Es ist nicht das Schlechteste mit Bob Dylan im Ohr ein letztes Mal auf den Main Quad der Stanford University zu treten, ein letztes Mal den Memorial Court zu durchqueren und unter dem großen Tor hindurchzuschreiten, mit der Nachmittagssonne im Rücken der endlos scheinenden Palmenallee entgegen. „God Bless America“ für einen Moment. Goodbye!

Kosmopolitisches San Francisco

Am Wochenende war ich mal wieder in der Stadt unterwegs. Als erstes führte mich mein Weg den Nob Hill hinauf. Dort oben haben sich die Big 4 (die vier Eisenbahnbarone) im 19. Jahrhundert niedergelassen. Der Snob kann sich auch heute hier oben noch wohl fühlen: Thront dort doch der Pacific-Union Club, ein über hundert Jahre alter elitärer Treffpunkt für den feinen Herrn, der gleich gegenüber auch angemessen im monumentalen Palast des Mark Hopkins Hotel oder im altehrwürdigen The Fairmont  (hier hatten sich die meisten der Delegierten für die Gründungsversammlung der Vereinten Nationen gebettet) logieren kann. Will er es etwas geheimbündlerischer, kann er zur anderen Seite hin auch bei der Freimaurer-Zentrale von Kalifornien vorbeischauen.

Getrennt vom Pacific-Union Club durch einen kleinen Park streckt sich eine beträchtliche Reminiszenz zur europäischen Kultur in die Höhe. Die Grace Cathedral erinnert mit ihrer Fassade stark an Notre Dame in Paris – allerdings haben sie die Kirche hier in der neuen Welt einfach in die entgegengesetzte Richtung gebaut, so dass man nicht von einem klassischen Westwerk sondern von einem „Ostwerk“ sprechen muss. Sei’s drum: Innen entfaltet sich jedenfalls der gotische Gedanke in schönster Weise: Der Blick im hallenartigen Raum führt direkt weiter zum himmlischen Reich und das göttliche Licht flutet in allen Farben durch die Buntglasfenster. Schön wie hier amerikanische und europäische (gotische) Inszenatorik eins sind.

Weiter ging es Richtung Osten. Um die Ecke rum und ich befand mich in einer Demonstration. Europa wirft bis San Francisco seinen politischen Schatten. Pro-oppositionelle Ukrainer tun ihren Unmut über Janukowitsch vor dem deutschen Generalkonsulat kund. Leider verstehe ich nichts, denn Sprechchöre, Reden und auch Gesang sind auf Ukrainisch. Weiter gen Osten stolpere ich dann noch ins chinesische Neujahrsfest: Unglaubliche Menschenmassen in der Grant Avenue; fast nur Chinesen (oder auch andere Asiaten?) schieben sich an unzähligen Ständen vorbei. Zur Feier des Tages finde ich Überwindung, mir Dim Sum als Imbiss zu gönnen.

Basketball in der Halle gegenüber

Am Abend seit einer Ewigkeit mal wieder Basketball gespielt: Vier gegen Vier, half court. Nach einer Stunde war ich komplett geplättet. Bin mit zwei „Handicaps“ in die Partie gestartet: Brille auf der Nase und Schuhe am Fuß, die so rutschig waren, dass ich mich auf dem astrein lasierten Parkett wie eine Primaballerina auf dem Eis bewegte. In der Offensive hielt ich mich mit einem grauenhaften Airball (Wurf, der nicht mal den Ring berührt) und zwei Abstauber-Korblegern zurück. Meiner eigenen Betrachtung nach konnte ich mich in der Defensive ein wenig zum Big G (German) aufschwingen, da die 70 Prozent der Angriffe, die über meinen Gegenspieler gingen, nicht zu 70 Prozent der Punkte gegen uns wurden. Und bei den zwei Partien war ich jeweils im Siegerteam. Ehrlich gesagt glaube ich aber, dass die mich „stiff“ (den Hüftsteifen) nannten. Soviel zu meiner Form… Na ja, jetzt bräuchte ich jedenfalls ein Ermüdungs- äähhh – Entmüdungsbad und dann: Gute Nacht!

