Wochenrückblick (#18)

Die Katze hat uns oft besucht diese Woche. Sie war so anhänglich, dass sie sich nicht nur ausgiebig hat streicheln lassen, sondern dann sogar über Nacht geblieben ist. Ihre Familie war über Silvester im Urlaub und noch nicht zurück.

|Gesehen| The Good Wife (3. Staffel)
|Gelesen| Henry Miller: Big Sur and the Oranges of Hieronymus Bosch
|Gehört| Richard Wagner: Parsifal Vorspiel
|Getan| Abschiedsbesuch in Berkeley (G), im Seminar in Stanford vorgetragen (M), mit Yoga und Pilates wieder angefangen, nochmal richtig viel Brot gebacken, die Katze längere Zeit zu Besuch gehabt, einmal sogar über Nacht, Basketball und Tennis gespielt, im De Young Museum David Hockney angeschaut
|Gegessen| Pasta Bolognese, Maissuppe, Süßkartoffeln aus dem Ofen mit Salat, Satsuma-Mandarinen, Brot von ACME, Broiler
|Getrunken| Santa Cruz Limonade
|Gedacht| Was machen wir nur mit dem ganzen Rettich, der in unserer Gemüsekiste war?
|Gefreut| über einen schönen Regentag im Museum
|Gelacht| über die Katze und M zusammen auf dem Sofa
|Geärgert| über lange Schlangen beim Ticketverkauf im DeYoung Museum
|Gekauft| Cal T-Shirt
|Gewünscht| Schnee in Squaw Valley
|Geklickt| craigslist für den Verkauf unsere Räder und von ein paar Haushaltsgegenständen

Basketball in der Halle gegenüber

Am Abend seit einer Ewigkeit mal wieder Basketball gespielt: Vier gegen Vier, half court. Nach einer Stunde war ich komplett geplättet. Bin mit zwei „Handicaps“ in die Partie gestartet: Brille auf der Nase und Schuhe am Fuß, die so rutschig waren, dass ich mich auf dem astrein lasierten Parkett wie eine Primaballerina auf dem Eis bewegte. In der Offensive hielt ich mich mit einem grauenhaften Airball (Wurf, der nicht mal den Ring berührt) und zwei Abstauber-Korblegern zurück. Meiner eigenen Betrachtung nach konnte ich mich in der Defensive ein wenig zum Big G (German) aufschwingen, da die 70 Prozent der Angriffe, die über meinen Gegenspieler gingen, nicht zu 70 Prozent der Punkte gegen uns wurden. Und bei den zwei Partien war ich jeweils im Siegerteam. Ehrlich gesagt glaube ich aber, dass die mich „stiff“ (den Hüftsteifen) nannten. Soviel zu meiner Form… Na ja, jetzt bräuchte ich jedenfalls ein Ermüdungs- äähhh – Entmüdungsbad und dann: Gute Nacht!

SF to LA – Tag 2

Cambria – LA

Am zweiten Tag verließen wir doch recht zügig Cambria und verpassten so das morgendlich beschauliche Treiben dort. Wir hatten halt noch 240 Meilen vor uns bis zum nächsten Etappenziel Los Angeles. Den Frühstückshalt genehmigten wir uns in Pismo Beach. Gemäß unserer Devise „Siehst du Menschen Schlange steh’n, musst du dorthin Essen geh’n“ gab es Zimtschnecken zum Frühstück. Wie schon Raman am gestrigen Morgen, haben wir die Old West Cinnamon Rolls zufällig gefunden: dran vorbeigefahren, Schlange gesehen und angehalten. Die noch warmen Zimtschnecken gibt es pur oder noch mit Toppings wie Nüssen, Mandeln, Rosinen oder sogar Cheesecake-Frosting.

Seinem Namen entsprechend hat der Ort einen enormen Sandstrand und eine ins Meer hinausragende Seebrücke, von der aus man den Surfern zuschauen kann. Hier kommt das erste Mal wirkliches „SoCal-Feeling“ auf, Südkalifornien-Flair: Breite Strände, Surfer, Sonne.

