Gelesen – gesehen – gehört #1

Corinna Belz, Gerhard Richter Painting (2011)

Gerhard Richter beim Auftrag der Farben auf die Leinwand, mit Borstenpinsel oder Kunststoffleisten. Gerhard Richter beim Besichtigen der Austellungsräume. Assistenten beim Mischen von Farben. Assistenten bei der Konzeption der Austellung. Das Geräusch des mit Farbe getränkten Borstenpinsel auf der Leinwand, das Raunen, wenn die Kunststoffleiste über die Leinwand gezogen wird. Gerhard Richter denkt nach. Gerhard Richter verändert Bilder. Gerhard Richter hält eine Pressekonferenz. Gerhard Richter im Gespräch mit Benjamin Buchloh: „Malen ohne Plan, aber zu wissen, wann es richtig ist.“

Meditative Anschauung künstlerischer Arbeit, in gewisser Weise die Entmystifizierung des Künstlers und die Erkenntnis: Der ist reich, der machen kann, was er will, der mit seinem Ausdrucksvermögen und seiner Stellung in der Welt zufrieden ist. Was können wir daraus lernen? Zumindest, dass es diesen Olymp gibt; den Weg dorthin aber kennen wir nicht.

Link zur Webseite des Films

Noch ein paar Tage auch in der ARD-Mediathek

Maya-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin

Schönheit liegt in den Augen desjenigen, der sie zu schätzen weiß, und sie zu betrachten, verwandelt unsere Gefühle und veredelt unsere Kräfte. Sie ist eine konzeptuelle Wahrnehmung, die mit allen Aspekten des Lebens in Verbindung steht. Und die Kunst ist eine ihrer Ausdrucksformen, sie ist ihre Sprache.

So beginnt die Ausstellung „Die Maya – Sprache der Schönheit“, die vom 12. April bis zum 07. August 2016 im Berliner Gropius Bau zu sehen ist. Sie ist die momentan größte Ausstellung von Maya-Skulpturen, die außerhalb Mexikos zu sehen ist. Diese Ausstellung zeigt Werke aus allen Phasen der Maya-Hochkultur des 3. bis 10 Jahrhunderts, beschränkt sich jedoch auf das Gebiet der Halbinsel Yucatan, des heutigen Mexikos. Als die ersten spanischen Eroberer die Halbinsel im 16. Jahrhundert erreichten, war die Kultur längst untergegangen. Warum, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

Die Ausstellung bemüht sich, eine große Bandbreite von Zeiten, Stilen und Funktionen zu zeigen, welche sich in der Kunst der Maya abbilden. Die Ausstellungsmacher gliedern die Werke in fünf zentrale Bereiche, die jeweils 1-2 Räume des Gropius-Baus umfassen:

  1. Der Körper als Leinwand
  2. Der bekleidete Körper
  3. Die Sprache der Steine
  4. Das Tier als Ebenbild
  5. Die Sprache der Farben (Die Maya nutzten etwa 30)
  6. Die Körper der Götter

Der Körper als Leinwand war der für uns aufwühlendste Teil der Ausstellung. Die Skulpturen zeigen, welche Veränderungen die Maya am eigenen Körper vorgenommen haben, um ihre soziale Zugehörigkeit und kulturelle Identität zu zeigen, und welche Schönheitsideale ihre Vorstellungen durchdrangen. Zum Beispiel haben sie die Köpfe von Neugeborenen mit Brettern geformt, Pubertierenden die Zähne abgeschliffen und Löcher gebohrt, um darin Steine einzulegen, kleine Kinder mit Wachskügelchen auf Höhe der Nasenwurzel zum Schielen gebracht, sich tätowiert, vernarbt und ihre Ohrläppchen durchstochen.