Fröhliche Weihnachten

Wir möchten euch allen ein ruhiges und fröhliches Weihnachtsfest wünschen. Genießt ein paar entspannte und Tage mit lieben Menschen und gutem Essen. Lest Bücher oder das Internet leer, unterhaltet euch, beschaut die Gegend oder die Menschen um euch herum. Genießt die Zeit zwischen den Jahren. Blickt auf das zurück, was hinter euch liegt und freut euch auf das, was 2014 kommt.

Oben die Interpretation eines Weihnachtsbaumes und unten noch ein paar Eindrücke der Deko aus unserem Viertel, die wir heute am frühen Abend bei einem Spaziergang aufgenommen haben.

Vielen Dank für’s Lesen, Kommentieren und in Gedanken bei uns sein!

Stadtwandern

Wenn man keine Lust mehr auf Wolkenkratzer oder Museen hat und sich beim Gedanken an Fahrradfahren nur müde sagt „och nö, nicht schon wieder“, dann wird es Zeit für einen kleinen Wandertag. Und den haben wir am letzten Sonntag gemacht. Mit Picknick und schönem Wetter.

Wir wandern in der Stadt und doch in der Natur: Der Weg führt einmal durch den Golden Gate Park, vorbei an Seenlandschaften und Bisons, hinunter zum Pazifik. Mittagspicknick mit Blick auf die Wellen und weiter die Küste hinauf in Richtung Land’s End und Golden Gate Bridge. Nach etwa 5 Stunden durch Wälder, Sand und Wind haben wir unglaublich abwechslungsreiche Natur gesehen.

Los geht es am östlichen Ende des Golden Gate Parks. Die ersten zwei Stunden verbringen wir damit, ihn einmal in Längsrichtung zu durchstreifen. Vorbei an Rollschuhläufern und Rhododendronbüschen geht es den John F. Kennedy Drive hinunter bis zum  zentralen Platz, an dem sich das De Young Museum und die Academy of Sciences befinden. Von hier aus gehen wir am japanischen Teegarten vorbei und zum Stow Lake.  Dann überqueren wir den Highway Number 1, folgen dem Middle Drive West hinunter und wechseln am Polofeld auf die nördliche Parkseite zum Bisons gucken. Die liegen jedoch hauptsächlich auf ihrer Wiese rum, wir sehen wenig von ihrer tatsächlichen Statur und Größe, so dass das weniger spektakulär ist, als gedacht. Wir folgen ein letztes Stück dem John F. Kennedy Drive, lassen den Golfplatz rechts liegen und jauchzen laut, sobald sich der Pazifik vor uns auftut.

Hier packen wir das mitgebrachte Picknick aus – Käsebrote und Taboulé-Salat – und sitzen bei erstaunlich wenig Wind gemütlich in der Sonne. Alternativ könnte man zum Mittagessen auch einen Abstecher zum Outerlands (4001 Judah St, San Francisco, CA 94122) machen und dort ein paar Sandwiches genießen.

Weiter geht’s zum Stand. In der Brandung laufen wir gen Norden, immer dem Cliff House entgegen. Weil die Gezeiten günstig sind und die Wellen noch knapp vor den Felsen aufhören, können wir das Cliff House unterhalb – also über den Strand – umlaufen. So erreichen wir ohne den Auf- und Abstieg über die Klippen die verfallenen Sutro Bäder, eine Anlage von Meerwasser-Schwimmbädern aus dem vorigen Jahrhundert. Hier müssen wir ein bisschen über die breiten Einfassungen balancieren, um den Weg zu erreichen, der weiter in Richtung Land’s End Park führt. Nach dem kurzen Aufstieg zum Parkplatz machen wir noch eine kleine Teepause beim Infohäuschen, das auch ein kleines Café beinhaltet.

Jetzt wollen wir endlich die Brücke sehen. Weiter geht es also, diesmal oben an der Steilküste entlang, in Richtung Norden. Jetzt bewegen wir uns für ein kurzes Stück auf dem California Coastal Trail, der sich auf insgesamt 1.200 Meilen über die gesamte Kalifornische Küstenlinie von Mexiko bis nach Oregon erstrecken soll und bisher etwa zur Hälfte erschlossen ist.