Die einzige Hauptstraße in Pismo Beach ist etwas in der alten Zeit hängen geblieben. Die Cafés und Restaurants erinnern mit ihren aufwendig bunten Leuchtreklamen stark an die Rock’n’Roll-Zeit der 50er Jahre, als das Auto geradezu essentiell für die erste Kontaktaufnahme von Jungen und Mädchen in ihren „Teens“ war (was uns zu George Lucas sehenwertem Highschool-Coming of Age-Rock’n’Roll-Streifen American Graffiti leitete). Etwas von dieser Zeit hallte noch nach, als das ohrenbetäubende Horn eines riesigen Trucks – ausgestattet mit kalifornischer und amerikanischer Beflaggung – unsere Morgenruhe zerriss, um einer Gruppe von Mädchen kokettes Kichern zu entlocken.

Reiseführer geben ja zu einem Großteil die Realität schon ganz gut wieder. Und mit der Krönung von Santa Barbara als die schönste aller kalifornischen Kleinstädte haben sie durchaus nicht zu hoch gegriffen. Wir kamen dort zu Mittag an. Erster Anlaufpunkt war die Mission. Da wir von diesen für die Entwicklung Kaliforniens sehr wichtigen Einrichtungen schon ein paar gesehen haben, schauten wir uns nur sehr kurz um und gingen dann zielgerichtet über den gepflegten Rasen zu der im Baumschatten einladenden Bank, um den zweiten Teil unseres Proviants zu verzehren. Als begleitende Attraktion schauten wir zwei Paaren von Frisbee-Werfern zu, was unsere sommerlich südlandischen Empfindungen unterstützte. Dazu tragen auch die hier recht einheitlich gestalteten Häuser bei: alle in einem Art spanischen Kolonialstil, der die Wände weiß und die Ziegel der Dächer rot erstrahlen lässt.

Die beträchtlichen Menschenmengen im Zentrum von Santa Barbara ließen uns dann doch bald gen LA aufbrechen. Ein kurzes Stück noch im Landesinneren und dann wird der Highway No. 1 wieder zur Küstenstraße. Wir näherten uns aus westlicher Richtung LA. Wer wie einige von uns in den 90er Jahren aufgewachsen ist, dem wird aus dem TV-Konsum Malibu Beach ein Begriff sein. Doch die adretten Rettungsschwimmer aus der Fernseh-Serie (Pamela Anderson, David Hasselhoff und Konsorten) an ihrem weiß schimmernden Strand haben wir irgendwie nicht zu Gesicht bekommen. Allein eine dieser ominösen roten Rettungsbojen hing als Reminiszenz an einem der Rettungshäuschen.

Na ja, irgendwie riefen auch schon die achtspurigen Highways von LA und so zogen wir zügig weiter begleitet von einer kilometerlangen Blechlawine, die sich keineswegs mit uns in Richtung Stadt bewegte, sondern still den Straßenrand säumte: Die Strände zogen (auch?) an diesem Tag unzählige Besucher an, die aufgrund der Enge des Küstenabschnitts nur entlang der Straße eine Chance haben, ihre Schlitten abzustellen.

Unser Hotel, diesmal ein Best Western, war recht einfach zu finden, ist doch alles Wichtige in LA nahe eines Highways. Wir haben nur kurz den Koffer abgestellt und sind dann hinaufgefahren zum Griffith Observatory. Auf den Blick über die Stadt bei Nacht hatten wir uns schon den ganzen Tag gefreut.

Und etwa eintausend andere Menschen auch. Die erste Straße, die zum Observatorium führte, war für den Verkehr gesperrt worden. Auf der zweiten standen hunderte Autos Schlange. Der freundliche Officer erklärte uns, dass der Parkplatz des Observatoriums überfüllt sei und sie erst in 20 Minuten wieder öffnen würden. Wir entschlossen uns, nicht vor Ort zu warten sondern erstmal bei Umami-Burger Abendessen zu gehen und es gegen 21.00 Uhr, eine Stunde vor Schließung, nochmal zu versuchen.

Das hat sich gelohnt. Wir fanden jetzt recht schnell einen Parkplatz und hatten noch genügend Zeit, die verschiedenen Attraktionen des Observatoriums anzuschauen. Allen voran der Blick über die Stadt (siehe Artikelbild oben), der Blick durch das Fernglas auf den momentan gut sichtbaren Jupiter und vier seiner (sechzig) Monde und das Foucaultsche Pendel. Nur einen Blick durch das große Zeiss-Teleskop hat es nicht mehr gereicht, die Schlange war lang und das Ende der Öffnungszeit zu nah. Es ist dennoch der wohl schönste erste Eindruck, den man von einer Stadt (und besonders von LA?!) bekommen kann.