Der zweite interessante Ausstellungsteil – die Sprache der Steine – widmet sich dem Schriftsystem der Maya, den Hieroglyphen oder Glyphen. Das Schriftsystem ist aufgrund des Kalligrafiestils und der Komplexität ihrer Abbildungen elegant und einzigartig zugleich. Das Geheimnis der Maya-Schrift liegt darin, dass sie Bilderschrift (wie im Chinesischen) und Lautschrift (wie in unserem Schriftsystem) kombiniert, so dass eine Hieroglyphe ein ganzes Wort bezeichnen kann. Mittlerweile sind über die Hälfte der rund 400 bekannten Maya-Glyphen entschlüsselt. Die Maya halten mit den Inschriften im Stein bedeutende Ereignisse ihrer Geschichte und Religion fest.

Weiterhin beschreibt die Ausstellung weitere folgende Besonderheiten der Mayas:

  • Selbstopfer
  • der Tod als Übergang (zur Wiedergeburt)
  • besiegte Krieger werden als Gefangene dargestellt
  • Vorstellung von fünf Himmelsrichtungen
  • Götter zeigen sich in Tiergestalt
  • way, der animalische Begleiter eines Menschens, in dem man sich in der Nacht verwandeln kann

So interessant und klug zusammengestellt die Ausstellungsstücke sind – in der Ausstellungskonzeption selbst fallen uns einige Schwächen auf. Die Ausstellungsstücke werden zu großen Teilen in Vitrinen gezeigt, die am Rande des jeweiligen Raums nebeneinander aufgereiht sind. Das führt zum einen dazu, dass sich nur eine Fläche wirklich als Präsentationsfläche genutzt werden kann und wir uns mit den weiteren Besuchern vor den Vitrinen stauen. Die eher kleinen Räume und sehr klein geschriebenen Erklärungstafeln an den Wänden tragen zudem zum Schlangestehen bei.

Gleichzeitig ist die Ausstellung sehr dicht, für die ersten vier Räume brauchen wir fast eine Stunde und im fünften Raum kommt erst die erste Sitzgelegenheit. Dass das für viele Besucher zu lange ist, merkt man daran, dass sie voll besetzt ist.

Die Nummern für den Audioguide stehen relativ klein in der Nähe des jeweils ausgestellten Stückes innerhalb der Vitrine. Sie sind nur durch zwei geschlossene Klammern  gekennzeichnet. Das macht es schwer, sich im gesamten Ausstellungsraum zu orientieren und schnell die Stücke zu finden, für die eine Erklärung auf dem Audioguide verfügbar ist. Auch kommen die Audio-Erklärungen fast gänzlich ohne übergreifende Hinweise, z.B. zur Rolle der Religion oder den einzelnen Phasen der Mayakunst aus. Das Display des Audioguides ist nicht beleuchtet, was die einzelnen Tracks in der abgedunkelten Ausstellung schwer zu lesen macht. Zudem gibt es keine Möglichkeit zurückzuspulen und sich schnell einzelne Erklärungsteile ein zweites Mal anzuhören. Zu einem Preis von 4 Euro, zusätzlich zum Eintritt, ist das ziemlich armselig. Da auch viel auf den Tafeln erklärt wird, lohnt sich der Audioguide aus unserer Sicht nicht so richtig.

Die Ausstellung kostet 11,- Euro Eintritt. Die drei weiteren, gezeigten Ausstellungen haben ähnliche Preise. Es gibt keine Kombitickets, was einen Eintrittspreis von 42,- Euro für den gesamten Gropuis-Bau entspricht. Das ist damit deutlich teurer als in anderen Häusern ähnlicher Größe.

Fotografieren war in der Ausstellung nicht erlaubt, daher gibt es hier nur Bilder von außen.

