Wunden der Stadtplanung

Mir war das Viertel von Anfang ein Dorn im Auge. Wenn wir ab und zu nach Downtown müssen, dann führt unser Weg durch South of Market (SOMA). Als Fahrradfahrer ist das kein Spaß, denn die Gegend wird durchzogen von drei- bis vierspurigen Einbahnstraßen; Autos fahren dementsprechend schneller und mit dem Fahrrad ist abbiegen im fließenden Verkehr fast unmöglich.

Auch als Fußgänger kann man nicht so viel Schönes entdecken. Die Straßen sind gesäumt von flachen Häusern, die irgendwelchen Lagerzwecken dienen könnten, und Hochhäusern, die eine langweilige Mischung aus Glas und Beton darstellen. Dazwischen ducken sich ein paar Kneipen, die aber nicht wirklich einladend aussehen. Man hat nicht das Gefühl, dass hier jemand lebt. Neben den Leuten, die hier ihren Geschäften nachgehen, kommen wohl die meisten in dieses Viertel, um das San Francisco Museum of Modern Art (SFMOMA), das Yerba Buena Art Center oder das Moscone Kongresszentrum zu besuchen.

Diese recht klägliche Situation lässt sich erklären: In den 70er Jahren fand hier eine Neugestaltung (Redevelopment) statt. Die Stadtplaner sahen es als sinnvoll und lohnend an, die hier lebenden Arbeiter, Händler und sonstigen kleinen Leuten zwischen bescheidenen Hotels und Restaurants in die Randgebiete im Süden zu verpflanzen, um ein modernes, kommerzielles Zentrum zu entwickeln. Mir scheint, die Stadtentwicklung hat aus einem etwas zwielichtigen aber belebten Ort ab den 70ern einen ähnlich zwielichtigen nun aber auch recht toten Ort gemacht.

Solche Art von Redevelopment gab es im Übrigen etwas früher auch schon an anderer Stelle. Im Fillmore-Viertel (rund um die Fillmore Street) siedelten sich um die Jahrhundertwende nach und nach japanische Immigranten an. Im Zuge des Zweiten Weltkriegs wurden diese aber als Feinde in Internierungslager gebracht. Mit dem Kriegseintritt der USA erhöhte sich die Nachfrage nach Arbeitskräften drastisch, um in den Werften rund um die Bay Kriegsschiffe und U-Boote zu fertigen. Der Leerstand in Fillmore wurde somit recht schnell durch afro-amerikanische Familien, die aus dem Süden kommend Arbeit in der Rüstungsindustrie fanden, wieder aufgehoben. Fillmore entwickelte sich kulturell. In den vielen Nachtclubs beispielsweise traten in den 50er und 60er sämtliche Jazzgrößen auf.  San Francisco wurde zum Harlem des Westens. Das Redevelopment hat auch hier eher eine steinerne Wüste hinterlassen.

Im SOMA hat sich jedenfalls Widerstand in Form von Bürgerinitiativen gegen die Umsiedlung der Bewohner und die Neugestaltung  gebildet. Ein Ergebnis des Widerstands besteht noch heute. Ein paar verbliebene Bewohner konnten zwischen dem Beton etwas Raum für einen kleinen Garten retten. Es ist nicht übertrieben von einer Oase zu sprechen: Es ist kaum Straßenlärm zu hören. Das Grün der Natur in den Beeten setzt sich gegen die umliegenden Hochbauten ab. Mitten drin befinden sich Sitzgelegenheiten in der Sonne und die Pflanzen werden von älteren Menschen umsorgt. Es scheint, sie sind zufrieden und vergessen die Umgebung, solange sie jeden Tag die Möglichkeit haben, ihren Garten zu sehen.

Alice Street Community Garden, Lapu Lapu Street (between 3rd & 4th Streets and Folsom & Harrison), San Francisco, CA 94103.