Das Stück, das wir auf ihm wandeln, ist sensationell. Sonnenuntergang, Blick auf die Brücke und dann Suche nach dem kleinen, versteckten Labyrinth am Eagle Beach (das auf dem Artikelfoto ganz oben). Als wir es finden, geht die Sonne gerade unter. Da die Dunkelheit naht, schaffen wir es nicht ganz bis zur Brücke, sondern kürzen über die Legion of Honor ab und steigen an der California Street wieder in den Bus.

Bis hierhin waren wir mit Pausen und viel gucken gut sechs Stunden unterwegs. Bis zur Brücke würde man wahrscheinlich noch etwa eineinhalb Stunden an der Küste entlanglaufen, so dass man für die gesamte Strecke je nach Geschwindigkeit etwa 7-8 Stunden (inkl. Pausen) einplanen sollte.

Brauereiführung: Anchor Steam Brewery

Wir waren letzte Woche um 10.00 Uhr morgens Bier trinken. Oder, wie unser Tourguide es treffend formulierte: „Irgendwo auf der Welt ist es sicher gerade 17.00 Uhr nachmittags.“ Also eine akzeptable Zeit für ein Glas Bier – nach einer Führung durch die Achor Steam Brewery.

In der Anchor Steam Brewery – der Anker Dampf Brauerei – wird direkt in unserer Nachbarschaft das über die Stadt hinaus bekannte „Anchor Steam Beer“ gebraut. Auf dem Weg zum Supermarkt kommen wir oft daran vorbei, sehen den Dampf und haben den Malzgeruch in der Nase. Die Idee, nach einer Tour Ausschau zu halten, lag also nicht fern.

Über die Homepage der Brauerei kann man (ausschließlich) telefonisch die Teilnahme an einer kostenlosen Tour durch die Brauerei reservieren. Die Touren werden momentan jeden Tag um 10.00 Uhr morgens und 13.00 Uhr mittags angeboten. Aber: sie sind begehrt. Für vier Personen muss man mit mindestens einen Monat Vorlauf rechnen, für mehr Personen oder für den begehrten Termin am Freitagnachmittag um 13.00 Uhr wartet man bis zu sechs Monate.

Die Tour selbst dauert etwa 45 Minuten, hinterher sollte man weitere 45-60 Minuten für die Probe der verschiedenen Biersorten einplanen. Schön ist, dass die Tour bei laufendem Betrieb mitten durch die Produktion führt. Wir bekommen nicht nur einen sehr authentischen Einblick, sondern entdecken erstaunt, wie wenig Platz es braucht, um jährlich 43 Millionen Flaschen Bier zu brauen. Und auch die Angestellten sehen täglich, was gerade gebraut wird: Büros, Labore, Proben- und Verkaufsraum sind alle um die zentral stehenden, großen Kupferkessel herum angeordnet.

Es gibt eine Reihe von Erklärungen dafür, wie der Name „Steam Beer“ zustande kommt. Unser Tourguide Bobby gibt die Folgende: Steam Biere seien charakteristische Biere der Westküste, die ohne elektrische Kühlung produziert werden. Das heiße Bier wurde nach dem Kochen der Würze auf das Dach der Brauerei gestellt, wo die Küstenwinde dafür sorgten, dass es sich rasch abkühlte und weithin der weiße Dampf sichtbar war. Aus der Not heraus entwickelt, hat Anchor es in der Zwischenzeit zu seinem Markenzeichen gemacht.

Nach dem Würzkochen in drei großen Kupferkesseln wird das Bier in offenen, viereckigen Edelstahltanks in einem belüfteten Raum aber ohne weitere technische Kühlung abgekühlt. Wegen der Fotos trödelte ich ein bisschen hinter der Gruppe her. Eine der vorbeigehenden Angestellten sammelte mich auf und nahm mich mit hinein in den Raum mit den großen Wannen. Darin riecht es völlig anders als im Reste der Brauerei: nach Blumenwiese und Apfelbaum, fruchtig, malzig, süß und überhaupt nicht nach Bier oder Alkohol.