Angst als Thema in James Bond Filmen: Es ist nur der Schurke

Nehmen wir mal an, dass Filme zur Verarbeitung von Ängsten dienen. Da gibt es Hitchcocks Filme, die sich dem Thema auf psychoanalytischer Weise nähern. Und da gibt es die Tradition der amerikanischen Blockbuster, welche die Existenzangst von Massen, genauer gesagt der Nation oder sogar der gesamten westlichen Welt beschreiben. Die Menschen sehen sich in diesen Filmen häufig der Angst, ausgelöscht zu werden, ausgesetzt, beispielsweise konkretisiert durch Naturkatastrophen, feindliche Staaten, Maschinen, Menschen mit Superkräften, Aliens, Zombie et cetera. An der Aufzählung wird ersichtlich, dass sich die Ängste teilweise in sehr unrealistischer Weise manifestieren (zumindest ist die empirische Evidenz für die Existenz von beispielsweise Aliens und Zombies bis jetzt recht dünn). Jedenfalls findet die Behandlung der Ängste auf der Couch statt: Die Filme zeigen immer ein Happy-End.

Die James Bond Filme reihen sich in diese Art von Filmen ein. Weiterlesen

München leuchtete

München leuchtete. Über den festlichen Plätzen und weißen Säulentempeln, den antikisierenden Monumenten und Barockkirchen, den springenden Brunnen, Palästen und Gartenanlagen der Residenz spannte sich strahlend ein Himmel von blauer Seide, und ihre breiten und lichten, umgrünten und wohlberechneten Perspektiven lagen in dem Sonnendunst eines ersten, schönen Junitages.

Thomas Mann, Gladius Dei, 1902.

Nun, bei uns war es im Mai, nicht im Juni, und dennoch fängt der Beginn von Thomas Manns Erzählung „Gladius Dei“ sehr schön die Stimmung in der Stadt ein. Für vier Tage – am langen Christi Himmelfahrts Wochenende – haben wir München besucht.

Tag 1, Donnerstag: Ankunft am Bahnhof um halb elf – gerade noch rechtzeitig ins Schneider Bräuhaus im Thal, um bei Blasmusi Weißwurst zu essen – danach Flucht aus dem Bräuhaus (wir hatten das Schild am Stammtisch berührt und damit eine Saalrunde riskiert) – zur Austellung von Werken des Centre Pompidou im Haus der Kunst und Spaziergang zurück zum Hauptbahnhof – zum Schluss Treffen beim Italiener in der Maxvorstadt mit unserer lieben Gastgeberin.

Tag 2, Freitag: Spaziergang durch die Maxvorstadt. Zunächst zum Alten Nordfriedhof.

Weiter über den Elisabethplatz zum Lichthof im LMU Hauptgebäude, um die Gedenkstätte der Weißen Rose zu besichtigten.

Danach Brotzeit im Milchhäusl im Englischen Garten – Eis bei Ballabeni – Besuch des Lenbachhauses am Königsplatz und der Villa Stuck in der Prinzregentenstraße.

Tag 3, Samstag: Fahrradtour vom Hauptbahnhof über das Sendlinger Tor hinaus zur Isar – an der Isar entlang bis zur Waldwirtschaft in Großhesselohe – zurück über den Isartalbahnradweg Richtung Innenstadt mit Abstecher in den Westpark. Am Abend haben wir einen Tisch im Broeding reserviert.

Tag 4, Sonntag: Fahrradtour zum Olympischen Dorf und durch den Olympiapark – am Biedersteiner Kanal entlang mit einem Abstecher in die Borstei bis zum Nymphenburger Schloss – Brotzeit im Hirschgarten und zurück in die Maxvorstadt.

Packen und mit dem Zug nach Hause.

Boston Tag 9 – Harvard Campus, Rückflug

Der letzte Tag. Heute Abend, kurz nach 22.00 Uhr, geht dann der Flieger. Wir lassen unser Gepäck im Guesthouse stehen und wollen uns den Harvard Campus und die Stadt ansehen. Aber zunächst Frühstück im 1369 Coffee House am eher versteckten Inman Square. Wir bestellen Mohnbagel, Frischkäse, süße Teilchen, Kaffee, setzen und an Fenster und beobachten die Leute. Wir fühlen uns ein bisschen ans Headland Coffee House in Fort Bragg und unseren Roadtrip an der kalifornischen Küste erinnert.

Die erste positive Überraschung auf dem Campus ist das WLAN. Dank meines eduroam Accounts habe ich sofort Netz, als wir uns dem Campus nähern, ohne dass ich mich irgendwie registrieren oder anmelden müsste. Damit können wir sogar unserer Guided Harvard Tour App nutzen, die uns Aaron im Hostel empfohlen hatte.

Und dann stehen wir auf dem Gelände, das man z.B. im Film „The Social Network“ kennt, mit Backsteinhäusern, Laternen in den Aufgängen, Rasenflächen. Fast überall steht „no trespassing“ an der Tür, der Zutritt in die Gebäude sind für Nicht-Unimitglieder nicht erlaubt. Wir schauen uns also das meiste von außen an, nur beim Gebäude der WiWi’s verfallen wir dem Groupietum und müssen uns die Fotos der Big Shots im Foyer anschauen, deren Namen wir von Lehrbüchern und hochrangigen Zeitschriften-Artikeln kennen.

Zum Mittagessen finden wir das beste Deli unserer Reise: das Clover in der Holyoke Street. Hier gibt es ein kleines, aber gut aufeinander abgestimmtes Angebot an vegetarischen Sandwiches, die man alle auch „dekonstruiert“ als Tellergericht erhalten kann. Zudem kostenloses Wasser (wahlweise mit oder ohne Kohlensäure), das – und das ist hier wirklich selten – nach Chlor schmeckt. Es ist schon mitten am Nachmittag und wir haben entsprechend Hunger. Es schmeckt so gut, dass wir kurz überlegen, ob es sich lohnt, etwas für später mitzunehmen. Aber so richtig gut transportabel und aufbewahrbar ist es nicht und nun sind wir außerdem satt.

Auf dem Rückweg zum Guest House legen wir noch einen ausgedehnten Zwischenstopp in einer Buchhandlung ein und ich gehe ein letztes Mal zum Wholefoods, um Mitbringsel (Ahornsirup, Mandelbutter, Rosehip Oil) und ein paar Snacks für die Wartezeit am Flughafen (Trail Mix, Kekse) zu besorgen.

Um sieben machen wir uns mit den Koffern auf zum Flughafen. Es sind noch fast vier Stunden bis unser Flieger geht und wir kommen auch sehr schnell von Cambridge über Boston bis hinaus zum Flughafen. Check-In haben wir digital schon am Vorabend erledigt und können nun sehr schnell unsere Koffer aufgeben. Aber die Schlange an der Sicherheitskontrolle ist enorm. Wir warten fast eine Stunde, ehe wir zum Gate-Bereich kommen. Und viel gibt es hier nicht zu sehen. Wenige Shops, ein bisschen Fast Food und das war’s. Wir geben unser Kleingeld und ein paar Dollar für Abendessen aus, setzen uns ans Gate und warten auf den Flug. Leider gibt es auch kein freies Wlan, so dass alle Blogposts, die für die letzten Tage noch geschrieben werden wollen, erstmal liegen bleiben.

Wir boarden pünktlich um kurz nach zehn, wieder auf zwei Plätze in der Mitte des Fliegers und mit freiem Platz bis zum nächsten Nachbarn. Ich schlafe nach dem Essen sofort ein, M kann nicht schlafen und versucht noch einen halbwegs brauchbaren Film zu finden, nachdem er die beiden für ihn besten schon auf dem Hinflug geschaut hatte und sich – trotz des Monatswechsels – in der Zwischenzeit das Unterhaltungsangebot an Board nicht verändert hatte. Der Flug und die Nacht vergehen schnell.

Wir landen am Freitag Vormittag um kurz vor 11.00 Uhr in Frankfurt. Passkontrolle, Gepäckabholung, Zoll, alles superschnell und dann – Bahnstreik. Der ICE, den wir so perfekt bekommen hätten, fällt aus und wir müssen eine Stunde warten. Der Starbucks hat bequeme Sessel und WLAN. M holt Schlaf nach, ich einen Blogpost.

Nachmittags um zwei sind wir wieder zu Hause, um viele schöne Erinnerungen reicher.

07.05.2015

Boston Tag 8 – Zurück in die Stadt, Baseball

Der letzte Tag in Cape Cod beginnt mit Butterscotch Muffin gefolgt von French Toast mit Grand Marnier und Würstchen. Yay, harter Alkohol um 09.00 Uhr morgens ist, nun ja, auch mal was Neues. Den Grand Marnier schmecken wir deutlich, auch wenn er von Eiern und fluffigem Toast begleitet wird.

Anschließend kurzer Zahlungsausfall unsererseits: Beide Kreditkarten haben ihr Limit erreicht und wir können unserer Zimmer im Captain Farris House nicht zahlen. Ein kurzer Anruf bei der Bank – zum Glück ist es in Deutschland ein Arbeitstag und erst nachmittags – ein Auftrag mit Bitte um Sofortüberweisung vom Konto zur Karte und 20 Minuten später kann die Transaktion abgewickelt werden. Zum Glück.

Wir machen uns auf und verlassen Cape Cod über die andere Brücke – die Sacamore Bridge. Einen Zwischenstopp machen wir noch in Plymouth, um zu schauen, wo die ersten Siedler angekommen sind. Leider bekommen wir den Nachbau der Mayflower nicht zu sehen, da diese über den Winter immer eingelagert und wird und noch nicht wieder hervorgeholt wurde.

Um drei Uhr erreichen wir Cambridge und beziehen unsere Unterkunft. Ein Guesthouse, das seine Zimmer auch über AirBnB anbietet. Da wir die Adresse, den Code für die Tür und die Zimmernummer kennen, lassen wir uns selbst rein und geben den Vermieterin nur per SMS Bescheid, dass wir angekommen sind. Wir räumen das Auto aus, lassen Koffer und alles Unnötige da und machen uns auf in die Stadt, um pünktlich um vier den Wagen zurück zum Mietwagenverleih zu bringen.

Wir haben noch keinen so rechten Plan für den Abend und gehen erstmal kurz in die Stadt noch kleinere Einkäufe erledigen. Irgendwann fällt M ein, dass heute ja Baseball sein könnte, wir laufen in ein Kaufhaus nach der Suche nach einem offenen WiFi-Netz, das uns sagt, ob die Red Sox heute und wenn ja, ob sie zu Hause in Boston spielen. Zu den Giants hatten wir in San Francisco nie gehen können, weil die Saison fast vorbei war, als wir ankamen.

Wir finden heraus, dass die Red Sox heute tatsächlich im Fenway Park spielen und zwar gegen die Tampa Bay Rays. Ob das Spiel jedoch ausverkauft ist, lässt sich der mobilen Seite des Ticketing Systems nicht entnehmen. Es sind noch zwei Stunden bis Spielbeginn und wir beschließen, unser Glück zu versuchen. Die Bahnen in Richtung Fenway Park sind rappelvoll, die Pendler fahren nach Hause, die ersten Fans zum Spiel. Bereits auf dem Weg von der U-Bahn zum Station werden wir mehrfach wegen Tickets angesprochen. M fragt einen Verkäufer nach dem Preis und bekommt Karten für 50 Dollar angeboten. Da wir uns überhaupt nicht über die Preisspanne und die verschiedenen Sitzkategorien informiert haben, beschließen wir erstmal, zum Eingang weiterzugehen und herauszufinden, ob auch noch regulär über die Kasse Karten verkauft werden.

Es ist nicht ausverkauft. Wir können noch Tickets ab 24 Dollar bekommen und entschließen uns eine Kategorie höher auf 36 Dollar pro Person zu gehen. Dafür sitzen  unter dem Dach mit sehr gutem Blick auf Pitcher, Schlagmann und Feld.

Das Spiel geht um 19.30 Uhr los und dauert bis kurz nach 11. Irgendwann um acht bekommen wir Hunger und versorgen uns mit Hotdogs. Viel Action gibt es nicht. Homeruns werden ja nur bejubelt, wenn die Red Sox einen machen. Und das passiert erstmal nicht. Stattdessen schlägt Evan Longoria von den Tampa Bay Rays zwei Homeruns. Am Ende verlieren die Red Sox mit 3 zu 5.

