Boston Tag 4 – Hochzeit

Es ist Samstag. Heute wird geheiratet. Nach einer erholsamen Nacht im King-Size-Bett machen wir uns zum Frühstück auf, das praktischerweise auf der gleichen Etage nur wenige Schritte von unserem Zimmer serviert wird. Die angebotenen Speisen und Getränke sind nicht der Rede wert, jedoch treffen wir die ersten Hochzeitsgäste vom gestrigen Abend wieder und dann gesellt sich auch das Brautpaar kurz zu uns. Und plötzlich wird klar, wie viele der uns herum frühstückenden Menschen eigentlich dazu gehören. Fast alle.

Wir verbringen den Vormittag im Worcester Art Museum und schauen uns die wunderschön ausgesuchte Sammlung und die Sonderausstellungen an. Anschließend geht es für mich zur Schönheitspflege, Hand- und Fußnägel hochzeitstauglich machen. Gegen halb vier sind wir zurück im Hotel, es bleibt nur noch eine Stunde zum Anziehen und Schminken und schon fährt der erste Shuttle-Bus.

Wir entschließen uns, gemeinsam mit K und P das Auto zu nehmen, um rechtzeitig zum Ort der Trauung zu gelangen. Uns erwartet ein Raum in einem alten Industriegebäude, der liebevoll mit persönlichen Dingen von E und R dekoriert ist: Eine Tafel mit den wichtigsten Stationen ihres Kennenlernens (erster Kuss, erstes Date, Tag und Ort des Antrags, …), Hochzeitfotos von Eltern und Großeltern, ein witziges und gleichzeitig liebevoll zusammengestelltes „Programmheft“, Blumen, ein extra gebauter, Pavillion unter dem das Paar gleich stehen wird. Hier hat sich „ein ganzes Dorf“ wie die Trauzeugin später sagen wird, viele Gedanken gemacht, um den perfekten Tag auszurichten.

Unsere Eile war gar nicht notwendig, bevor nicht alle Gäste da sind und auch die Hochzeitsgesellschaft vom Fotos machen kommt, geht es nicht los. Doch dann beginnt der Einzug. Als erstes kommt die Traurednerin, eine Cousine von R, die extra für diesen Tag eine Lizenz zum Trauen bekommen hat. Als nächstes kommt schon E, Papa an der rechten und Mama an seiner linken Seite, danach die Trauzeugen und Brautjungfern und zuletzt R, ebenfalls an der Seite ihrer Eltern.

Die Trauung ist kurz, berührend und witzig zugleich. Nach einer halben Stunde erklingen die „I do’s“ und Mr. und Mrs. B sind Mann und Frau. So sehr, wie eine Trauung in Deutschland festgelegten Abläufen folgt – Texte unterbrochen von Musik und Andacht oder Gebet – so frei ist das Paar hier, den Ablauf der Trauzeremonie ganz nach seinen Vorstellungen zu wählen.

Nachdem die Verlobung, die Hochzeitsvorbereitungen mit Kennenlernen der Eltern und Auswahl der Trauzeugen sowie der Ablauf des Tages selbst den tradtionellen (wenig flexiblen) amerikanischen Gepflogenheiten entsprach, so sehr dringt jetzt die Freiheit durch, die man sich in Deutschland an dieser Stelle wohl nie nehmen könnte. E und R gelingt es, schon mit der Wahl der Traurednerin, aber auch mit den Inhalten der Trauversprechen eine sehr persönliche und familiäre Atmosphäre zu schaffen, die man einatmen und festhalten möchte.

Der Auszug der Brautleute endet direkt an der Bar und die Party beginnt mit der „Cocktail Hour.“ Es gibt lokales Bier und internationale Longdrinks. Später weichen die Getränke dem Essen, das Essen den Reden, die Reden dem Tanzen und das Tanzen dem gemeinsamen Ausklang in einer nahegelegenen Bar.

Schön war es. Erinnerungen sind es schon jetzt.

02.05.2015

Das Worcester Art Museum

Das dritte Museum auf unserer Reise ist das städtische Kunstmuseum in Worcester, kurz WAM. Wahrscheinlich sind wir einzigen Hochzeitsgäste, die den Morgen des Hochzeitstages im Museum verbringen. Wir fühlen uns jedoch sehr gut aufgehoben. Das Museumsteam gibt sich große Mühe, dass sich die Besucher wohl fühlen und verweilen. Es gibt immer wieder Inseln zum Hinsetzen, um Kindern Bücher vorzulesen, zum Kaffeetrinken und selbst eine Partie Dame kann man hier spielen. In fast jedem Raum stehen ein oder mehrere Guides, die nicht nur Sicherheitspersonal sind, sondern als Ansprechpartner für unsere Fragen zur Verfügung stehen. Auch die Oma der Braut hat hier mal als Guide gearbeitet.

