Momente in Gedanken #2

München hat viele Friedhöfe; einer davon ist besonders. Der Alte Nördliche Friedhof in der Maxvorstadt hat einen sehr schönen Baumbestand. Die Grabsteine des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegten Friedhofs sind recht groß und teilweise sogar mit Skulpturen besetzt. Tote werden hier heute nicht mehr beigesetzt. Diese Merkmale teilt der Friedhof mit anderen Grabstätten.

Wer den Nordfriedhof betritt, kann allerdings durch das Sonnenlicht, das leise durch die Blätter fällt, die Besonderheit des Friedhofs erfahren. Schnell hat man dein Eindruck, als huschten Tiere, Menschen oder Ähnliches zwischen den Bäumen vorbei. Und nach weiteren Schritten begegnet man der ersten Person, die auf einer Decke zwischen den Gräbern sitzt, und einer anderen Person, die im Schatten meditiert oder Dehnübungen macht. Denn die Umherhuschenden sind Jogger, die ihre Runden auf den Wegen des Friedhofs drehen.

Die Stadt München und die Bürger haben sich geeinigt. Der Friedhof kann zu Freizeitzwecken genutzt werden, ohne dass dabei die Pietät des Ortes und die Ruhe der Begrabenen gestört wird (wie uns Schilder aufklären). Und nach einer Weile der Akklimatisierung, können wir das Konzept langsam nachvollziehen. Gerade weil wir auf einen Friedhof sind, finden wir Ruhe. Und warum sollte man diese nicht im leisen Gespräch oder beim Laufen nutzen? Nach und nach wird uns bewusst, dass diese Ruhe und Stille in Großstädten natürlich äußerst selten ist – und man das so auch nicht in den größten Parks (wie dem Englischen Garten) finden kann.

Es bleibt nur noch über unsere (christlich-europäische) Begräbnistradition nachzudenken. Meistens befindet man sich auf einem Friedhof, wenn ein Mensch gestorben ist, der einem persönlich nahe stand. Später besucht man das Grab noch mit gleicher Stille – aber vielleicht mit abgemilderter Trauer. Wer als Kind bei einer Beerdigung dabei war, dem wird sicherlich noch die Stille der schwarz bekleideten Erwachsenen in Erinnerung sein, die Ermahnung, nicht laut zu sein, die Erklärung, dass man die Ruhe der Toten nicht stören wolle.

Wie es zum requiescat in pace  (Ruhe in Frieden) kam, wissen wir nicht so genau. Wir ahnen allerdings, dass es bei der Wandlung der eigenen alten Traditionen hilft, über die Traditionen anderer Menschen, Völker, Gesellschaften nachzudenken. Ist der Umgang mit dem Tod immer der gleiche? Allgemein bekannt ist, dass der Tod auch als eine Zwischenstation angesehen werden kann, auf dem Weg zum nächsten irdischen Leben (bspw. im Buddhismus oder bei den Mayas). Der Tod ist dann Teil des Lebens und nicht ihm entgegengesetzt. Der Tod kann auch als absolut endgültig angesehen werden, so dass nur das Diesseits zählt und die Toten keiner Behausungen bedürfen (bei den Griechen). Und manchmal wird die gemeinsame Erinnerung an Verstorbene sogar zu einem farbigen Fest mit Blumen, Gesang oder Tanz: