Haus der Kunst, München

Unsere erste Ausstellung in München führt uns ins Haus der Kunst (HDK) am südlichen Ende des Englischen Gartens. Dort wird noch den ganzen Sommer 2016 die Ausstellung „Eine Geschichte: Zeitgenössische Kunst aus dem Centre Pompidou“ gezeigt.

Der Bau wurde unter den Nationalsozialisten errichtet (als Haus der Deutschen Kunst) und diente als Schauplatz für die jährliche „Große Deutsche Kunstaustellung“. In der zentralen „Ehrenhalle“ wurden Reden zur deutschen Kulturpolitik gehalten. Kunstwerke an der Schaufassade des Gebäudes stehen heute mahnend für diese Zeiten. Gustav Metzger verweist in Travertin/Judenpech – eine 60 Quadratmeter große Asphaltschicht am Haupteingang  – anhand von Baumaterialen auf die Unterdrückung und Verfolgung von Juden im Dritten Reich. Christian Boltanski zeigt uns in Résistance die Augenpaare der antifaschistischen Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“. Und Mel Bochner dokumtiert mit The Joys of Yiddish am oberen Teil der Fassade den verbalen Trotz im jüdischen Ghetto.

Die Ausstellungsmacher setzen insgesamt sieben Schwerpunkte: der Künstler als Historiker, als Dokumentarist, als Archivar, als Produzent und weiter der Künstler und der Körper, der Künstler und das Objekt sowie schließlich Sonic Boom. Schwerpunktmäßig werden Werke der 1980er bis frühen 2000er Jahre gezeigt. Die Ausstellung wurde von Christine Macel zusammen mit Julienne Lorz kuratiert. Die Begleittexte stammen allesamt aus dem Centre Pompidou. Im Einführungstext heißt es zur Zielstellung der Ausstellung

„[…] untersucht diese Ausstellung nicht nur globale künstlerische Verfahrensweisen im Kontext einer Sammlung und über einen gewissen Zeitraum hinweg, sondern fördert im Grunde die Bedeutung der Gegenwartskunst für unsere Zeit zutage.“

Das klingt für meine Ohren ein wenig zu allgemein. Die Begleittexte – an den Wänden und im Booklet zu finden  –  lassen mich als wenig erfahrenen Besucher ein bisschen ratlos zurück. Bei einer Ausstellung dieses eher kleinen Umfangs – sowohl was die Anzahl der Werke wie auch die abgedeckte Zeitspanne angeht – bei sieben Perspektiven von Schwerpunkten zu sprechen erscheint mir viel. Aber wie ordnet man vernüftig eine solche Sammlung, verschiedenster Künstler aus verschiedenesten Ländern, von denen jeder nur mit einem, maximal zwei, Werken vertreten ist? Immerhin bekommt man einen Eindruck über die Vielfalt der kontemporären Kunst, die nicht nur von westlichen Künstlern geprägt wird.

Die Ausstellung selbst führt durch einen sehr großen Raum, der die zwei raumgreifensten Installationen beherbergt, und 11 kleinere Räume, die sich rund um den zentralen Ausstellungsraum gruppieren. Insgesamt kommen wir mit den drei Stunden Besuchszeit gut hin. Die Werke der Ausstellung, die uns besonders gefallen haben, sind allesamt auf den Fotos.

Das Haus der Kunst verfügt über ein ungewöhnlich schönes Café – sogar eine Bar – bei der die Nutzung des Wortes Museumscafé in die Irre führen würde. Die „Goldene Bar“ ist direkt aus den Ausstellungsräumen im Erdgeschoss zugänglich, aber auch von außerhalb und bietet Sitzgelegenheiten draußen und drinnen – mal eher mit Bar-, mal eher mit Kaffeehausatmosphäre. An diesem sonnigen Himmelfahrtstag verbindet sie die Besucher, die von den Wiesen am Eisbach für Kaffee und Kuchen herüber kommen und die Ausstellungsbesucher.

