Gelesen – gesehen – gehört #1

Corinna Belz, Gerhard Richter Painting (2011)

Gerhard Richter beim Auftrag der Farben auf die Leinwand, mit Borstenpinsel oder Kunststoffleisten. Gerhard Richter beim Besichtigen der Austellungsräume. Assistenten beim Mischen von Farben. Assistenten bei der Konzeption der Austellung. Das Geräusch des mit Farbe getränkten Borstenpinsel auf der Leinwand, das Raunen, wenn die Kunststoffleiste über die Leinwand gezogen wird. Gerhard Richter denkt nach. Gerhard Richter verändert Bilder. Gerhard Richter hält eine Pressekonferenz. Gerhard Richter im Gespräch mit Benjamin Buchloh: „Malen ohne Plan, aber zu wissen, wann es richtig ist.“

Meditative Anschauung künstlerischer Arbeit, in gewisser Weise die Entmystifizierung des Künstlers und die Erkenntnis: Der ist reich, der machen kann, was er will, der mit seinem Ausdrucksvermögen und seiner Stellung in der Welt zufrieden ist. Was können wir daraus lernen? Zumindest, dass es diesen Olymp gibt; den Weg dorthin aber kennen wir nicht.

Link zur Webseite des Films

Noch ein paar Tage auch in der ARD-Mediathek

Angst als Thema in James Bond Filmen: Es ist nur der Schurke

Nehmen wir mal an, dass Filme zur Verarbeitung von Ängsten dienen. Da gibt es Hitchcocks Filme, die sich dem Thema auf psychoanalytischer Weise nähern. Und da gibt es die Tradition der amerikanischen Blockbuster, welche die Existenzangst von Massen, genauer gesagt der Nation oder sogar der gesamten westlichen Welt beschreiben. Die Menschen sehen sich in diesen Filmen häufig der Angst, ausgelöscht zu werden, ausgesetzt, beispielsweise konkretisiert durch Naturkatastrophen, feindliche Staaten, Maschinen, Menschen mit Superkräften, Aliens, Zombie et cetera. An der Aufzählung wird ersichtlich, dass sich die Ängste teilweise in sehr unrealistischer Weise manifestieren (zumindest ist die empirische Evidenz für die Existenz von beispielsweise Aliens und Zombies bis jetzt recht dünn). Jedenfalls findet die Behandlung der Ängste auf der Couch statt: Die Filme zeigen immer ein Happy-End.

Die James Bond Filme reihen sich in diese Art von Filmen ein. Weiterlesen

The Perks of Being a Wallflower

Das ist einer dieser Filme, der schon seit Evas Rezension letztes Jahr auf meiner Filmliste steht. Auf die Liste kommen die Filme, die ich gerne sehen will, zu denen ich es aber nicht ins Kino geschafft habe. M war anfangs zu Recht skeptisch, weil meine Filmauswahl doch eher selten seinem Geschmack entspricht. Aber als dann in der zentralen Tunnelszene „Heroes“ von David Bowie als Filmmusik lief, war er zumindest neugierig.

The Perks of Being a Wallflower (deutscher Titel: Vielleicht lieber morgen)  ist eine Coming-of-Age Geschichte (früher hätte man dazu wohl Highschool-Drama gesagt), in der die Hauptfigur Charlie (Logan Lerman), ein introvertierter Außenseiter, auf sein erstes Jahr an der neuen Schule zurückblickt. Er ist psychisch labil und fürchtet sich vor den vier endlos scheinenden Highschooljahren, die vor ihm liegen. Entgegen seiner Erwartungen findet er jedoch Freunde und verliebt sich in Sam (Emma Watson). Und am Ende wird alles schlimm und doch irgendwie gut.

Klingt total emo, ist es auch ein bisschen. Der Film kippt aber nie ins Kitschige, weil die Figuren allesamt sympathische Freaks sind. Der Regisseur (Stephen Chbosky, der auch der Autor der Romanvorlage ist) zeigt eben nicht nur die übliche Highschool Liebesgeschichte. Er hält vielmehr eine gute Balance zwischen den psychischen Belastungen seiner „Mauerblümchen“ und ihrer Freude am Leben.

Dabei kommt ein Film heraus, der berührt und über den man hinterher vielleicht noch eine Weile nachdenkt. Weil wir die DVD hier hatten, konnten wir auch die ausgelassenen Szenen mit dem Audio-Kommentar des Regisseurs sehen. Ich finde, das lohnt sich, weil damit seine Idee von der Umsetzung bestimmter Szenen nochmals erklärt bekommt und man viele Details des Films erst so entdeckt.