Dem Biergemisch in den Wannen wird Hefe zugesetzt und dann findet offen – das ist unüblich – der erste Gärprozess statt. Dabei wird ein großer Teil des enthaltenen Malzzuckers zu Alkohol vergoren. Die zweite Gärung folgt danach in Edelstahlfässern. Das bei der Gärung entstehende Kohlendioxid entweicht erstmal in den offenen Wannen. Damit das Steam Beer trotzdem gleichmäßig perlt, wird das sogenannte „kräusening“ eingesetzt. Dem fertigen Bier im Fass wird nochmals ein wenig Stammwürze zugesetzt. Die darin enthaltenen Hefen sorgen dafür, dass die Gärung nochmals beginnt und sich das Kohlendioxid gleichmäßig im Bier verteilt.

Unsere Führung endet mit einem Blick in die Abfüllanlage, wo Bobby mit Hilfe von laminierten Schildern erklärt, welche Schritte durchlaufen werden und wie viel Bier pro Tag, Woche und Jahr produziert wird. Der Lärm verhindert weitere mündliche Erklärungen und neugierige Nachfragen werden auf die anschließende Verkostung verschoben.

Hier haben wir Gelegenheit, das gesamte Sortiment zu verkosten. Wir sagen uns, dass es sicher irgendwo auf der Welt gerade fünf Uhr nachmittags ist und legen los. Wenn ihr auf die Bilder der einzelnen Biere klickt, findet ihr die Einschätzungen von M, mir und M’s Papa. Unsere Top 3 waren: Steam Beer, Lager und Porter. Einen besonderen Platz erhält das diesjährige Christmas Ale, das wir aufgrund der enthaltenen Weihnachtsgewürze zwar außergewöhnlich, aber dennoch gut abgestimmt fanden. Das gibt’s dann hier zu Weihnachten.

Anchor Brewing Company, 1705 Mariposa Street, San Francisco, 94107

Palace of Fine Arts

Ein hauptsächlich von asiatischen Touristen besuchter Ort. Direkt an der Marina. Wer einen Spaziergang oder eine Spazierfahrt über Crissy Field zur Golden Gate plant, lohnt sich ein kurzer Abstecher.

Wir haben den Besuch mal wieder für einen Ausflug mit den Rädern genutzt. Da das Wetter nach wie vor sehr trocken und sonnig ist, kommen wir mit unsern zwei schnittigen Stadträdern ohne Schutzbleche noch immer gut zurecht.

Das Museum für asiatische Kunst, San Francisco

Bisher haben wir uns kaum Museen in San Francisco angeschaut. Das Wetter war einfach zu schön, um den Tag drinnen zu verbringen. Und das bekannteste Museum der Stadt, das SFMOMA, wird momentan umgebaut und fiel daher von Anfang an aus.

Die fallenden Temperaturen und den ersten Sonntag des Monats – freier Eintritt – nahmen wir aber nun zum Anlass, um uns ins Asian Art Museum of San Franciso aufzumachen. Das Museum befindet sich im Zentrum der Stadt, am Civic Center, neben dem Hauptgebäude der Bibliothek. Auf drei Stockwerken werden rund 2.500 Werke aller asiatischen Regionen gezeigt.

Wir arbeiten uns vom zweiten Stock bis zum Erdgeschoss vor und durchwandern nicht nur  6.000 Jahre Zeitgeschichte sondern auch alle großen asiatischen Regionen in eigenen Abteilungen. Wir sehen Buddha-Statuen aus Indien, Jadeschmuck aus China, Teppiche aus Tibet und Bhuthan und ein originalgetreu nachgebautes, funktionierendes japanisches Teehaus.

Der Schwerpunkt des Museums liegt jedoch auf koreanischer Kunst. Das Asian Art Museum ist das einzige Museum in den Vereinigten Staaten, dass dafür einen eigenen Kurator hat. Auch die laufende Sonderaustellung „In Grand Style“ im Erdgeschoss war Korea gewidmet. Darin werden Kunstwerke der Joseon Dynastie gezeigt. Unter anderem sehen wir meterlange Rollen, auf denen mit Bildern von Reitern, Pferden und Sänften, die Aufstellung von riesigen Paraden und Festzügen erst dokumentiert wurden.