Und hier noch der Überblick über die beteiligten Künstler:

Raum 1, Der Künstler als Historiker: Annette Messager (Frankreich), Mes Vœux | Glenn Ligon (USA) | Michel Basquiat (USA), Slave Auction | Chéri Samba (Demokratische Republik Kongo),  Marche de soutien à la campagne sur le SIDA | Marlene Dumas (Südafrika) | Hans Haacke (Deutschland), MetroMobiltan

Raum 2: Fabrice Hyber (Frankreich) | Thomas Hirschhorn (Schweiz), Outgrowth | Samuel Fosso (Kamerun), La Femme américaine libérée des années 70 | Erik Bulatov (Russland), Printemps dans une maison de repos des travailleurs | Ayse Erkmen (Türkei) | Sara Rahbar (Iran), Flag | Fang Lijun (China), Untitled | Chen Zhen (China/Frankreich), Round Table | Christian Boltanski (Frankreich), Les archives de C.B. 1965-1988 | Zhang Huan (China), Family Tree | Wilfredo Prieto (Kuba), Avalanche

Raum 3, Der Künstler und der Körper:  Regina José Galindo (Guatemala), Perra | Georges Tony Stoll (Frankreich), Le tunnel (Moby Dick) | Santiago Sierra (Spanien) | Oleg Kulik (Ukraine), Mad Dog | Dan Perjovschi (Rumänien), Romania und Removing Romania | Sarah Lucas (UK), Nud Cycladic 5 | Nicholas Hlobo (Südafrika), Balindile II | Anne-Maria Schneider (Frankreich)

Raum 4, Der Künstler als Dokumentarist: Niva Pereg (Israel), Sabbath | Goncalo Mabunda (Mozambique), O trono de um mundo sem revoltas | Subodh Gupta (Indien), Sister | Ahmed Mater (Saudi Arabien), From the real to the symbolic city | Zanele Muholi (Südafrika) | Kendell Geers (Südafrika), T.W. (I.N.R.I) | Atul Dodiya (Indien), Charu

Raum 5, Der Künstler als Archivar: Rabih Mroué (Libanon) | Hassan Darsi (Marokko), The Model Project | Taysir Batniji (Palestina) | Akram Zaatari (Libanon) | Walid Raad (Libanon) | Yto Barrada (Frankreich), Untitled

Raum 6, Der Künstler und das Objekt: Fernanda Gomes (Brasilien), Untitled | Gabriel Orozco (Mexiko), La D.S. | Tobias Putrih (Slowenien), Times | Wolfgang Tillmans (Deutschland), Suzanne & Lutz, white dress, army skirt | Damián Ortega (Mexiko),  Molécula de glucosa expandida

Räume 7 und 8, Der Künstler als Produzent: Liam Gillick (UK), Revision/22nd Floor Wall Design | Dominique Gonzalez-Foerster (Frankreich) | Pipilotti Rist (Schweiz) | Carsten Höller (Belgien), Jenny | Pierre Huyghe (Frankreich) | Michel Francois (Belgien), Affiche Cactus | Tobias Rehberger (Deutschland), Die Außenseiterin und der große Bach

Raum 9, Sonic Boom: Rirkrit Tiravanija (Thailand) | Oliver Payne & Nick Relph (UK) | Gregor Hildebrandt (Deutschland) | Andreas Gursky (Deutschland), Madonna I | Destroy all Monsters (USA) | Robert Longo (USA), Men in the Cities

Raum 10, Der Künstler als Historiker: Roman Ondak (Slowakei), Common Trip | Mircea Cantor (Rumänien),  Tasca che punge (Itching pocket) | Paweł Althamer (Polen), Tecza (Rainbow) | Chris Marker (Frankreich), Détour, Ceaucescu | Edi Hila (Albanien)

Raum 11, Der Künstler als Historiker: Danh Vo (Vietnam/Dänemark), The Sea of Fertility

Raum 12, Der Künstler als Historiker: David Maljkovic (Kroatien), Petrit Halilaj (Kosovo), It is the first time dear that you have a human shape (spider) |  Maja Bajevic (Bosnien-Herzegowina), Women at Work — Under Construction | Mladen Stilinovic (Serbien)

 


Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1
80538 München

Tagesticket: 12,- Euro