Wir waren letzte Woche um 10.00 Uhr morgens Bier trinken. Oder, wie unser Tourguide es treffend formulierte: „Irgendwo auf der Welt ist es sicher gerade 17.00 Uhr nachmittags.“ Also eine akzeptable Zeit für ein Glas Bier – nach einer Führung durch die Achor Steam Brewery.
In der Anchor Steam Brewery – der Anker Dampf Brauerei – wird direkt in unserer Nachbarschaft das über die Stadt hinaus bekannte „Anchor Steam Beer“ gebraut. Auf dem Weg zum Supermarkt kommen wir oft daran vorbei, sehen den Dampf und haben den Malzgeruch in der Nase. Die Idee, nach einer Tour Ausschau zu halten, lag also nicht fern.
Hauptgebäude der Anchor Brewing Company, 1705 Mariposa Street, San Francisco, 94107.
Schriftzug und Logo der Brauerei, Gebäudewand in der De Haro Street.
Logo der Brauerei an der Aussenwand des Gebäudes an der Ecke De Haro Street.
Über die Homepage der Brauerei kann man (ausschließlich) telefonisch die Teilnahme an einer kostenlosen Tour durch die Brauerei reservieren. Die Touren werden momentan jeden Tag um 10.00 Uhr morgens und 13.00 Uhr mittags angeboten. Aber: sie sind begehrt. Für vier Personen muss man mit mindestens einen Monat Vorlauf rechnen, für mehr Personen oder für den begehrten Termin am Freitagnachmittag um 13.00 Uhr wartet man bis zu sechs Monate.
Die Tour selbst dauert etwa 45 Minuten, hinterher sollte man weitere 45-60 Minuten für die Probe der verschiedenen Biersorten einplanen. Schön ist, dass die Tour bei laufendem Betrieb mitten durch die Produktion führt. Wir bekommen nicht nur einen sehr authentischen Einblick, sondern entdecken erstaunt, wie wenig Platz es braucht, um jährlich 43 Millionen Flaschen Bier zu brauen. Und auch die Angestellten sehen täglich, was gerade gebraut wird: Büros, Labore, Proben- und Verkaufsraum sind alle um die zentral stehenden, großen Kupferkessel herum angeordnet.
Beim Würzekochen: Hopfen hinzufügen, …
… gut umrühren …
… und den Arbeitsschritt genau protokollieren.
Hähne. Wir haben leider nicht gefragt, wozu genau die gut sind.
Gebraut wird in großen Kupferkesseln (Sudpfannen), die eigens dafür aus Deutschland importiert wurden.
Blick aus der Achor Steam Brauerei auf San Francisco Downtown.
Es gibt eine Reihe von Erklärungen dafür, wie der Name „Steam Beer“ zustande kommt. Unser Tourguide Bobby gibt die Folgende: Steam Biere seien charakteristische Biere der Westküste, die ohne elektrische Kühlung produziert werden. Das heiße Bier wurde nach dem Kochen der Würze auf das Dach der Brauerei gestellt, wo die Küstenwinde dafür sorgten, dass es sich rasch abkühlte und weithin der weiße Dampf sichtbar war. Aus der Not heraus entwickelt, hat Anchor es in der Zwischenzeit zu seinem Markenzeichen gemacht.
Nach dem Würzkochen in drei großen Kupferkesseln wird das Bier in offenen, viereckigen Edelstahltanks in einem belüfteten Raum aber ohne weitere technische Kühlung abgekühlt. Wegen der Fotos trödelte ich ein bisschen hinter der Gruppe her. Eine der vorbeigehenden Angestellten sammelte mich auf und nahm mich mit hinein in den Raum mit den großen Wannen. Darin riecht es völlig anders als im Reste der Brauerei: nach Blumenwiese und Apfelbaum, fruchtig, malzig, süß und überhaupt nicht nach Bier oder Alkohol.
Die erste Gärung erfolgt offen und luftgekühlt in großen Stahlwannen.
Offene Stahlwannen mit dem abgekühlten Stammwürze während der ersten Gärung.
Bierfässer im gekühlten Lager.