Der Film hat in der IMDB ein Rating von 8,0 und besteht den Bechdel-Test nicht.

Drehort San Francisco – Heimat

In San Francisco wird ja so einiges gedreht. Ecke Powell & Market St. ist zum Beispiel der Ort, an dem die cable car einen ihrer Endpunkte hat und um 180 Grad gedreht wird – um ihren Dienst in entgegengesetzter Richtung wieder anzutreten. Aber – kleiner Scherz am Rande – um solch einen „Drehort“  gehts im Folgenden nicht ;-).

Denn wir haben uns in der letzten Woche (ich zum ersten Mal auf Englisch) den Film Dirty Harry aus dem Jahre 1971 mit Clint Eastwood in der Hauptrolle angeschaut, der in San Francisco spielt. Das lustige daran war, das uns viele der Drehorte bekannt waren und wir einige Wiedererkennungsmomente aus unserer direkten Nachbarschaft hatten. Der Plot ist recht einfach erzählt: Es geht um den etwas unkonventionellen, mürrisch-wortkargen Inspektor Harry Callahan (Clint Eastwood) des SFPD, der einen Serienmörder jagt. Dieser erpresst die Stadt, indem er wahllos von Dächern auf Passanten schießt. In einer sehenswerten Einstellung zu Beginn, befindet sich Callahan am ersten Tatort auf dem Dach eines Hochhauses und die Kamera folgt ihm, während sein Blick rundherum über die Stadt schweift. Und auch in der weiteren Verfolgung des Täters jagt Callahan durch die Straßen von San Francisco, was den Film für uns sehr lebendig machte, da wir teilweise kurz zuvor an den verschiedenen Punkten in der Stadt gestanden waren (North Beach, Washington Square, Kezar Stadium, Sts. Peter and Paul Church, Dolores Park, …).

Ansonsten gab’s noch mehr Lokalkolorit für uns: Der Figur des Harry Callahans, die immer am Rande der Legalität agiert, Ermittlungen mit äußerster Brutalität durchführt und auch vor Folterung des Täters nicht zurückschreckt, sind wir trotz allem etwas verbunden. Wir erfahren, dass er wie wir auch in Portrero Hill wohnt. Und in einer Szene mit seinem Lieblings-Barmann spricht dieser von Callahan als seinem „Potrero brother“. Weiterhin wird Callahan zu einem Einsatz zu Ecke Texas und Sierra Street gerufen. Das ist just eine der Straßenkreuzungen, die ich morgens mit dem Fahrrad passiere, um zum Bahnhof zu kommen.

Na ja, irgendwie schön in einem US-Blockbuster – wenn auch etwas älteren Datums – so im Detail die Drehorte wiederzuerkennen. Das gibt einem eine gewisse Art von Heimat-Gefühl. Im deutschen Fernsehen haben wir das wohl auch etwas, wenn wir den Tatort sehen (eine der schönsten, die ich gesehen habe, war „Das Glockenbachgeheimnis“ des BR und „Bienzle und die schöne Lau“ des SDR). Durch sein regionales Konzept erkennen – jeden Sonntag wechselnd – die Zuschauer ihre Heimat als Filmrealität wieder und können ein positives Gefühl damit verbinden, dass ihr Zuhause – im Zuge der Verbreitung an ein Millionenfernsehpublikum – einer gewissen Aufmerksamkeit wert scheint.

Verzeichnis der im Text verwendeten Fremdwörter:

cable car – ist eigentlich eine Straßenbahn, die den Berg hochfährt, gezogen von einem unterirdisch laufenden Drahtseil. In Wahrheit ist sie vor allem der Anlass für jede Menge Fotos und Anreiz für eine Runde S-Bahn-Surfen der Touristen.

Dirty Harry –  Alter-Ego von Clint Eastwood und Titel des gleichnamigen Films. Fun Fact: Clint Eastwood war von 1986 bis 1988 Bürgermeister in Carmel-by-the-Sea.

SFPD – San Francisco Police Department, also der Name der örtlichen Polizei. Sieht man immer mal wieder hier rumfahren.

Blockbuster – Kassenschlager, meist völlig überbewerteter Film, der häufig nicht nur viel gekostet hat, sondern auch viel Geld einspielt. Wörtlich übersetzt ein Straßenfeger.