Auf dem Weg zum Hotel sind wir noch durch die abendlichen Boulevards gefahren, vorbei an den teueren Geschäften, den vielen Kinos, den Clubs und den Sternchen im Asphalt. Das ist das LA, wie man es aus den vielen Filmen und aus dem Leben der Stars und Sternchen kennt. Wir streiften diese Seite der Stadt nur kurz, denn auch am nächsten Tag haben wir uns schon wieder zu einem Hügel oberhalb der Stadt aufgemacht.

Hier geht’s weiter mit Tag 3.

Macami: Mandel-Cashew-Milch

„Jetzt dreht sie völlig durch,“ höre ich meinen Papa trotz der 9.223 Kilometer Entfernung schon förmlich rufen, „wozu braucht man den sowas? Sie kann doch wirklich was Richtiges essen.“ Und damit hat er Recht, klar „braucht“ niemand Milchersatz aus Wasser und Nüssen zu machen und klar, essen wir auch was anderes. Aber das musste ich ausprobieren. Fertigungstiefe, ihr wisst schon.

Angefixt durch ein kalifornisches Foodblog, das eine Freundin unserer Nachbarin schreibt, wollte ich einen ganz bestimmten Smutie (a.k.a. Smoothie) machen. Und dazu brauchte ich Mandelmilch. Da sie davon schwärmt, wie viel besser die hausgemachte Version schmeckt und unser Haus- und Hofsupermarkt die benötigten Nussmilchbeutel anbot, tätigte ich die Investition. Es geht aber auch mit jedem anderen Nylon-Beutel (z.B. einem Wäschesäckchen) oder sogar mit einem Baumwolltuch (z.B. Geschirrtuch, vorher kurz ausgekocht). Notwendig ist allerdings ein Standmixer mit Schneidstab, der halbwegs Power hat. Aber selbst mein kleiner Pürierstab-Mixer hat es gut hinbekommen.

Die Mandel-Cashew-Milch schmeckt mir tatsächlich besser als die aus dem Supermarkt, die immer ein bisschen kreidig-kalkig ist. Allerdings bleibt es Mandelmilch, schmeckt genauso wie sie gemacht wird: nach Mandelwasser. Mit richtiger Milch ist sie hinsichtlich ihrer Cremigkeit und auch des Geschmacks nicht zu vergleichen. Mit ein bisschen Salz oder Zucker oder auch Gewürzen kann man die Macami noch verfeinern und erhält so ein eigenständiges Produkt. Nur eben keine Milch.

Der Versuch hat sich sehr gelohnt, der Smutie überzeugt auf ganzer Linie, gerade wegen der Mandelmilch. Hier erstmal das Rezept für die Macami. Das Smutie-Rezept folgt in den nächsten Tagen.

Zutaten:

150g Mandeln (ganz, nicht geschält, nicht geröstet)
130g Cashewnüsse (ganz oder Bruch, nicht geröstet, nicht gesalzen)
450ml Wasser zum Quellen (stilles Mineralwasser oder Leitungswasser, je nach Geschmack)

750 ml Wasser zum Milchmachen (stilles Mineralwasser oder Leitungswasser, je nach Geschmack)

Zubereitung:

1. Mandel und Cashewnüsse in ein hohes Gefäß geben und etwa 12 Stunden in Wasser quellen lassen. Sie vergrößern sich dabei deutlich.

2. Nüsse abgießen. Bei mir blieben jetzt 400g gequollene Nüsse übrig. Diese in einen Mixer  und 750ml Wasser dazu geben. Hier kann Mineralwasser ohne Kohlensäure nehmen, wenn man das Leitungswasser nicht so mag. Bei meiner Mixergröße habe ich das ganze in zwei Portionen gemacht: also jeweils 200g gequollene Nüsse mit 375 ml Wasser. Etwa 3 Minuten lang wirklich fein mixen. Ein Standmixer oder Vitamix schafft das aber auf einmal.

4. Die Mischung in einen Nussmilchbeutel umfüllen und über einer großen Schüssel gut ausdrücken. Beutel so lange kneten und drücken bis keine Flüssigkeit mehr rauskommt. Bei mir sind 950ml Macami entstanden. Die meisten Rezepte nutzen mehr Wasser und erhalten dann dünnere Milch, ich wollte sie aber nicht ganz so wässrig haben.

5. Macami in ein verschließbares Gefäß umfüllen und im Kühlschrank aufbewahren. Sie hält sich etwa 3-4 Tage.

6. Die übrig gebliebene Nussmasse – bei mir waren es 245g – im Kühlschrank aufbewahren und damit Kuchen backen, Pfannkuchen machen oder sie zum morgendlichen Porridge geben. Wenn man sie nicht sofort verwenden kann, einfrieren.

Timothy Ferris: The 4-Hour-Workweek

The 4-Hour-Workweek ist ein Sachbuch, das versucht zu erklären, wie man mit so wenig Arbeit wie möglich seine Ziele im Leben erreichen kann. Es dreht sich um die Frage, was man im Leben gerne machen will, wie viel Geld man dazu benötigt und wie man es mit möglichst wenig Zeitaufwand verdient. Die Idee ist es Lebensträume nicht erst zur Rente wahr werden zu lassen, sondern während des Berufslebens schon Raum und Geld dafür zu schaffen.

Das Buch beginnt damit zu fragen, wie man seine Träume und Ziele überhaupt findet, wie man sich vor Ablenkung schützt und welche täglichen Zeitfresser es sind, die einen acht Stunden im Büro halten. Er gibt Hinweise zur Steigerung der eigenen Produktivität und erläutert, welche Möglichkeiten man hat, um seinen momentanen Job außerhalb des Büros und jenseits fixer Arbeitszeiten zu erledigen.

Die Umsetzung der Vier-Stunden-Woche nach seinem Vorbild wäre ein eigenes kleines Unternehmen, das kaum aktive Steuerung erfordert aber jeden Monat genügend Geld zur Finanzierung der eigenen Träume abwirft. Hier gibt Ferris konkrete Hinweise dazu, wie man ein neues Produkt erdenkt, auf Markttauglichkeit testet, einen Onlineshop aufsetzt und dann genügend davon verkauft.

Was den Inhalt angeht bin ich gemischter Meinung. Einerseits sind ein paar sinnvolle Überlegungen drin (z.B. mehrmonatige Auszeiten schon während des Berufslebens schaffen, statt alles auf die Rente zu verschieben), andererseits dürfte Ferris’ Vorstellung davon, wie das zu finanzieren ist – nämlich ein kleines Unternehmen gründen, das einen profitablen Nischenmarkt bedient – nur für die wenigsten umsetzbar sein. Wer es dennoch versuchen will, findet am Ende jedes Kapitels kleine Übungen und Aufgaben, die es erleichtern sollen, mit den einzelnen Punkten anzufangen.

Das ist das erste Hörbuch, das ich nicht als Hörbuch empfehlen würde. Zu jedem Kapitel gehört ein umfangreicher Anhang mit Links und Verweisen, die dann alle stoisch mit vorgelesen werden. Zum Nachschlagen ist das ziemlich unpraktisch. Und noch dazu ist es Zeitverschwendung seitenweise Internetlinks vorzulesen. Wen also die Idee interessiert, besser das richtige Buch oder noch besser das E-Book nutzen. Dann kann man die Vielzahl enthaltener Links auch direkt anklicken.

Timothy Ferris (2009): The 4-Hour Workweek: Escape 9-5, Live Anywhere, and Join the New Rich (Expanded and Updated), Hardcover, Harmony.

Wochenrückblick (#17)

Euch allen auf diesem Weg nochmal ein gesundes, schönes, entspanntes, spaßiges, interessantes, kuscheliges, lichtvolles und faszinierendes neues Jahr. Wir waren rechtzeitig vor Mitternacht aus LA zurück und haben den Jahreswechsel in San Francisco verbracht. Nun beginnt unser letzter Monat hier.

|Gesehen| Girls (erste und zweite Staffel), American Graffiti, Beasts of the Southern Wild
|Gelesen| Salman Rushdie: Joseph Anton (im Auto als Hörbuch)
|Gehört| Mahler, 6. Symphonie, Tom Petty: Into the great wide open
|Getan| im Pazifik gebadet, Tennis gespielt (und dazu nach vier Monaten das erste Mal den extra deswegen mitgebrachten Schläger benutzt!)
|Gegessen| Enchiladas mit Blumenkohl, Portobellopilzen und Stängelkohl; gefüllte Paprikaschoten; Quiche; Pasta mit Knoblauch und Kürbis; gegrillte Artischocken und Cheesecake in der Cheesecake-Factory; Möhrenkuchen; Kartoffelsalat mit Sour Cream und Kerbel; Pfannkuchen, Baked Beans und Käsetoast als spätes Sonntagsfrühstück
|Getrunken| Smoothies mit selbstgemachter Mandelmilch, jede Menge Tee, Limonade oder Cola auswärts
|Gedacht| so langsam bricht die Zeit der „letzten Male“ an
|Gefreut| über Weihnachtspost von Ms Schwester und auf das neue Jahr
|Gelacht| über den Postillon Hoax in der Profalla-Affäre
|Geärgert| über Misserfolge beim Brotbacken, Weizenvollkornmehl und ich – wir werden hier in SF keine Freunde mehr (zum Glück ist es jetzt alle)
|Gekauft| einen Nussmilchbeutel
|Gewünscht| eine neue Regenjacke
|Geklickt| diese Woche ziemlich viel bei Twitter rumgeklickt

SF to LA – Tag 1

San Francisco – Cambria

In die Vorfreude auf unsere Reise nach Südkalifornien mischte sich auch ein gutes Maß an Ungewissheit. Da wir insgesamt nur wenige Tage eingeplant hatten, mussten wir relativ lange Fahrstrecken für jeden Tag auf uns nehmen. Fraglich war deshalb, wie viel wir abseits der Fahrt überhaupt sehen können. Oder, ob wir nur den Transit vollziehen, um rechtzeitig bei unseren vorgebuchten Hotels anzukommen.

Die Etappenziele waren also klar mit Los Angeles (LA) als Hauptziel. Das erschien uns als Wagnis. Wenn man sich ein wenig abseits der touristischen Reiseführer über LA informiert und umhört, dann nimmt man etwa folgende Eindrücke mit: ein einziges Verkehrschaos, in dem der Fußgänger (oder auch der Radfahrer) praktisch nicht existiert; pre-apokalyptischer Moloch; riesiges zersiedeltes Gebiet; oberflächliche Menschen, die einem uniformen Schönheitsideal eisern mit Hilfe zahlreicher OPs nacheifern; ein einziges soziales Problem, das die Superreichen in nächster Nähe zu den Ärmsten und teilweise schon Halbtoten dahinleben lässt (wobei die einen den Schein und die anderen das bitterste Sein nicht verbergen können). Wir fragten uns also, ob LA bei uns überhaupt eine Chance hat, oder ob wir nach ein paar Stunden weiter nach Süden ins hochgelobte San Diego flüchten würden. Letztlich bestand auch eine kleine Unbehaglichkeit darüber, die letzten Tage des Dezembers ohne Schnee und winterliche Temperaturen, sondern im immer gleichen kalifornischen Sommer zu verbringen.

Wir verließen jedenfalls San Francisco Downtown gegen halb zehn Uhr morgens mit unserem Mietwagen und selbstgemachtem Proviant an Bord. Unser erstes Etappenziel war Cambria, südlich von San Francisco an der Küste gelegen. Auf dem Landweg sind das ungefähr vier Stunden Fahrt. Da wir aber den Highway No. 1 an der Küste fahren wollten, mussten wir mit deutlich mehr Fahrtzeit rechnen. Da wir die Gegend um Monterey und Point Lobos schon erkundet hatten, sind wir diesmal daran vorbeigefahren. Ansonsten wäre dies das perfekte Etappenziel für den ersten Tag.

