Monatsrückblick – April 2017

|Gesehen| Akira Kurosawa: Rashomon (1950) – Akira Kurosawa: Die sieben Samurai (1954) – Akira Kurosawa: Ran (1985) – Ozu Yasujiro: Tokyo monogatari (1953) – Kenji Mizoguchi: Ugetsu monogatari (1953) – Kenji Mizoguchi: Sansho Dayu (1954) – Sebastián Lelio: Gloria – Haaifa Al Mansour: Wadjda – Pier Paolo Pasolini: Il vangelo secondo Matteo – Pier Paolo Pasolini: Uccellacci e uccellini – George Ovashvili – Die Maisinsel
|Gelesen| George Orwell: 1984 – William Golding: Lord of the Flies – Das Evangelium nach Matthäus
|Gehört| Johann Sebastian Bach: Jesu bleibet meine Freude
|Getan| ein ruhiges Osterwochenende zu Hause verbracht, viel Frühstücken, viel Kuchenbacken, überhaupt viel Kochen, sehr schönen Familienbesuch zum Spargelessen gehabt, mit Freunden in den USA skypen, alte Freunde zum Essen besucht, allerlei kleine und größere Kinder bespaßt, zum Gallery Weekend in Berlin gegangen
|Gegessen| Sushi bei Ishin, Bratwürste auf der Domäne Dahlem, mit T&AS im LuLa, Brot vom Bäcker Kapp: Chapeau und Pain Breton, Abendessen im Cookies Cream,
|Getrunken| Achel Blond 8° (belgisches Trappistenbier)
|Gefreut| Über gleich zwei neue Babies bei Freunden. Dass das alte Sofa eine neue Besitzerin gefunden hat und dass sich die beiden Berliner Sauerteiglinge tatsächlich haben reaktivieren lassen.
|Geärgert| Über diese verdammte Kälte: Wind und 3 Grad morgens Ende April.
|Gekauft| Fahrkarten und Übernachtungen für unseren Urlaub im Juni.
|Geklickt| ebay Kleinanzeigen, um das alte Sofa zu verschenken. Nachdem das Sozialkaufhaus sich nie zurückgemeldet hatte, gab es über ebay gleich fünf Interessenten.
|Hätt‘ ich Zeit und Geld, würd‘ ich…| mit einer DS alle Nationalstraßen Frankreichs abfahren

Gelesen – gesehen – gehört #2

Durch den Wald von Nara streifen die Sikahirsche unter den Wipfeln der Sicheltannen und Zypressen. Manchmal findet man die Hirsche auch im Schatten der Tempelanlagen. Im 8. Jahrhundert war Nara für 74 Jahre der Sitz des Machthabers von Japan. Geblieben sind aus dieser Zeit buddhistische und shintoistische Heiligtümer ganz aus Holz.

Akira Kurosawa streift durch die alten Bauten in Vorbereitung seines Films Rashomon. Er denkt über die Beschaffenheit des Tores nach, zu dessen Füßen Szenen des Films spielen sollen. Im Anblick der alten Bauten steigert sich in Kurosawas Vorstellung die Größe der Kulisse immer mehr. Der Zusammenhalt des Filmteams ist groß. Die Filmcrew erfindet eine Mahlzeit, die aus Rindfleisch, rohen Zwiebeln und einer Sauce aus Currypulver und Butter besteht. Jedesmal bevor die Gruppe den Wald betritt, streuen sie sich Salz über die Haut, um das Anhaften der Blutegel zu verhindern. Die Kamera richtet sich direkt in die Sonne. Um den Regen im Bild sehen zu können, wird dem Wasser schwarze Tinte hinzugesetzt.

Drei Vertreter der Filmfirma verstehen das Skript des Films nicht und lassen es sich von Kurosawa erklären. Zwei der drei kann er überzeugen, es noch einmal genau zu lesen. Kurosawa erklärt:

Human beings are unable to be honest with themselves about themselves. They cannot talk about themselves without embellishing. This script portrays such human beings–the kind who cannot survive without lies to make them feel they are better people than they really are. […] Egoism is a sin the human being carries with him from birth; it is the most difficult to redeem. This film is like a strange picture scroll that is unrolled and displayed by the ego. You say that you can’t understand this script at all, but that is because the human heart itself is impossible to understand. If you focus on the impossibility of truly understanding human psychology and read the script one more time, I think you will grasp the point of it.

Unter einem Tor suchen ein Holzfäller, ein Mönch und ein Bürger Schutz vor dem Regen. Der Holzfäller starrt ins Feuer und murmelt Unverständnis über eine Geschichte. In einem Wald trifft ein Ehepaar auf einen Banditen. Der Bandit vergewaltigt die Frau. Die Leiche ihres Mannes wird vom Holzfäller gefunden. Vor einem Gericht sagen alle drei beteiligten Personen aus: der Bandit, die Frau und der verstorbene Mann, der durch ein Medium spricht. Alle drei Aussagen unterscheiden sich voneinander, sind aber einzeln gesehen plausibel und logisch.

Unter dem Tor gibt der Holzfäller zu, dass er die Begegnung versteckt im Gebüsch beobachtet hat. Nach der Vergewaltigung habe der Bandit die Frau gebeten, sich ihm anzuschließen. Sie lehnte das ab und forderte stattdessen von ihrem Mann und dem Banditen einen Kampf, so dass sie sich dem Sieger anschließen könne. Die beiden Männer haben nicht kämpfen wollen. Der Ehemann verlangte von seiner Ehefrau den sofortigen Selbstmord. In ihrer Verzweiflung klagte die Frau beide Männer an, nicht um sie kämpfen zu wollen. In einem unrühmlichen Handgemenge mit dem Banditen sei der Mann schließlich umgekommen. Die Frau und der Bandit fliehen auf getrennten Wegen. Der Holzfäller tritt aus seinem Versteck und nimmt heimlich einen Dolch an sich, den die Frau verloren hat.

Unter dem Tor wird die Erzählung durch das Weinen eines Babys unterbrochen. Der Bürger nimmt ein Amulett und einen Kimono aus dem Körbchen. Er wird vom Holzfäller angeklagt, weist diesen aber wegen seines eigenen Diebstahls zurecht, und verschwindet. Der Holzfäller nimmt das Baby aus den Armen des Mönches. Dessen Enttäuschung über die Menschen vergeht, als er vom Holzfäller erfährt, dass dieser schon sechs Kinder hat und sich auch noch um ein weiteres kümmern kann.

Akira Kurosawa: Rashomon (1950)

Quelle: Akira Kurosawa on Rashomon