Wir haben knapp drei Stunden im Museum verbracht und finden den Rundgang durch die einzelnen Abteilungen sehr gelungen. Sowohl für die Sammlung als auch für die Sonderausstellung gibt es Audioguides, die man sich kostenlos ausleihen kann. Außerdem werden stündlich Führungen (auch für Kinder) zu verschiedenen Teilen der Sammlung angeboten. Sollte man nicht an einem der eintrittsfreien ersten Sonntage des Monats ins Museum gehen, lohnt es sich, auf der Museumshomepage nach Veranstaltungen zu suchen, die oft im Eintrittspreis enthalten sind wie beispielsweise die koreanische Tee-Zeremonie.

Asian Art Museum, 200 Larkin Street, San Francisco, CA 94102.

Radwandern in San Francisco

Wie ich aus der Ferne mitbekommen habe, kippt gerade in Mannheim der Plan, die große Verkehrsader direkt an der Uni mit einem ordentlichen Radweg auszustatten. Ich rufe deshalb leise aus der Ferne: Nehmt euch ein Beispiel an San Francisco!

Wir radwandern ja schon seit einiger Zeit durch die Stadt. Und obwohl wir im täglichen Verkehr zahlenmäßig eine Randgruppe darstellen, fühlen wir uns eigentlich ganz wohl. Hier ein paar Beispiele wie Fahrradfahrer in San Francisco umsorgt werden: Zu aller erst, ja, es gibt verschiedene nummerierte Fahrradwege, die durch die Stadt führen. Das hätten wir vorher auch nicht gedacht. Und die Fahrradwege sind zum größten Teil sehr gut ausgeschildert. Weiterhin werden teilweise abgetrennt von den Autospuren eigene Fahrradspuren angeboten. Sie sind im satten grün auf dem Asphalt markiert (natürlich grün, die Farbe für Umweltbewusstsein und freie Fahrt ;-)).

Die Autofahrer scheinen nicht wie in Deutschland der natürliche Feind des Fahrradfahrers zu sein (und im Übrigen die Radler wiederum auch nicht diejenigen der Fußgänger). Vielmehr läuft alles recht gemütlich ab. Durch die Rasterstruktur der Straßen kommt man alle hundert Meter an eine Kreuzung, die mit einem Stoppschild versehen verlangt, einen Moment innezuhalten. Als erster darf sich derjenige wieder bewegen, der auch als erster zur Kreuzung kam. Wir Fahrradfahrer indessen können die Kreuzungen gemütlich überrollen, bekommt man doch von jedem Autofahrer mit einer Hand- oder Kopfbewegung signalisiert, dass man gerne den Vortritt lässt. Und nicht häufig ist diese kleine non-verbale Kommunikation mit einem Lächeln verbunden. Wir sind uns allerdings noch nicht klar darüber, was hinter diesem netten Verhalten steckt: ein Eingeständnis, dass man sich doch auch mal etwas umweltbewusster die eine Meile durch die Stadt bewegen könnte; oder aber eine Form der stillen Verachtung: „Fahrt nur ihr armen Irren. Ihr könnt euch wohl kein Auto leisten“.

Wie schon erzählt, hat die Stadt zahlreiche Hügel, wobei jeder für sich teilweise heftige Anstiege hat. Unbedarftes Vorgehen kann schnell damit enden, dass man einen der Hügel mit letzter Kraft hochkeucht, im Vertrauen dann endgültig oben zu sein. Nicht selten gibt die Spitze des Hügels dann aber den Blick auf eine rasante Abfahrt und die nächste Maximalst-Steigung frei. Vorallem das Vorankommen in Ost-West-Richtung ist dadurch erschwert. Mitten in der Stadt wurde deshalb ein Zickzack-Kurs (Wiggle) über mehrere Blöcke hinweg ausgeschildert, der die zu überwindenden Höhenmeter in beide Richtungen fast auf null reduziert. Und damit man auch des Nachts keinen der mehreren Abzweige verpasst, befinden sich lichtreflektierende Markierungen auf der Straße.

