Monatsrückblick – November 2016

|Gesehen| Michael Haneke: Die Klavierspielerin – Guillermo del Toro: El laberinto del fauno – Steven Spielberg: The Sugarland Express – Chris Kraus: Poll – Noah Hawley: Fargo, Staffel 2 – Richard Curtis: Love Actually – Arnaud de Pallières: Michael Kohlhaas – Maximilian Erlenwein: Stereo
|Gelesen| Uwe Johnson: Eine Reise nach Klagenfurt – Bov Bjerg: Auerhaus – Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein – Ryszard Kapuscinski: Meine Reisen mit Herodot – Max Frisch: Montauk – Carolin Emcke: Gegen den Hass
|Gehört| Robert Schumann: Klaviersonate No. 1 Op. 11
|Getan| mit A&M im Kindermuseum sowie im Museum für Naturkunde in Berlin gewesen
|Gegessen| Ramen Nudeln (Shoyu und Miso) bei Takumi Nine in Prenzlauer Berg, Blumenkohlkuchen, Radicchio-Linsen-Salat mit karamellisierten Walnüssen und Kräuter, eigenes Brot und wie immer mehrfach Bagel
|Getrunken| Kaffee bei The Barn Roastery in der Alten Schönhauser Allee, Kaffee mit Kardamom, Paulaner Spezi, Pineau de Charentes (aus dem Urlaub mitgebracht), den ersten Glühwein noch vor dem ersten Advent
|Gedacht| mal wieder erster Advent bereit im November
|Gefreut| darüber, dass der lokale Edeka einen Vorschlag ins Sortiment genommen hat (Landliebe Grießpudding Vollkorn)
|Gestaunt| wir haben es trotz der vielen Arbeit und Reisen diesen Monat tatsächlich geschafft, einen Weihnachtskalender zu basteln
|Gelernt| viele, eng getaktete Aufgaben kriegt man mit einem tollen Team wirklich gut weggearbeitet, dennoch geht es mehr an die Substanz als ruhige Projektphasen
|Gelacht| mit A&M
|Geärgert| über die Atmosphäre in einer deutschen Mensa bei Semesterbeginn, über das Wahlergebnis in den USA, über Rückenschmerzen
|Gekauft| neue Klamotten für den Winter (Jeans, Cardigan, Bluse, Rock und ein T-Shirt)
|Gewünscht| dass bald ein paar freie Tage kommen
|Geklickt| Online-Shopping-Seiten auf der Suche nach Winterklamotten und einem neuen Sofa

Sheryl Sandberg: Lean In

Es war klar, dass ich das Buch auch noch lesen würde, oder? Lean In ist das erste Buch von Sheryl Sandberg, die eigentlich im Vorstand von Facebook ist und dort das operative Geschäft leitet. Im Buch diskutiert sie den Willen und die Möglichkeiten von Frauen, sich beruflich so richtig „reinzuhängen“. Das nämlich bedeutet der Titel auf deutsch.

Eine ihrer Thesen, die ich vorher so noch nicht gelesen hatte, ist, dass Frauen – bewusst und unbewusst – schon einen Gang zurückschalten, weil sie eventuell irgendwann einmal Kinder bekommen könnten. Das heißt, obwohl sie weder schwanger, noch verheiratet sind oder manchmal noch nicht einmal einen Freund haben, treffen sie berufliche Entscheidungen schon derart, dass ihre potenzielle spätere Familienarbeit damit zu vereinbaren wäre. Empirisch ist dieser Zusammenhang meines Wissens nach nicht belegt. Basierend auf Arbeitsmarktdaten dürfte das kausal auch schwierig zu machen sein – Schuld ist die unbeobachtbare Heterogenität, für die Insider unter uns.

Von dieser Hypothese abgesehen gibt das Buch einen netten Überblick über verschiedene falsche Abzweige, die Frauen bei ihrem beruflichen Aufstieg immer wieder nehmen. Sie erläutert, weswegen zwar so viele Frauen am Fuß des Berges starten, aber so wenige oben ankommen. Für jemanden wie mich, der sich jahrelang in der Bildungs- und Arbeitsmarktforschung rumgetrieben hat und die gängigen Aussagen kennt – Mächen machen die besseren Abschlüsse, Frauen sind untereinander zu selten solidarisch, sie nehmen ihre Partner zu wenig in die Verantwortung – lernt man beim Lesen wenig hinzu.