Die Sammlung ist klein aber fein, sie reicht von Mittelalter und Renaissance über europäische und amerikanische Maler bis hin zur zeitgenössischen Videoinstallation von Nam June Paik. Eines unserer Lieblingsstücke findet sich direkt zu Beginn unserer Tour im Untergeschoss: Bill Viola stellt mit Union (2000) in extrem langsam gefilmten Videos die Mimik und Gestik der religiösen, mittelalterlichen Malerei nach. Und erreicht damit große Verblüffung. Unse Blick schweift immer wieder zu dem bildlichen Vorbildern an den umgebenden Wänden – und wirklich, der Aussruck vom Armen, Oberkörper und vor allem Gesicht im Video ist den mehrere hundert Jahren alten Vorbildern wahnsinnig ähnlich.

Nach zwei Stunden treten wir wieder hinaus in die Sonne. Damit das Universum im Gleichgewicht bleibt, folgt nun die eher typische Hochzeitsvorbereitung: Mani-Pedi – also Maniküre, Pediküre und Lackieren der Nägel.

Boston Tag 3 – Harvard, Beacon Hill, Boston Library, Worcester

Und auch am nächsten morgen sind wir wieder früh wach. Da wir unsere Räder noch bis halb elf nutzen können und im Hostel erst um elf auschecken müssen, entschließen wir uns zu einem schnellen Frühstück und anschließender Radtour am Fluss entlang nach Harvard. Der Radweg selbst liegt zwar am Fluss, aber eben auch neben der Autobahn. Wir müssen nicht mit anderen die Straße teilen, in der morgendlichen Rush-Hour ist es aber dennoch kein super entspanntes Radeln sondern vor allem laut. Gegen zwanzig nach neun taucht der Harvard Campus auf der anderen Flussseite auf. Und wie im Film sehen wir auch gleich die ersten Ruderer beim Training, Damen- und Herren-Achter und Vierer. Es ist wie im Film.

Wir überqueren den Fluss, lassen den Campus diesmal aus, und fahren auf der anderen Flussseite zurück in Richtung Stadt. Nach einem falschen Abzweig und kleinen Schlenker durch Fenway müssen wir uns nun langsam beeilen, um die Räder rechtzeitig zurückzubringen und auszuchecken. Aber zwei Doughnuts müssen noch mit.

Wir lassen die Taschen im Hotel und verbringen den Rest des Tages zu Fuß in der Stadt. Wir spazieren durch Beacon Hill, Back Bay und schauen uns den Copley Square an. Anschließend folgen wir Aarons Tipp und schauen uns die Boston Library an. Einmal pro Tag wird eine Führung angeboten, da diese heute aber bereits um 11.00 Uhr war, nehmen wir uns die Räume selbst vor. Besonders der Innenhof mit Springbrunnen und der große Lesesaal im ersten Stock sind einen Blick wert. Überall herrscht geschäftige Ruhe, genauso wie in der Bib zu Uni-Zeiten.

 

 

Nach einem schnellen Sandwich machen wir uns auf den Rückweg zum Hotel. Wir treffen unsere kanadischen Mitbewohner ein letztes Mal, holen unsere Koffer und machen uns zum Mietwagenverleih auf. Erwartungsvoll, welches Auto wir wohl bekommen, stehen wir am Schalter. Der Alamo-Mitarbeiter sucht unsere Reservierung, findet nichts. Fragt nach Ms Namen und findet wieder nichts. Schreibt meinen Namen von der Reservierungsbestätigung ab, kein Treffer. Und dann fällt es auf: Der Mitwagen ist nicht für heute, sondern schon für gestern reserviert gewesen. Oh nein, in drei Stunden wollen wir in Worcester sein und jetzt haben wir kein Auto reserviert. Es lässt sich nicht mehr nachvollziehen, wie die Verwechslung im Datum zustande kam, aber durch einen Kniff, kann der hilfsbereite Mann am Counter die Reservierung doch noch aufrufen. Es gibt noch Autos, allerdings nur größere als bestellt. Wir zahlen also den Aufpreis, froh, dass die Miete doch noch klappt und brausen mit einem Nissan Altima aus dem Parkhaus.

Anstelle der mautpflichtigen Autobahn nehmen wir die alte Poststraße (Route 20) nach Worcester. Es ist Feierabendverkehr und es geht nur langsam voran. Aber stetig bewegen wir uns aus dem Bostoner Großraum und hinein in die Vororte. Bis Worcester wird es kaum richtig ländlich, so dicht ist die Gegend besiedelt. Kurz nach sieben treffen wir am Hotel ein. Gerade rechtzeitig, um die anderen Hochzeitsgäste kennenzulernen und zum Abendessen zu gehen. Wir entscheiden uns für Steak und das 111 Chop House in Worcester. Eine sehr gute Wahl, denn – obwohl wir es uns schon für Boston vorgenommen hatten – sind wir bisher noch nicht essen gegangen.

01.05.2015