Zuletzt kann man sogar sagen, dass die Stadt auch ein wenig stolz auf ihre Radfahrer ist. Heute haben wir auf der Market Street (eine der Hauptverkehrsadern) bemerkt, dass die hier durchkommenden Fahrradfahrer gezählt und mit einem Dank versehen werden. An dieser Stelle sind dieses Jahr wohl schon gut 350.000 Radler vorbeigekommen. Das sind immerhin über 1.000 pro Tag.

Wunden der Stadtplanung

Mir war das Viertel von Anfang ein Dorn im Auge. Wenn wir ab und zu nach Downtown müssen, dann führt unser Weg durch South of Market (SOMA). Als Fahrradfahrer ist das kein Spaß, denn die Gegend wird durchzogen von drei- bis vierspurigen Einbahnstraßen; Autos fahren dementsprechend schneller und mit dem Fahrrad ist abbiegen im fließenden Verkehr fast unmöglich.

Auch als Fußgänger kann man nicht so viel Schönes entdecken. Die Straßen sind gesäumt von flachen Häusern, die irgendwelchen Lagerzwecken dienen könnten, und Hochhäusern, die eine langweilige Mischung aus Glas und Beton darstellen. Dazwischen ducken sich ein paar Kneipen, die aber nicht wirklich einladend aussehen. Man hat nicht das Gefühl, dass hier jemand lebt. Neben den Leuten, die hier ihren Geschäften nachgehen, kommen wohl die meisten in dieses Viertel, um das San Francisco Museum of Modern Art (SFMOMA), das Yerba Buena Art Center oder das Moscone Kongresszentrum zu besuchen.

Diese recht klägliche Situation lässt sich erklären: In den 70er Jahren fand hier eine Neugestaltung (Redevelopment) statt. Die Stadtplaner sahen es als sinnvoll und lohnend an, die hier lebenden Arbeiter, Händler und sonstigen kleinen Leuten zwischen bescheidenen Hotels und Restaurants in die Randgebiete im Süden zu verpflanzen, um ein modernes, kommerzielles Zentrum zu entwickeln. Mir scheint, die Stadtentwicklung hat aus einem etwas zwielichtigen aber belebten Ort ab den 70ern einen ähnlich zwielichtigen nun aber auch recht toten Ort gemacht.

Solche Art von Redevelopment gab es im Übrigen etwas früher auch schon an anderer Stelle. Im Fillmore-Viertel (rund um die Fillmore Street) siedelten sich um die Jahrhundertwende nach und nach japanische Immigranten an. Im Zuge des Zweiten Weltkriegs wurden diese aber als Feinde in Internierungslager gebracht. Mit dem Kriegseintritt der USA erhöhte sich die Nachfrage nach Arbeitskräften drastisch, um in den Werften rund um die Bay Kriegsschiffe und U-Boote zu fertigen. Der Leerstand in Fillmore wurde somit recht schnell durch afro-amerikanische Familien, die aus dem Süden kommend Arbeit in der Rüstungsindustrie fanden, wieder aufgehoben. Fillmore entwickelte sich kulturell. In den vielen Nachtclubs beispielsweise traten in den 50er und 60er sämtliche Jazzgrößen auf.  San Francisco wurde zum Harlem des Westens. Das Redevelopment hat auch hier eher eine steinerne Wüste hinterlassen.

Im SOMA hat sich jedenfalls Widerstand in Form von Bürgerinitiativen gegen die Umsiedlung der Bewohner und die Neugestaltung  gebildet. Ein Ergebnis des Widerstands besteht noch heute. Ein paar verbliebene Bewohner konnten zwischen dem Beton etwas Raum für einen kleinen Garten retten. Es ist nicht übertrieben von einer Oase zu sprechen: Es ist kaum Straßenlärm zu hören. Das Grün der Natur in den Beeten setzt sich gegen die umliegenden Hochbauten ab. Mitten drin befinden sich Sitzgelegenheiten in der Sonne und die Pflanzen werden von älteren Menschen umsorgt. Es scheint, sie sind zufrieden und vergessen die Umgebung, solange sie jeden Tag die Möglichkeit haben, ihren Garten zu sehen.

Alice Street Community Garden, Lapu Lapu Street (between 3rd & 4th Streets and Folsom & Harrison), San Francisco, CA 94103.