Was nicht heißt, dass es ein schlechtes Buch ist. Das heißt nur, ich hatte mir mehr Einblicke von der „dunklen Seite der Macht“ gewünscht – zum Beispiel in Anekdoten, lessons learned oder von mir aus auch Ratschläge. Davon beinhaltet das Buch zwar ein paar, für die ich aber in jedem Kapitel einige Seiten an Forschungsergebnissen hinter mir lassen musste. Ich selbst hätte daher von einer reinen Biographie wahrscheinlich mehr gehabt.

Es war das erste Ebook, das ich auf meinem Telefon gelesen habe. Ging gut.

Sheryl Sandberg (2013):  Lean In – Women, Work and the Will to Lead, Alfred A. Knopf (Random House), Copyright Lean In Foundation.

Wie es ist, nicht zu arbeiten

Mehr als sechs Wochen ist mein letzter offizieller Arbeitstag inzwischen her. Zuvor lagen noch einmal so viele Wochen Resturlaub. Zeit, darüber zu berichten, was ich so treibe und wie es sich so anfühlt ohne Job zu sein.

Arbeitslos bin ich nicht, zumindest nicht im Sinne der deutschen Behörden. Mit meinem Aufenthalt hier gelte ich nicht als arbeitssuchend, ich könnte ja auch gar keine Arbeit in Deutschland suchen, Vorstellungstermine wahrnehmen oder mich bei der Agentur melden. Damit erhalte ich auch keine Arbeitslosenunterstützung. Rein statistisch zähle ich zu den Nichterwerbspersonen, also Menschen im arbeitsfähigen Alter, die aber nicht am Arbeitsmarkt aktiv sind. Um es vorweg zu nehmen: bisher komme ich ganz gut damit klar.

Um mit M mitgehen zu können, musste ich meinen Vertrag auslaufen lassen. Trotz allem Entgegenkommen meines Arbeitgebers und einem erneuten Verlängerungsangebot, wäre es nicht möglich gewesen, fünf Monate am Stück vom anderen Ende der Welt aus zu arbeiten. Das passte zu meinem Gefühl, dass meine Zeit in der Wissenschaft fürs Erste zu Ende ist. Geahnt hatte ich das schon eine Weile, aber seit unsere Pläne konkreter wurden, habe ich daran nicht mehr gezweifelt.  Meine Talente liegen woanders und ich brauche ein Umfeld, wo ich sie einsetzen und weiterentwickeln kann. Ich nahm das Ende meines Vertrags zum Anlass, den Absprung aus der Wissenschaft zu wagen. Und, bisher fehlt sie mir nicht.

Der erste Monat, September, war geprägt von Orga. Ausstand, Reisevorbereitungen, Flug, Ankunft, Wohnungssuche, Wohnungsüberbrückung, die Tage am Meer und Einzug in unser jetziges Appartment. Im Oktober kamen dann alle weiteren Dinge hinzu, die es zum Heimischwerden in der neuen Stadt braucht: Konto, Mobilfunkvertrag, Einkäufe für die Wohnung, in der neuen Stadt umherlaufen, die Heimat auf Zeit kennenlernen. Sich bei allen lieben Menschen melden, die zu Hause sind und uns gut aufgehoben wissen wollen. Es war keine Arbeit, aber Urlaub war es auch nicht. Rückblickend kam mir alles wie eine lange To-Do-Liste vor. Beim Aufstehen morgens musste ich nur noch überlegen, welche Punkte ich heute in Angriff nehmen will. Sport ist im November dazu gekommen. Nicht weit von unserem Haus gibt es eine öffentliche Sportstätte, in der mittwochs bis freitags verschiedene Kurse von Fitness über Pilates bis hin zu Yoga angeboten werden. Durch die probiere ich mich gerade durch.

Die größte Veränderung ist, dass mir der – nennen wir ihn mal –  „Achtstundenblock“ zur Strukturierung des Tages fehlt. Als ich noch morgens ins Büro und abends nach Hause ging, konnte ich tagsüber nur sehr sporadisch andere Dinge erledigen oder Termine wahrnehmen. Daraus ergab sich eine irgendwie natürliche Priorisierung. Erst Arbeiten und in der Zeit, die übrigbleibt, Lebensorga und Freizeit. Das war schon in der Schule so, auch das Studium war ein Vollzeitjob und die Diss sowieso. Nur jetzt ist alles anders.