Bald nach der Stadtgrenze trafen wir auf die Küste, die auch hier aus einer faszinierenden Abwechslung von sowohl Strand und Dünen als auch bis ans Wasser reichender sanfter Hügel besteht. Ein Ort mit dem poetischen Namen Half Moon Bay war unser erster Stopp. Auf der Suche nach Frühstück ließen wir den Starbucks im Einkaufszentrum rechts liegen und bogen nach links in die Hauptstraße ab. Dies erwies sich als Glücksgriff, weil keine 200 Meter weiter ein lokaler Coffee-Shop zu finden war. Bei Raman besorgten wir uns Frühstück und einen Chai (-Tee). Raman ist Inder und machte mit seinem gelben Shirt, dem Vollbart und besonders mit seiner in sich ruhenden Art der Bedienung großen Eindruck auf uns. Wir fühlten uns spirituell so erhöht, dass wir auf seine Frage, wie wir unseren Tee möchten, nur mit blumigen Vokabeln wie „ausgeglichen“, „den Geist befreiend“ usw. antworten konnten. Raman wollte allerdings nur wissen, wie viel Zucker, Milch und Gewürze er in den Tee mischen soll. Trotz dieser Profanität immer noch spirituell beschwingt machten wir uns zum nahen Poplar Beach auf, um auf einer Bank über dem Strand unser Frühstück zu genießen.

Weitere schöne Strände und State Parks ließen wir aus, um erst wieder in Santa Cruz zu halten. Der Ort hat eine Uni, ist aber vor allem für seine Surf-Kultur bekannt. Eine Plakette verrät uns, dass diese von einem hawaiischen Prinzen an diesen Ort gebracht wurde. Von den Klippen kann man die Surfer beobachten, wie sie wie Vögel im Wasser sitzen und auf die nächste Welle warten. Der Surf-Spot heißt Steamer Lane, da die Wellen sich über einer alten Fahrrinne für Dampfboote aufbauen. Wir konnten ein paar ganz beeindruckende Wellenritte beobachten, so dass wir im sonnigen Wetter zum ersten Mal ein wenig das (süd-)kalifornische Lebensgefühl einsogen. Es muss allerdings bemerkt werden, dass auch hier die Surfer immer noch Neoprenanzüge tragen; und das änderte sich im Verlauf unserer Reise auch nicht.

Nach einer guten Stunde Fahrt erreichten wir den Küstenabschnitt, der als der schönste im kalifornischen Süden gilt: Big Sur. Allerdings ist es ein Ort, der sich versteckt. Eigentlich ist es gar kein richtiger Ort, da kein Schild sein Beginn und sein Ende kennzeichnet. Lediglich ein paar Menschen leben hier. Abseits von der Straße, hinter hohen Bäumen im Wald wollen sie – so scheint es – nur ihre Ruhe. Auch die durchaus vorhandenen Hotels und Restaurants in diesem Gebiet sind nur dezent ausgeschildert. Alles fing wohl in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts an, als Sträflinge den Highway und einige schluchtenüberspannende Brücken bauten. Henry Miller lebte hier von 1942 bis 1962 und suchte hier Abgeschiedenheit nach seinen Pariser und New Yorker Jahren. Er wurde so etwas wie der Weise vom Berge (vergleiche Herman Hesse in Montagnola), indem er Spirituelle und Künstler aller Art, Anarchisten und Anhänger eines Geschlechtskults anzog, die aber in der rauen Einsamkeit nicht lange geblieben sind. Wir jedenfalls durchfuhren das Gebiet bis zum Pfeiffer Beach, um auf purpurnem Sand mit Blick auf wellenumspülte Felsen ausgiebig zu picknicken.

Im Dunkeln kamen wir dann in Cambria an. So konnten wir die opulente (Weihnachts-)Beleuchtung der putzigen Restaurants und Läden entlang der Hauptstraße in vollen Zügen genießen. Für das Abendessen entschieden wir uns für eine Kombination aus Schnellimbiss und Restaurant. Einmal akklimatisiert schmeckte auch der reichlich fettige Burger, konnte man beim Kauen dem Sportprogramm an mehreren Bildschirmen mit Gelassenheit folgen, nahm man im Nebenher die Kommentare und Alltagsgeschichten an den im hallenartigen Raum verstreuten Tischen war. Zwischen Schlücken vom Light-Bier war man angekommen bei den Leuten, die sich hier allabendlich für Nichts und Alles treffen.

Hier geht’s weiter mit Tag 2.