Da Cambridge praktisch auf der gegenüberliegenden Flusseite liegt, entschließen wir uns, zu Fuß zurück zum Guest House zu gehen. Etwa 40 Minuten dauert der Spaziergang durch die Nacht. Im Winter in San Francisco waren wir fast nie laufend nachts unterwegs, weil es mir immer zu viel Angst machte. Aber hier im Frühling, auf dem Campusgelände mit den weiteren Baseball-Fans, die nach Hause laufen, ist es weder gefühlt noch tatsächlich gefährlich. Sondern einfach nur eine schöne Frühlingsnacht.

06.05.2015

Boston Tag 7 – Wale schauen

Die die die eine Sache, die wir unbedingt machen wollten, war: Wale anschauen. Das haben wir uns für heute vorgenommen. Gestern hatten wir schon ausgekundschaftet, wann und wo die Bootstouren ablegen. In der Nebensaison fährt täglich nur ein Schiff, das zu zwei Zeiten ablegt, um 10.00 Uhr und um 13.00 Uhr. Mit dem ausgiebigen Frühstück in unserem B&B – diesmal gab es nach dem obligatorischen Muffin, Wraps zum Frühstück, ganz dem Anlass des Cinco de Mayo entsprechend –  und der rund einstündigen Fahrt nach Provincetown war klar, dass wir die 10.00 Uhr Tour nicht erreichen konnten. Wir entschieden uns, unser Glück auf 13.00 Uhr zu versuchen, war ja Nebensaison und kaum Leute unterwegs.

Gegen 10.00 Uhr machten wir uns auf den Weg, hielten nochmal beim Supermarkt, um Wasser und ein kleines Picknick einzukaufen und kamen um kurz nach 12.00Uhr am Hafen in Provincetown an. Als erstes ging es schnurstracks zum Kassenhäuschen, um die Tickets fürs Boot zu erwerben. Auf meine unschuldige Frage hin, ob noch Plätze frei sind, schüttelte die Gästebetreuerin langsam den Kopf. Ausgerechnet diese Tour sei schon komplett gebucht, mehrere Schulklassen und zwei Reisegruppen hätten sich angemeldet. Wenn wir wollten, könnten wir warten und auf Restplätze hoffen, falls von den vorangemeldeten Besuchern nicht alle auftauchen sollten. Und schon sahen wir unser Wal-Tour-Pläne als erledigt an, wir beratschlagten kurz und mein Optimismus siegte über Ms Skepsis. Wir beschlossen, zu parken und zu warten und zu hoffen.
Und wir hatten Glück. Obwohl alle Gruppen kamen war das Boot noch nicht voll und wir konnten als letzte über die Reling steigen.


Dann ging es los. Wir waren noch nicht einmal 10 Minuten gefahren, als im Hafenbecken die ersten Delfine auftauchten. Das Schiff kreiste ein wenig um sie herum, damit auch alle Besucher back- und steuerboards einen Blick und ein Foto erhaschen konnten. Dann ging es aus dem Hafen hinaus in Richtung Norden. Wale suchen.
Unsere Augen blickten unablässig zwischen Wasser und Küste hin und her und suchten die charakteristische Schwanzflosse. Irgendwas in der Art hier, erwarteten wir zu sehen:

Und was wir dann zu sehen bekamen, war das. Phänomenal, wie nah die jungen Buckelwale dem Schiff kamen, sich wieder entfernten, es umrundeten, mal den Rücken, mal den Bauch, mal den Kopf und mal die Schwanzflosse aus dem Wasser steckten. Alles untermalt von der Geräuschkulisse der Schulkinder, die gar nicht wussten, wohin mit ihrer Begeisterung. Und neben den vielen Fotos und Filmen, die wir gemacht haben, blieb trotzdem noch genügend Zeit, die Wale auch ausgiebig zu beobachten, ihre Anatomie und die verschiedenen Zeichnungen zu entdecken.

Wir waren insgesamt drei Stunden unterwegs, bevor wir gegen vier wieder in Provincetown anlegten. Auf dem Rückweg legten wir noch einen kurzen Stopp in Pilgrim Heights und vertreten uns bei einer halbstündigen Runde auf dem Pilgrim Swamp Trail ein bisschen die Beine. Wir bekommen Hunger und entscheiden uns, zum Abendessen die Trattoria auszuprobieren, die uns zwei andere Gäste des B&Bs am Sonntag empfohlen hatten. Der Tag endet also ganz gemütlich, mit Pasta essen und Walvideos schauen.

05.05.2015

Boston Tag 6 – Cape Cod

Unser erster ganzer Tag am Cape beginnt mit ausgiebigen Frühstück. Heute serviert das Captain Farris House Butter-Pecanuss-Muffins und danach Oatmeal Pancakes. Die Portionen sind so riesig, dass M nach dem ersten Pancake aufgibt.

Wir beschließen, mit dem Auto das Cape zu erkunden und an allen Aussichtspunkten und Leuchttürmen des National Seashore zu halten, die uns auf dem Weg begegnen. Am späten Vormittag rollen wir also in Richtung Provincetown los. Unser erster Halt ist die Marconi Station Site in Wellfleet, von dem aus es Guglielmo Marconi 1903 das erste Mal gelang, telegrafische Nachrichten per Funk über den Atlantik nach Großbritannien zu schicken.

Weiter geht es ganz nach Norden zum Province Height Visitor Center. Hier leihen wir uns ein Fernglas aus und suchen den Horizont nach Walen ab. Leider erfolglos. Das Visitor Center informiert aber ausführlich über Geographie, Natur und Geschichte der Region. Nach einem kurzen Spaziergang am Strand wollen wir weiter nach Provincetown, um rauszufinden, wann die Wal-Touren ablegen.

Auf dem Weg dorthin fällt uns wieder auf, wie wenig die Vegetation und das Wetter zusammenpassen. Es herrschen frühsommerliche Temperaturen, aber die Bäume haben bisher kaum ausgeschlagen. Winterwald im Sonnenschein hat schon eine seltsame Anmutung. Von unseren Vermietern im B&B erfahren wir später, dass Cape Cod 2014/2015 einen sehr langen Winter erlebt hat. Teilweise reichte der Schnee bis zu den Fensterbänken im Erdgeschoss. Es ist erst seit ein paar wenigen Wochen wirklich Frühling und bisher haben sich nur die Tulpen und andere Blumen hervor gewagt.

Provincetown ist schnell abgehakt, viel ist gegen fünf Uhr am Nachmittag nicht mehr los. Die Waltouren für heute sind beendet und auch die eigentlich kostenpflichtigen Parkplätze am Hafen sind inzwischen ohne Gebühr zu befahren. Wir nehmen uns für morgen eine Tour vor und fahren wieder Richtung Süden.

Auf dem Rückweg legen wir noch drei Stopps ein. Zunächst am Nauset Light Beach, wo Nachbildungen der „Three Sisters“, dreier kleinerer Leuchttürme stehen. Wir folgen dann dem Ocean View Drive zum Coast Guard Beach, der den schönsten Blick über Marschland und Küstenlinie liefert. Den Sonnenuntergang sehen wir schließlich am Chatham Lighthouse.

Wir beschließen, uns Abendessen zu besorgen und im Bett zu picknicken. Von Chatham fahren wir bis nach Hyannis durch, suchen den örtlichen Whole Foods auf und plündern die Kühlregale mit den vorgefertigten Gerichten (M: Sandwhich, G: Hummus, Taboulé). Der anschließende kurze Stopp by Barnes & Nobles macht M zum glücklichen Besitzer des langersehnten Buches zur amerikanischen Geschichte. Den Abend verbringen wir folglich essend und lesend im Bett, ganz dem Gedanken des Bed&Breakfast folgend.

