Piper Kerman: Orange Is the New Black

Dies war das Hörbuch mit den meisten Vorbestellungen in der Bibliothek. Da San Francisco aber eine große Stadt ist und die Bibliothek mehrere Lizenzen für das Audiobuch besitzt, konnte ich mich innerhalb eines Monats von Platz 19 der Warteliste auf Platz 1 vorarbeiten. Ich fand, das Buch war das Warten wert.

In Orange Is the New Black beschreibt Piper Kerman autobiographisch ihre 13-monatige Haft im amerikanischen Frauengefängnis Danbury. Kurz nach dem sie mit der Uni fertig war, wusste die junge Piper nichts so recht mit ihrem Leben anzufangen. Über ihre Freundin bekommt sie Zugang zu international agierenden Drogenring. Sie steigt als Geldkurier ein und nach wenigen Aufträgen auch gleich wieder aus. Jedoch fliegt der Drogenring einige Zeit später auf, einer der Beteiligten macht einen Deal mit der Staatsanwaltschaft und singt. Fünf Jahre später steht sie vor Gericht. Um einer potentiell deutlich höheren Strafe zu entgehen, plädiert sich auf schuldig und bekommt 15 Monate, die aufgrund guter Führung schließlich auf 13 verkürzt werden. Da zwischen Verurteilung und Haftantritt nochmal fünf Jahre liegen, wird sie – mehr als 10 Jahre nach dem Vergehen – nun aus einem bürgerlichen Leben in New York gerissen.

In den ersten Kapiteln kriege ich gut Angst – Kerman schafft es das Unbekannte so darzustellen, wie es sich für sie angefühlt haben muss. Bedrohlich. Wie ist es im Gefängnis? Wie viel Gewalt wird einem angetan, von den Mithäftlingen oder den Wärtern? Wie sollte sie sich als eher gut situierte, weiße Frau dort verhalten? Wer sind die Mitgefangenen? Auf alle diese Fragen findet sie vorab keine Antworten, keine Bücher darüber. Sie hat nur den Hinweis ihres Anwalts, dass sie sich unauffällig verhalten und möglichst für sich bleiben soll.

Sie beschreibt den Tag ihres Haftantritts, die ersten Tage und Wochen sehr ausführlich. Aber es wird weniger dramatisch als zunächst angenommen. Das Gefängnis hat einen separaten Trakt mit höherer Sicherheitsstufe für Gewaltverbrecherinnen. Kerman selbst sitzt in einem Trakt ein, der geringere Sicherheitsauflagen hat. So gibt es keine Zellen sondern große Schlafsäle mit Doppelstockbetten und relativ große Bewegungsfreiheit drinnen wie draußen.

Langsam entspinnt sich die Beschreibung ihres Alltags: Wie schwierig es ist, für essentielle Dinge wie Besuchserlaubnisse oder den Kauf von Shampoo auf schriftliche Anträge und ihre Bewilligung angewiesen zu sein. Wie dankbar sie ist, dass sie gesund ist, weil es nur die allerdnötigste medizinische Versorgung gibt. Wie selten ordentlichen Essen angeboten wird und wie wenig hilfreich die Informationen sind, die auf die Freilassung vorbereiten sollen.

Insgesamt zeichnet sie ein ziemlich trostloses Bild. Aufgrund verschiedener Gesetzesänderungen sind die Inhaftierungsraten in den USA in den letzten Jahren stetig gestiegen, es wurden neue Gefängnisse gebaut, in denen die Strafen letztendlich einfach nur abgesessen werden. Beim Lesen von Kermans Erlebnissen fragte ich mich selbst irgendwann: Was genau haben sie sich dabei gedacht? Wie hilft es der Gesellschaft, Frauen für Internetbetrug oder Drogendelikte derartig lange einzusperren, ohne ihnen hinterher die Perspektive für ein Leben jenseits illegaler Geldströme aufzuzeigen?

Aus der Beschreibung dieses insgesamt sehr Alltäglichen in einer nicht alltäglichen Umgebung zieht das Buch für mich einen großen Teil seiner Faszination. Mir hat es gefallen, was auch an der Art und Weise liegt, wie Cassandra Campbell die Verschiedenheit der inhaftierten Frauen sprachlich umsetzt. Ihr Alltag in einem amerikanischen Gefängnis wird greifbar, aber die Angst vom Anfang bestätigt sich nicht. Was gut ist, für mich. Es muss nicht immer Drama sein.

Das Buch ist die Grundlage für die gleichnamige Serie, die im Sommer 2013 bei Netflix ausgestrahlt wurde und sehr gute Kritiken erhielt.

Piper Kerman (2012): Orange Is the New Black, narrated by Cassandra Campbell, unabridged audiobook, Tantor Audio, 11 Std. 14 Minuten.

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