Flaschen in der Abfüllanlage.
Kronkorken mit dem kalifornischen Bären auf der Innenseite.
Dem Biergemisch in den Wannen wird Hefe zugesetzt und dann findet offen – das ist unüblich – der erste Gärprozess statt. Dabei wird ein großer Teil des enthaltenen Malzzuckers zu Alkohol vergoren. Die zweite Gärung folgt danach in Edelstahlfässern. Das bei der Gärung entstehende Kohlendioxid entweicht erstmal in den offenen Wannen. Damit das Steam Beer trotzdem gleichmäßig perlt, wird das sogenannte „kräusening“ eingesetzt. Dem fertigen Bier im Fass wird nochmals ein wenig Stammwürze zugesetzt. Die darin enthaltenen Hefen sorgen dafür, dass die Gärung nochmals beginnt und sich das Kohlendioxid gleichmäßig im Bier verteilt.
Unsere Führung endet mit einem Blick in die Abfüllanlage, wo Bobby mit Hilfe von laminierten Schildern erklärt, welche Schritte durchlaufen werden und wie viel Bier pro Tag, Woche und Jahr produziert wird. Der Lärm verhindert weitere mündliche Erklärungen und neugierige Nachfragen werden auf die anschließende Verkostung verschoben.
Die Produktpalette von Anchor Steam umfasst etwa 10 verschiedene Sorten.
Blick in den Verkostungsraum.
Der Verkostungsraum in der Brauerei ist voll mit Erinnerungsstücken und Fotos, welche die Geschichte der Brauerei nachzeichnen.
Unser Tourguide Bobby , der die Führung gemeinsam mit seinem Kollegen Joao gemacht hat – „We are here to entertain you guys.“
Hier haben wir Gelegenheit, das gesamte Sortiment zu verkosten. Wir sagen uns, dass es sicher irgendwo auf der Welt gerade fünf Uhr nachmittags ist und legen los. Wenn ihr auf die Bilder der einzelnen Biere klickt, findet ihr die Einschätzungen von M, mir und M’s Papa. Unsere Top 3 waren: Steam Beer, Lager und Porter. Einen besonderen Platz erhält das diesjährige Christmas Ale, das wir aufgrund der enthaltenen Weihnachtsgewürze zwar außergewöhnlich, aber dennoch gut abgestimmt fanden. Das gibt’s dann hier zu Weihnachten.
Anchor Steam Beer: Das Flagschiff-Bier und gleichzeitig das, was uns am besten schmeckt. Es ist wenig bitter, gleichzeitig nicht zu malzig und lässt sich sehr gut trinken. Es perlt und schäumt kaum.
California Lager: Ein Bier, das einem Kölsch ähnelt. Wenig Stammwürze, perlt sauer, schöner Schaum. Geschmacklich leicht bitter und kaum malzig.
Anchor Porter: Ein dunkles Bier, das dem deutschen Bockbier am ähnlichsten ist. Rauchiger Geschmack aber das (dunkel geröstete) Malz kommt dennoch sehr gut durch.
Christmas Ale 2013: Das Weihnachtsbier, das nur zwischen November und Januar verkauft wird und jedes Jahr ein anders gestaltetes Etikett bekommt. Dunkles Bier mit einem leichten Geschmack nach Weihnachtsgewürzen aber gute Balance zwischen Malz und Hopfen.
Zymaster: Ein Bier wie eine Limo. Sobald man die Nase ins Glas hängt, riecht es nach Fruchtsaft. Und beim Trinken setzt sich das fort, süß und fruchtig. Und damit ziemlich ungenießbar für uns.
Brekle’s Brown: Es sieht aus wie ein Malzbier, schmeckt aber nicht malzig-süß sondern eher malzig bitter.
Old Foghorn, Barley Wine Style Ale: Das ungewöhnlichste Bier der Verkostung. Mit einem Alkoholgehalt von 10%, einer deutlichen Karamellnote und ausgeprägter Süße, lässt es sich gut zu Desserts und Blauschimmelkäse kombinieren.
Anchor Brewing Company, 1705 Mariposa Street, San Francisco, 94107