 04.05.2015

Boston Tag 4 – Hochzeit

Es ist Samstag. Heute wird geheiratet. Nach einer erholsamen Nacht im King-Size-Bett machen wir uns zum Frühstück auf, das praktischerweise auf der gleichen Etage nur wenige Schritte von unserem Zimmer serviert wird. Die angebotenen Speisen und Getränke sind nicht der Rede wert, jedoch treffen wir die ersten Hochzeitsgäste vom gestrigen Abend wieder und dann gesellt sich auch das Brautpaar kurz zu uns. Und plötzlich wird klar, wie viele der uns herum frühstückenden Menschen eigentlich dazu gehören. Fast alle.

Wir verbringen den Vormittag im Worcester Art Museum und schauen uns die wunderschön ausgesuchte Sammlung und die Sonderausstellungen an. Anschließend geht es für mich zur Schönheitspflege, Hand- und Fußnägel hochzeitstauglich machen. Gegen halb vier sind wir zurück im Hotel, es bleibt nur noch eine Stunde zum Anziehen und Schminken und schon fährt der erste Shuttle-Bus.

Wir entschließen uns, gemeinsam mit K und P das Auto zu nehmen, um rechtzeitig zum Ort der Trauung zu gelangen. Uns erwartet ein Raum in einem alten Industriegebäude, der liebevoll mit persönlichen Dingen von E und R dekoriert ist: Eine Tafel mit den wichtigsten Stationen ihres Kennenlernens (erster Kuss, erstes Date, Tag und Ort des Antrags, …), Hochzeitfotos von Eltern und Großeltern, ein witziges und gleichzeitig liebevoll zusammengestelltes „Programmheft“, Blumen, ein extra gebauter, Pavillion unter dem das Paar gleich stehen wird. Hier hat sich „ein ganzes Dorf“ wie die Trauzeugin später sagen wird, viele Gedanken gemacht, um den perfekten Tag auszurichten.

Unsere Eile war gar nicht notwendig, bevor nicht alle Gäste da sind und auch die Hochzeitsgesellschaft vom Fotos machen kommt, geht es nicht los. Doch dann beginnt der Einzug. Als erstes kommt die Traurednerin, eine Cousine von R, die extra für diesen Tag eine Lizenz zum Trauen bekommen hat. Als nächstes kommt schon E, Papa an der rechten und Mama an seiner linken Seite, danach die Trauzeugen und Brautjungfern und zuletzt R, ebenfalls an der Seite ihrer Eltern.

Die Trauung ist kurz, berührend und witzig zugleich. Nach einer halben Stunde erklingen die „I do’s“ und Mr. und Mrs. B sind Mann und Frau. So sehr, wie eine Trauung in Deutschland festgelegten Abläufen folgt – Texte unterbrochen von Musik und Andacht oder Gebet – so frei ist das Paar hier, den Ablauf der Trauzeremonie ganz nach seinen Vorstellungen zu wählen.

Nachdem die Verlobung, die Hochzeitsvorbereitungen mit Kennenlernen der Eltern und Auswahl der Trauzeugen sowie der Ablauf des Tages selbst den tradtionellen (wenig flexiblen) amerikanischen Gepflogenheiten entsprach, so sehr dringt jetzt die Freiheit durch, die man sich in Deutschland an dieser Stelle wohl nie nehmen könnte. E und R gelingt es, schon mit der Wahl der Traurednerin, aber auch mit den Inhalten der Trauversprechen eine sehr persönliche und familiäre Atmosphäre zu schaffen, die man einatmen und festhalten möchte.

Der Auszug der Brautleute endet direkt an der Bar und die Party beginnt mit der „Cocktail Hour.“ Es gibt lokales Bier und internationale Longdrinks. Später weichen die Getränke dem Essen, das Essen den Reden, die Reden dem Tanzen und das Tanzen dem gemeinsamen Ausklang in einer nahegelegenen Bar.

Schön war es. Erinnerungen sind es schon jetzt.

02.05.2015