Plötzlich fehlt der Achtstundenblock und mit ihm diese Priorisierung. Die Lebensorga konnte einen viel größeren Raum einnehmen. Zusammen mit der neuen Umgebung führte das dazu, dass ich einfach mehr Zeit aufwenden konnte (und teilweise musste), für die alltäglichen Dinge wie Lebensmittel einkaufen, kochen, backen, waschen. Zum anderen, habe ich manche Dinge auch deutlich intensiviert, M würde vielleicht sagen verkompliziert. Ich konnte auf Craigslist – dem Ebay von San Francisco – einfach so lange nach Mixern suchen, bis ich mein Wunschgerät gefunden hatte. Ich konnte anfangen, Brot zu backen, anstatt es zu kaufen. Ich konnte jede Woche einen Kuchen oder Kekse backen. Ich kann online vorher Bewertungen für die „besten Adressen, um in San Francisco ein Kleid zu kaufen“ recherchieren, anstatt mich einfach in den Bus zu setzen, und in die Stadt zu fahren.

(Einschub: Im Nachhinein stellte sich das als viel einfacher heraus. Ich war nämlich tatsächlich erst einmal in die Stadt gefahren, um Macy’s, Bloomingdale’s & Co. einen Besuch abzustatten. Die Kleiderabteilungen kann man sich ungefähr vorstellen, wie die im Peek & Cloppenburg, nur dreimal so groß und fünfmal so plüschig. Und ich war da völlig falsch. Bei dem bei Yelp gefundenen Laden hingegen, handelte es sich um ein wirklich gut sortiertes, kleines Geschäft im mittleren Preissegment, wo sich Laura aufmerksam, aber nicht aufdringlich, meiner annahm.)

Hauptsächlich nutze ich die Zeit momentan also tatsächlich anders. Die BWLerin in mir stellte letzte Woche fest, dass ich die Fertigungstiefe deutlich erhöht habe. In unserem Vorratsschrank und Kühlschrank finden sich momentan ziemlich viele Produkte, auf deren Zutatenliste nur ein Bestandteil steht. Rohstoffe sozusagen. Mehl, Bohnen, Reis, Kartoffeln, Gemüse. Und die werden vorbereitet, gekocht, gerührt, gemixt, gebraten und dann irgendwann zu Mittag oder Abend gegessen. Das dauert nicht zwingend länger, als mit fertigen (Vor-)Produkten. Ist halt einfach ein bisschen komplexer und braucht manchmal ein wenig mehr Vorlauf. Und ersthaft, gerade genieße ich das. Deswegen gibt es hier auch ständig Rezepte zu lesen. Ich fröhne meinem Dasein als Hausfrau.

Das Blog kriegt auch ein paar Stunden in der Woche ab, Fotos sortieren, verkleinern, hochladen einbinden, Texte schreiben, manchmal hier und da was an den Titelbildern oder der Struktur schrauben. Wie stellte Bodo letztens so treffend fest:

Ich merke schon, jetzt wo das Grundgeruest des Blogs steht, geht das Blogschreiben etwas schneller. Dennoch bin ich beeindruckt von den vielen teilweise zeitintensiven Schritten, bis so ein Eintrag steht. Erst muessen all die (viel zu vielen) Fotos auf der Kamera gesichtet und dort bereits schlechte Schnappschuesse geloescht werden. Dann folgt die Auswahl der Bilder, von denen es dann auch nur eine zweite Auswahl in den Blog gibt. Diese Fotos muessen dann hochgeladen, zum Teil gedreht, skaliert, zentriert und natuerlich beschriftet werden.

Außerdem stehen Bücher und Filme gerade hoch im Kurs, weil es inzwischen abends früher dunkel wird. Und natürlich immer wieder Erkundungen. In der Stadt, raus aus der Stadt, um die Stadt herum.

Erst jetzt, nach fast drei Monaten nicht arbeiten, fühlt es sich nach einer Pause an. Nach einem Wochenende, das nicht endet. Oder auch wie Urlaub. So langsam entspannt sich mein Gehirn von der Vorstellung, jeden Tag etwas schaffen und einen Punkt auf der To-Do-Liste abhaken zu müssen. Eigentlich eine sehr schöne Zeit gerade. Um den Umzug muss ich mich nicht mehr kümmern. Um die Zukunft muss ich mich noch nicht kümmern.

Ich war jedoch erstaunt, wie lange es gedauert hat, bis ich in diesem Zustand ankam. Naja, wir sind zum ersten Mal zusammengezogen, dafür umgezogen und in einem anderen Land angekommen. Vielleicht konnte das nicht schneller gehen mit dem entspannten Loslassen.