Vermeer wollte uns nur den ach zu alltäglichen Moment des Erhalts von Neuigkeiten darstellen? Immerhin fühlen wir uns der Szene sehr nah. Wir können den Stoff der Bettdecke fühlen und nehmen die Spiegelung im Fenster als Anwesende wahr. Und doch: wir wissen nicht, was sich hinter dem nicht ganz vorgezogenen Vorhang verbirgt. Und wir wissen nicht, was die Lesende sieht, wenn sie aus dem Fenster blickt – außer Hoffnung?

Rembrandt von Rijn, Selbstbildnis mit Saskia  (1635/38) oder Rembrandt und Saskia im Gleichnis vom verlorenen Sohn: Zum einen zeigt uns Rembrandt die Beziehung zu seiner Frau Saskia. Uns zugewandt können wir sehen, dass beide glücklich sind. Es liegt sogar etwas Frivolität in der Luft, da Rembrandt den Rock von Saskia vor unseren Augen hebt. Rembrandt erhebt sein Glas, um uns zuzuprosten. Die Stimmung kippt, wenn wir in den Hintergrund blicken. Dort sehen wir eine Fasanenpastete. Der Fasan ist ein Symbol für Schönheit aber auch für Stolz und Eitelkeit. Und so zeigt sich uns Rembrandt zum anderen als der verlorene Sohn der biblischen Erzählung. Der wird als Zweitgeborener vom Vater ausgezahlt und zieht in die Ferne. Dort gibt er all sein Geld aus. In diesem Moment befindet sich Rembrandt. Doch der verlorene Sohn kehrt zu seinem Vater zurück und wird glücklich wieder aufgenommen.

Jan Davidszoon De Heems Früchte neben einem Blumenglas (1670/72) sind ein typisches Beispiel für die Stillleben der niederländischen Malerei. Ganz in der Tradition van Eycks ist die materielle Beschaffenheit des Dargestellten äußerst genau wiedergegeben: Beispielsweise spiegelt sich im Blumenglas ein Fenster, und beschreibt somit gleichzeitig Spiegelung und Durchsichtigkeit als Charakteristika von Glas. Die Farbigkeit der Blumen wird verstärkt durch den Kontrast des fast völlig schwarzen Hintergrunds. Als zusätzlichen Effekt kann man alle Tiere suchen, die sich im Bouquet verstecken – ein klassisches Wimmelbild.

La belle chocolatière de Vienne (1743/45), bekannt als das Schokoladenmädchen, von Jean-Étienne Liotard ist offensichtlicherweise in Wien, in Pastelltechnik, entstanden. Vergleichbar mit Raffaels Putten ist das Bild zu einer wirtschaftlich genutzten Berühmtheit geworden. Nachdem ein amerikanischer Geschäftsmann auf der Durchreise das Bild zum Markenzeichen seines Kakaoprodukts gemacht hatte, sind ihm einige andere gefolgt, indem sie ähnliche Darstellungen von Mädchen mit einem Kakao auf einem Tablett für ihre Produkte nutzten.

Zum Schluß noch mal ein Kunsthit, mit dem Dresden verbunden wird. Es sind die Veduten von Bernardo Bellotto (aka Canaletto). Bellotto stammt aus Venedig (man sagt, dass das besondere Licht der Stadt, den Farbstil der Maler beeinflusst) und darf nicht mit seinem Onkel G. A. Canal verwechselt werden, der ebenfalls Canaletto genannt wird und Veduten von Venedig anfertigte. Bellotto stieg also in die Fußstapfen seines Onkels und lieferte für mehrere europäische Höfe, darunter Dresden, Wien, München und Warschau, Stadtansichten. Bellotto war Hofmaler in Dresden und konnte sich anhand der dort vorhandenen Gemäldesammlung weiterbilden. In Dresden wird anhand der Veduten besonders deutlich, was konservatorische Arbeit in Museen bedeuten kann. Die Gemälde sind fast vollständig ihrer Farbigkeit beraubt, da sie in einer Galerie unter starker Sonneneinstrahlung stehen. Die Zeiten überdauern wird aber sicherlich der „Canaletto-Blick“: Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke… .